Beschreibung
Stichworte:
Furchenbewässerung, Mathematische Modellierung, Effizienz, Optimierung, Neuronale Netze, Evolutionäre Algorithmen
Zielstellung
Die Sicherung der Ernährung der Weltbevölkerung gilt nach UN World Water Developement Report (2003) als derzeit dringendstes Problem. Im zurückliegenden Jahrhundert waren Landerschließung und die enorme Intensivierung der Produktionsmethoden die Antworten auf das unvermindert anhaltende Bevölkerungswachstum auf der Erde. Mittlerweile können Erträge auf fruchtbaren Flächen nur noch durch geeignete Bewässerungsmaßnahmen signifikant gesteigert werden. Mehr als drei Viertel des vom Menschen genutzten Wassers werden jedoch schon von der Landwirtschaft genutzt. So gewinnt die bessere Ausnutzung dieser Ressource immer stärker an Bedeutung, denn der durchschnittliche Bewässerungswirkungsgrad liegt derzeit nur bei etwa 38%. Ein hohes Einsparungspotential gibt es vor allem bei Verfahren der Furchenbewässerung, die wegen ihrer Einfachheit in der Anwendung und geringer Kosten weltweit immer noch mit Abstand die größte Verbreitung finden.
Die Verbesserung des Bewässerungswirkungsgrades ist daher ein hoch aktuelles Problem. Der entscheidende Schritt dazu ist die optimale Steuerung von Bewässerungsanlagen. Das Institut für Hydrologie und Meteorologie (IHM) arbeitet daran seit etwa fünf Jahren in einem DFG-Forschungsprojekt. Die größte Hürde, an der bisher die Bemühungen scheitern, ist die prozessbasierte und daher aufwändige numerische Modellierung in Verbindung mit einer komplexen nichtlinearen Optimierung. Die Erstellung eines optimalen Bewässerungsplanes (In welchen Intervallen und wie viel wird bewässert ?) muss die Aufleitungsparameter der einzelnen Bewässerungsvorgänge (Wie lange und mit welcher Intensität wird bewässert ?) mit berücksichtigt werden. Dies führt zu einem geschachtelten nichtlinearen Optimierungsproblem (Abbildung Vorgehen), in dem nicht einmal die Zahl der Optimierungsvariablen (Wie viele Bewässerungen werden in der Wachstumsperiode durchgeführt?) bekannt ist. Die Forderung aus der Bewässerungspraxis ist jedoch ein einfach zu bedienendes Werkzeug.
Methoden
Die im Projekt entwickelte Technologie zeigt vielversprechende Ergebnisse durch die Verbindung von prozessbasierter Modellierung mit geeignete Methoden aus der Künstlichen Intelligenz – speziell evolutionäre Algorithmen und neuronale Netze – die sowohl zur Lösung des komplexen Optimierungsproblems als auch zur Vereinfachung in der Anwendung führen.
Die optimale Steuerung von Bewässerungsanlagen zur Erhöhung des Wirkungsgrades der Bewässerung erfordert eine genaue, d.h. physikalisch begründete Beschreibung der dynamischen Wasserverteilung. Das innerhalb des Projektes entwickelte Bewässerungsmodell FIM (Furrow Irrigation Model) erlaubt die prozessbasierte Simulation der zeitlich und räumlich stark diskontinuierlichen ober- und unterirdischen Strömungsvorgänge bei der Furchenbewässerung für die Dauer einer gesamten Wachstumsperiode. Dabei ist eine analytische Lösung der 1D-Flachwassergleichungen mit dem zweidimensionalen Bodenwassertransportmodell von Hydrus-2 unter Berücksichtigung der wechselnden Randbedingungen während der Wasseraufleitung numerisch iterativ gekoppelt. Ein Pflanzenwachstumsmodul basierend auf der saisonalen Entwicklung der Pflanzen-Blattoberfläche benutzt standortspezifische Klimafaktoren, berechnet den potentiellen Wasserentzug durch die Pflanzenwurzeln und berücksichtigt den Einfluss von Wasserstress durch die Kopplung mit dem Bodenwassertransportmodul. Als detaillierte Simulationsergebnisse stehen der zeitliche Verlauf der Zustandsgrößen zur Verfügung, aber auch der zu erwartender Ernteertrag und verschiedenen Kriterien zur Bewertung des Bewässerungsszenarios, wie der Bewässerungswirkungsgrad.
