Was haben berühmte Hauptdarstellerinnen der Kunstgeschichte wie Dalila, Phyllis oder Judith gemeinsam? Alle drei haben Männer dank verschiedener Stärken verführt, erniedrigt, besiegt. Episoden der sogenannten Weibermacht oder Weiberlist, die man antiken Stoffen, dem Alten Testament oder mittelalterlichen Sagen entlehnte, wurden seit Ende des 15. Jahrhunderts zahlreich im Bild festgehalten und fanden besonders über das Medium der Druckgraphik weite Verbreitung.
Die enorme Popularität dieser Sujets wirft die Frage auf, welche Aussage mit der listigen, (sexuell) aktiven und aufsässigen Frau auf der einen und dem unterworfenen, kopf- und machtlosen Mann auf der anderen Seite vermittelt werden sollte. Mächtige Frauen im Bild dienten zunächst der Abschreckung und der Warnung vor einer verkehrten, auf den Kopf gestellten Welt, in der nicht der Mann, sondern die Frau das Regiment führte. Aber auch andere, weniger moralische Lesarten – immer abhängig vom konkreten Bildinhalt und von den jeweiligen Kontexten (Künstler, Auftraggeber, Publikum, Bildmedium, Anbringungsort) – sind denkbar und sollen im Seminar anhand ausgewählter Beispiele diskutiert werden. Da gerade im 16. Jahrhundert Szenen der Weibermacht parallel zur bildlichen Verbreitung auch in Fastnachtspielen aufgeführt und vermittelt wurden, soll die enge Verknüpfung von Bild, Text und Performanz stets Berücksichtigung finden. Darüber hinaus wird es für das Verständnis der Themen unerlässlich sein, sozialhistorische Aspekte, wie etwa den Wandel der Geschlechterverhältnisse oder die Funktion der Ehe, zu beleuchten.
Im Seminar soll der Schwerpunkt auf die Analyse von Weibermachtszenen der Frühen Neuzeit gerichtet werden. Ein zeitlicher Ausblick in die Moderne ist jedoch angedacht, vor allem um zu erörtern, wie Bilder der Weibermacht und die damit verbundenden Geschlechterrollen im 20. Jahrhundert von einer männlichen Perspektive gelöst und von Künstlerinnen, wie etwa Cindy Sherman, neu interpretiert wurden.
Die zu erbringenden Leistungen im Seminar bestehen aus einem Referat und einem begleitenden Handout sowie einer Seminararbeit. Ein Semesterapparat mit grundlegenden Literaturtiteln wird ab Beginn des Seminars in der SLUB bereitstehen.
Die Vergabe der Referatsthemen erfolgt in der ersten Sitzung am 16.04.2013.
Literatur zur Einführung
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Bischoff, Cordula und Schnitzer, Claudia [Hrsg.]: Mannes Lust & Weibes Macht. Geschlechterwahn in Renaissance und Barock. 2 Bde., Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Dresden 2005.
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Bleyerveld, Yvonne: Powerful women, foolish men. The popularity of the "power of women" topos in art, in: Women of distinction. Margaret of York, Margaret of Austria, hrsg. v. Dagmar Eicheberger. Turnhout 2005, S. 167-175.
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Held, Jutta: Die „Weibermacht“. In Bildern der Kunst von der frühen Neuzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Tendenzen, 152, 1985, S. 45-56.
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Metken, Sigrid: Der Kampf um die Hose. Geschlechterstreit und die Macht im Haus. Die Geschichte eines Symbols. Frankfurt am Main/New York 1996.
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Russell, Helen Diane [Hrsg.]: Eva/Ave. Woman in Renaissance and Baroque prints, New York 1990.
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Smith, Susan L.: The Power of Women. A Topos in Medieval Art and Literature. Philadelphia 1995.
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Stewart, Alison G.: Unequal lovers. A study of Unequal Couples in Northern Art. New York, 1978.
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