Politische Bildung in Aktion
Um was geht es in dieser Folge?
Politische Bildung will politische Handlungsfähigkeit fördern. Was läge da näher, als das in ganz praktischen Handlungsvollzügen zu fördern. Politische Bildung in Aktion oder in politischen Bewegungen ist höchst effektiv. Alle, die sich politisch engagieren, wissen: Nirgendwo lernt man mehr als beim Machen. Nie ist die Motivation und die Notwendigkeit höher, sowohl politische Prozess-, Struktur- aber auch Inhaltsfragen für sich zu klären. Aber was passiert, wenn wir politische Aktionen in Bildungsprozesse integrieren? Verlieren sie dann nicht an Sinn? Was ist mit der Frustration, die sich in realen politischen Prozessen strukturlogisch ergibt und was bedeutet das für die Frage, wie politisch politische Bildung sein darf? Steve Kenner ist ein toller Experte zur Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen. Wir sind begeistert, dass wir ihn dafür gewinnen konnten, seine Expertise für die Abendschule aufzubereiten.
Bevor es losgeht:
Diese Folge der Abendschule ist ein kleines bisschen länger als der Durchschnitt (40 Min), aber sie ist sehr gut verständlich und kann bei Bedarf auch etwas schneller abgespielt werden.
Die zentrale Frage ist:
Was passiert, wenn wir politische Bildung in politischen Bewegungen machen oder reale politische Aktionen in Prozesse der politischen Bildung integrieren? Dürfen wir das überhaupt und welche Herausforderungen ergeben sich dabei?
Wer spricht?
Autor dieser Folge ist Dr. Steve Kenner, der mittlerweile als Gastdozent die Professur für Politikdidaktik mit dem Schwerpunkt Bildung für Nachhaltigkeit / Transformative Bildung am Otto Suhr-Institut der Freien Universität Berlin vertritt. Mehr zu Person erfahren Sie hier.
Literatur zur Vertiefung:
Arendt, Hannah (2016): Vita activa oder Vom tätigen Leben. München.
Arendt, Hannah (2017): Ziviler Ungehorsam. In: Braune, Andreas (Hrsg.): Ziviler Ungehorsam. Texte von Thoreau bis Occupy. Ditzingen, S. 132-158.
Breit, Gotthard/Massing, Peter (2002): Die Rückkehr des Bürgers in die politische Bildung. Schwalbach/Ts.
Habermas, Jürgen (2017): Ziviler Ungehorsam – Testfall für den demokratischen Rechtsstaat. Wider den autoritären Legalismus in der Bundesrepublik. In: Braune, Andreas (Hrsg.): Ziviler Ungehorsam. Texte von Thoreau bis Occupy. Ditzingen.
Haunss, Sebastian (2016): Unrest or Social Movement? Some Cenceptual Clarifications. In: Andresen, Knud/van der Stehen, Bart (Hrsg.): A European Youth Revolt. European Perspectives on Youth Protest and Social Movements in the 1980s. London/New York, S. 25-38.
Isin, Engin F. (2008): Theorizing. Acts of Citizenship. In: Isin, Engin Fahri/Nielsen, Greg Marc (Hrsg.): Acts of Citizenship. London, S. 15-43.
Isin, Engin Fahri/Nielsen, Greg Marc (2008): Introduction. Acts of Citizenship. In: Dies. (Hrsg.): Acts of citizenship. London, S. 1-12.
Kenner, Steve (2021): Politische Bildung in Aktion. Eine qualitative Studie zur Rekonstruktion von selbstbestimmten Bildungserfahrungen in politischen Jugendinitiativen. Wiesbaden
Nonnenmacher, Frank (2010): Analyse,Kritik und Engagement – Möglichkeiten und Grenzen schulischen Politikunterrichts. In: Lösch, Bettina/Thimmel, Andreas (Hrsg.): Kritische politische Bildung. Ein Handbuch. Schwalbach/Ts., S. 459-470.
Nonnenmacher, Frank (2011): Handlungsorientierung und politische Aktion in der schulischen politischen Bildung. Ursprünge, Grenzen und Herausforderungen. In: Widmaier, Benedikt/Nonnenmacher, Frank (Hrsg.): Partizipation als Bildungsziel. Politische Aktion in der politischen Bildung. Schwalbach/Ts., S. 83-99.