Im Gegensatz zu einfachen Volumenbilanzmodellen erlaubt FIM die zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Simulation des Wassertransports und damit die korrekte Bewertung der Wirkung von sowohl einzelnen Bewässerungsereignissen, als auch einer Folge von Einzelereignissen, dem so genannten Bewässerungsplan. Die gleichzeitig mit der Prozessmodellierung zunehmende Komplexität der geschachtelten Optimierungsaufgabe kann nur mit stochastischen Suchverfahren bewältigt werden. Evolutionäre Algorithmen bieten sich als Verfahren an, weil diese zum einen zulassen, dass die Zahl der Bewässerungen Gegenstand der Optimierung sind und zum anderen die Möglichkeit bieten, durch die Integration von „empirischen“ Regeln den Parametersuchraum auf sinnvolle Bewässerungspläne einzuschränken.
Dennoch benötigt der entwickelte evolutionäre Optimierungsalgorithmus eine Vielzahl von Funktionsauswertungen zur Ermittlung eines optimalen Bewässerungsplanes. Deswegen beschleunigen neuronale Netze die Lösung des inneren Optimierungsproblems, d.h. die Bestimmung der optimalen Parameter für einen Bewässerungsereignis (Intensität und Dauer der Aufleitung) um mindestens eine Größenordnung. Eine selbstorganisierender topologische Merkmalskarte, kurz SOM (eine spezielle Architektur künstlicher neuronaler Netze), erlernt die wesentliche Eigenschaften des Wassertransportes auf und in dem zu bewässernden Feld durch Training mit Ergebnissen von Modellrechnungen. Im Ergebnis kann dann die autonome SOM einfach und zuverlässig die notwendige Bewässerungsdauer und -intensität für den angelernten Bereich vorhersagen. Die Anwendung des neuronalen Netzes führt zu einer wesentlich schnelleren Lösung des geschachtelten Optimierungsproblems. Außerdem kann es für einen bestimmten Standort die Ergebnisse der numerischen Strömungsmodellierung und der aufwändigen Optimierung als robustes Werkzeug zusammenfassen und bietet damit die Möglichkeit, berechnete optimale Bewässerungspläne in der Bewässerungspraxis zu überführen.
Ergebnisse
Die neue Strategie - bestehend aus dem numerischem Prozessmodell, dem evolutionären Algorithmus und dem neuronalem Netz – wurde auf ein Anbaugebiet in Südfrankreich angewandt und mit zwei weiteren Strategien verglichen:
- Bedarfsbewässerung aufgrund gemessener Bodenfeuchte und
- dynamischer Programmierung kombiniert mit einem Wasserbilanzmodell.
Ziel war die Ermittlung der jeweils minimalen Wassermenge, die „optimal“ über eine Wachstumsperiode verteilt zu maximalem Pflanzenertrag führt. Im Simulationsergebnis benötigte das neue Optimierungsverfahren nur etwa 65% der Wassermenge von Strategie (1) und 75% der Wassermenge von Strategie (2). Der Vergleich zeigt das prinzipiell hohe Potential der neuen Optimierungsstrategie den Bewässerungswirkungsgrad in der Zukunft wesentlich zu erhöhen. Feldexperimente bei den Kooperationspartnern am IIT Karaghpur (Indien) und der CEMAGREF in Montpellier (Frankreich) sollen die Wirksamkeit der Strategie in der Bewässerungspraxis nachweisen und mögliche Anwendungsfelder erschließen.