„Dem Begriff des Baumeisters ein neues und prägendes Gesicht gegeben“
Ehrendoktorwürde der TU Dresden für Dipl.-Ing. Eberhard Burger
Dresden, 10. Februar 2006. Die Fakultät Bauingenieurwesen der Technischen Universität Dresden hat dem Baudirektor beim Wiederaufbau der Frauenkirche und Sprecher der Geschäftsführung der Stiftung Frauenkirche Dresden, Dipl.-Ing. Eberhard Burger, den Titel eines Ehrendoktors verliehen. Die hohe akademische Auszeichnung eines Doktors der Ingenieurwissenschaften Ehren halber erhielt Eberhard Burger "in Anerkennung seiner hervorragenden Leistungen bei der Instandsetzung und dem Wiederaufbau von Kirchenbauwerken, insbesondere beim Wiederaufbau der Frauenkirche Dresden, sowie in Würdigung seiner Unterstützung von Forschungsvorhaben an der Technischen Universität Dresden".
Die feierliche Verleihung der Ehrendoktorwürde fand nicht wie üblich in dem eher intimen Festsaal des Rektorats statt, sondern wegen des großen Interesses der Öffentlichkeit im Auditorium Maximum der TU Dresden.
Der Rektor der TU Dresden, Prof. Hermann Kokenge, betonte in seiner Begrüßung, dass er schon bei der Beratung zur Verleihung der Ehrendoktorwürde den Eindruck gehabt habe, dass „alle Senatsmitglieder Ihnen ihren Dank dafür abstatten wollten, was Sie beim Wiederaufbau der Frauenkirche für uns alle geleistet haben.“ Die Aufgabe des Baumeisters beim Wiederaufbau der Frauenkirche sei mehr als eine bautechnische Aufgabe gewesen, die es unter besonderer Beachtung des Denkmalschutzes zu lösen galt: Burger habe eine hochkomplexe Führungsaufgabe gelöst, bei der die unterschiedlichsten Interessen zu beachten waren. „Wir ehren heute einen Bauingenieur, der den Bauberuf von der Pike auf erlernt hat, zwar nicht als Zimmermann oder Maurer wie Bähr und Fehre, sondern als Betonbauer, der jedoch im Laufe seines Berufslebens all die Fähigkeiten erworben hat, die einen wahren Baumeister auszeichnen“, sagte der Rektor.
Der sächsische Ministerpräsident Prof. Georg Milbradt würdigte die Verdienste Burgers beim Wiederaufbau der Frauenkirche. Burger habe sein ganzes Engagement dieser Vision gewidmet und sie voran gebracht – Stein für Stein. „Für dieses unermüdliche Engagement bewundere ich ihn und seine Mitstreiter und zolle ihm meinen höchsten Respekt und Dank“, sagte der Ministerpräsident, der auch einen der “wenigen Irrtümer des Eberhard Burger“ nannte – nämlich „als er eine Prognose zur Mittelverteilung wagte. Damals erwartete er eine Verteilung 1/3 privat und 2/3 öffentliche Hand. Die Realität erbrachte das Gegenteil: 1/3 der Staat und 2/3 die zahllosen privaten Spender und Förderer!“ Mit diesem Irrtum konnte die schmunzelnde Festversammlung offensichtlich gut leben, wie auch mit der Einschätzung Milbradts: „Eberhard Burger hat dem Begriff des Baumeisters ein neues und prägendes Gesicht gegeben. Er war und ist mit ganzer Seele Bauingenieur.“
Der Dekan der Fakultät Bauingenieurwesen, Prof. Raimund Herz, sagte in seinem Grußwort, die Fakultät Bauingenieurwesen sei stolz darauf, die Ehrendoktorwürde einem ihrer Absolventen verleihen zu können - „einer Persönlichkeit, die sich in der Tat große Verdienste um Wissenschaft, Technik, Kultur und Kunst im Bauingenieurwesen erworben hat und unserer Fakultät besonders verbunden ist.“ Herz würdigte in seiner Rede auch George Bähr: „Er war ein großartiger Baumeister, und sicher ist er für Sie in vielerlei Hinsicht ein großes Vorbild.“ Mit Anmerkungen zur Tragkonstruktion der Frauenkirche streifte Prof. Herz auch Fachfragen: „Die Statik der Dresdner Frauenkirche bleibt dem Betrachter verborgen, sie verläuft größtenteils im Innern des Bauwerks. Der Betrachter sieht nur die graziöse steinerne Glocke, die aus den Außenwänden schwerelos empor zu steigen scheint.“
„Man sollte Sie heute nicht nur zum Doktor, sondern auch zum Architekten ehrenhalber ernennen!“ sagte der Dekan der benachbarten Fakultät Architektur, Prof. Thomas Will, scherzhaft. In seinem Grußwort würdigte er nicht nur die Verdienste Burgers, sindern ging auch auf die Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen der beiden Disziplinen Architektur und Bauingenierwesen ein. „Mancher Architekt denkt gerne, dass die Architektur als die ältere auch die vornehmere Disziplin sei, insofern die Bauingenieure erst später hinzukamen, zur technischen Unterstützung gewissermaßen. Eine kuriose Sicht, die schon im 19. Jh. gründlich Lügen gestraft wurde,“ sagte Prof. Will. Auf Eberhard Burger aber träfe sowieso der Begriff am ehesten zu - das Wort, in dem die Einheit von Architekt und Ingenieur bis heute mitschwingt: „Baumeister“.