Rawls, John (2017): Eine Theorie der Gerechtigkeit. In: Braune, Andreas (Hrsg.): Ziviler Ungehorsam. Texte von Thoreau bis Occupy. Ditzingen, S. 101-128.
Reinders, Heinz (2006): Freiwilligenarbeit und politische Engagementbereitschaft in der Adoleszenz. Skizze und empirische Prüfung einer Theorie gemeinnütziger Tätigkeit. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 2006, S. 599-616.
Trumann, Jana (2013): Lernen in Bewegung(en). Politische Partizipation und Bildung in Bürgerinitiativen. Berlin.
Weber, Max (1922): Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Tübingen.
Weißeno, Georg/Landwehr, Barbara (2018): Politische Partizipation, Selbstkonzept und Fachwissen. Ergebnisse einer Studie. In: Ziegler, Béatrice/Waldis, Monika (Hrsg.): Politische Bildung in der Demokratie. Interdisziplinäre Perspektiven. Wiesbaden, S. 175-190.
Wohnig, Alexander (2017): Zum Verhältnis von sozialem und politischem Lernen. Eine Analyse von Praxisbeispielen politischer Bildung. Wiesbaden.
Youniss, James/Yates, Miranda (1997): Community service and social responsibility in youth. Chicago, Ill.
Selbstüberprüfungsaufgaben
Für die Nutzer:innen der Abendschule stellen wir zu jeder Lecture Selbstüberprüfungsaufgaben bereit. Diese Aufgaben können dazu dienen, den Beitrag noch einmal zu überdenken, gedanklich zu vertiefen oder – falls Sie ein Weiterbildungszertifikat erwerben wollen – sich auf die Klausur zum Kurs vorzubereiten.
FRAGE 1: Politische Bildung versteht sich traditionell als Bürger:innenbildung und hat aus diesem Grund lange und ausführlich darüber nachgedacht, welche Bürger:innenleitbilder sie eigentlich verfolgen soll. Was sind die relevanten Konzepte in dieser Debatte? Wo liegen Grenzen oder auch Herausforderungen in diesem Zusammenhang? Und: Welche Bürger:innen- oder auch NICHT-Bürger:innenbilder halten Sie selbst für so zielführend, dass Sie sie Ihrer Bildungsarbeit zugrundelegen? Begründen Sie ausführlich!
FRAGE 2: In der politischen Bildung ist (ob wir wollen oder nicht) die Vorstellung von Bürger:innenschaft nicht selten mit der Vorstellung von Staatsbürger:innenschaft verbunden. Was würde sich ändern, wenn wir die Kopplung dieser Begriffe aufgeben und politische Bildung nicht mehr so stark als Bildung für Staatsbürger:innen denken? Differenzieren Sie in Ihren Ausführungen bitte nach Zielen, Inhalten und methodisch-didaktischen Überlegungen.
FRAGE 3: „Das Aufbegehren ist wichtiger Initiator für die individuellen politischen Lern- und Handlungspraxen, die eben nicht auf der Ebene des Vielfach zugeschriebenen reinen Verhinderns verbleiben, sondern wichtige gesellschaftliche Transformationspotenziale in sich verbergen“, sagt Jana Thomann in diesem Abendschulstück. Wie sollte die politische Bildung mit diesem Aufbegehren umgehen? Diskutieren Sie bitte ausführlich die Frage, ob und in welcher Weise politische Bildung als „Einbürgerungsangebot“ für alle Menschen nicht auch die Aufgabe hat, Einvernehmen, sozialen Frieden und ein Stück weit auch Akzeptanz in der Demokratie zu fördern. Wie stehen Einvernehmen und Akzeptanz zu Aufbegehren und Widerstand in Bildungsprozessen?
FRAGE 4: Stellen Sie sich vor, Sie würden – inspiriert durch das hier vorgestellte Stück – ein Bildungsangebot machen, welches im Kern darauf setzt, junge Menschen in Aktion zu bringen und sie in diesem Prozess zu begleiten. Anders als in den vorgestellten Beispielen wären die Interessen Ihrer Teilnehmer:innen nicht umweltpolitisch oder humanitär zu beschreiben, vielmehr bestünde der Wunsch der Gruppe darin, sich gegen den Zuzug von Geflüchteten zu engagieren. Wie würden Sie reagieren? Welche Handlungsoptionen stünden Ihnen zur Verfügung?