Renovierung mit innovativer Technik
Hörsaal-Dach der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt wird mit textilbewehrtem Beton verstärkt
Dresden, 19. Oktober 2006. Das optisch auffallende Dach über dem Großen Hörsaal der Fachhochschule in Schweinfurt wird - optisch weitgehend unauffällig - im Rahmen einer Sanierung mit der hochmodernen Technologie des textilbewehrten Betons verstärkt und somit sicherer für die Zukunft gemacht. Das Schalentragwerk mit fast 40 Metern Spannweite wurde in den 60er Jahren in der Form eines so genannten "hyperbolischen Paraboloids" errichtet. Die Schale ist nur 8 cm stark, nur der aussteifende Rand zwischen 36 und 77 Zentimetern. An den beiden auskragenden Enden der Schale im Norden und Süden hat diese ihre ursprüngliche Form verlassen - die Schale hängt hier quasi einige Zentimeter durch. Dieser Bereich soll nun verstärkt werden. Die Verstärkung ist ausdrücklich für eine Beanspruchung durch Schnee und Wind ausgelegt.
Bei einer Überprüfung und Nachrechnung der Hyparschale im Auftrag des Staatlichen Bauamtes Schweinfurt zu Jahresbeginn durch die ARGE Schalenbau Rostock, der federführend der Hyparschalenspezialist Dipl.-Ing. Ulrich Müther aus Binz (Rügen) und die Wissenschaftlerin Dr.-Ing. Barbara Hauptenbuchner aus Dresden angehören, wurden Spannungsüberschreitungen im Bereich der Hochpunkte zwischen den Stützen festgestellt. Die erforderliche Tragfähigkeit im Bereich der Auskragungen, so die Fachleute der ARGE Schalenbau, soll in Zusammenarbeit mit der TU Dresden durch drei Lagen Textilbetonverstärkung aus Carbonfasern gesichert werden.
An der TU Dresden untersuchen Forscher verschiedener Disziplinen im Sonderforschungsbereich 528 "Textile Bewehrungen zur bautechnischen Verstärkung und Instandsetzung" textile Bewehrungen. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass sie eine hervorragende Alternative und Ergänzung zu den bisher verwendeten Verstärkungs- und Instandsetzungsmethoden sind. Ein Vorteil gegenüber der bekannten traditionellen Stahlbewehrung ist, dass man trotz erheblich dünnerer Betonschichten deutlich höhere Tragfähigkeit erzielen kann. Außerdem besitzen textile Bewehrungen die notwendige Verformbarkeit, um sich auch komplizierten und gekrümmten Geometrien anzupassen. Das ermöglicht auch Verstärkungen an schalenförmigen Bauteilen. Nach dem vorliegenden Gutachten der TU Dresden zum Dach des Großen Hörsaals der FH Schweinfurt "ist die Verstärkung mit textilbewehrtem Beton für das zu untersuchende Tragwerk hervorragend geeignet." Am Donnerstag (19.10.2006) begann unter kritischen Augen der Dresdner Wissenschaftler die Verstärkung des Schalentragwerks mit textilbewehrtem Beton, einem neuen innovativen Verbundwerkstoff. Die textilbewehrte Feinbetonverstärkung wird dabei lagenweise auf die zuvor durch Sandstrahlen aufgeraute Oberfläche Schale aufgebracht. Durch Auflaminieren werden abwechselnd Feinbeton und textile Bewehrung in drei Lagen aufgetragen. Die Gesamtdicke der Verstärkung wird nur 15 mm betragen.
Hintergrund: Was steckt hinter der textilen Bewehrung?
Technische Textilien entstehen durch die Verarbeitung von endlosen Hochleistungsfasern zu flächigen oder räumlichen Strukturen. Als Werkstoffe können je nach Anwendung verschiedene Chemiefasern, alkaliresistente Glasfasern oder Carbonfasern zum Einsatz kommen. Mehrere hundert bis tausend einzelne Fasern, so genannte Filamente, mit einem Durchmesser von wenigen Mikrometern werden zu einem Roving gebündelt und mit Hilfe von Textilmaschinen zu Gelegen verarbeitet. Für diese Strukturen wurde der Begriff der textilen Bewehrung geprägt.
Ohne Bewehrung ist Beton nicht rundum belastbar. Die traditionelle Bewehrung mit Stahl ist zwar gut für die Zug- und Biegebeanspruchungen, macht die Bauwerke aber dick: Der eingelegte Stahl reagiert aufs Wetter - weswegen er mit einer genügend dicken Schicht von Beton umgeben sein muss, um nicht zu rosten. Die Kombination beider Stoffe führt dann sozusagen konstruktionsbedingt zu einer bestimmten Dicke und damit auch zu einer bestimmten Masse.
Seit 1994 arbeitet das Institut für Textil- und Bekleidungstechnik der TU Dresden intensiv an der Entwicklung und Herstellung von textilen Strukturen als Bewehrung im Beton. In Vorarbeiten und mit umfangreichen Versuchsserien im Rahmen einzelner Forschungsvorhaben wurden zahlreiche Kenntnisse gewonnen. Für die Schaffung wissenschaftlicher Grundlagen wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) 1999 der Sonderforschungsbereich 528 "Textile Bewehrungen zur bautechnischen Verstärkung und Instandsetzung" eingerichtet und 2002 sowie 2005 die Weiterführung bewilligt.
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