Prof. Manfred Curbach, Direktor des Instituts für Massivbau der TU Dresden, nannte in seiner Laudatio Eberhard Burger einen „Menschen, der nicht nur Baukunst schafft, sondern für den das Bauwerk einen eigenen Sinn, eine übergeordnete Bedeutung, vielleicht gar eine Seele besitzt.“ Burger sei ein Mann, der selbst bei großen Problemen, von denen es während des Wiederaufbaus der Frauenkirche genügend gab, die Übersicht behielt und der einzelne Beteiligte, die kurz vor dem Aufgeben waren, bei der Stange halten konnte. „In seinen Augen schienen wohl alle Probleme relativ klein im Vergleich zur großen Aufgabe des Wiederaufbaus“, sagte Curbach. Eberhard Burger habe in der Frauenkirche eine künstlerische Einheit gesehen, ein Bauwerk aus einem Guss, das nicht bloße technische Perfektion, sondern sensibles Einfühlungsvermögen erfordere. „Ein derartiges Gefühl für sein Bauwerk, wie es uns Herr Burger eindrucksvoll und bewundernswert vorlebt, wünsche ich jedem Architekten und Bauingenieur“, meinte Curbach.
Mit einer einfühlsamen und informativen Rede bedankte sich Eberhard Burger vor den über 800 Gästen im Audimax der TU Dresden für die ihm zu Teil gewordene Ehre eines Doktors Ehren halber. „Altes bewahren – Neues einbringen“ hatte er seine Gedanken überschrieben und den Bogen geschlagen von den Leistungen der Leute um George Bähr beim Bau der Frauenkirche 1726 bis 1743 zum Wiederaufbau des einzigartigen Bauwerks 1994 bis 2005.
Drei Gründe benannte Burger vor allem für die erfolgreiche, so nicht vorhersehbare Entwicklung beim Wiederaufbau der Frauenkirche. Zum einen sei die Frauenkirche zu Dresden als Bauwerk ein Unikat: „Es ist die einzige Kuppel mit einer Glockenform. Die Lastverteilung, die George Bähr im Bereich des Kuppelanlaufes baute, um die Innenpfeiler so schlank zu halten, wie sie sind, ist eine baumeisterliche Leistung, die seiner Zeit weit voraus war.“ Die steinerne Hauptkuppel, bei der Tragkonstruktion und Wetterschale eins sind, sei in dieser Größe unter unseren klimatischen Bedingungen ein Wagnis und führe zu ständiger hoher Beanspruchung der Konstruktion und des Materials.
Ein zweiter Grund sei die Entscheidung für den archäologischen Wiederaufbau mit dem Ziel, das Kirchgebäude wieder so aufzubauen, wie George Bähr es mit seinen Meistern und Bauleuten Anfang des 18. Jahrhunderts gebaut hat. „Altes bewahren, wieder neu entdecken. Altes lernend anwenden, bewährte Bautechnologien und –abläufe nachvollziehen und Neues einbringen, hinzufügen, verbessernd einsetzen“ sei die Devise gewesen, wobei alle Überlegungen zum Wiederaufbau von der Ehrfurcht vor den alten Meistern und der Bewunderung ihrer außergewöhnlichen Leistungen vor über 260 Jahren getragen worden seien.
Als dritten Grund nannte Burger die Tatsache dass die Frauenkirche zum gleichen Zweck wiederaufgebaut worden sei, für den sie ursprünglich bestimmt war – als Kirche.
„Altes bewahren / Neues einbringen“ hatte Burger seine Rede übertitelt, und immer wieder kam die Hochachtung vor den Leistungen der Altvorderen zur Sprache. „Wir haben vieles wieder lernen müssen, weil es unsere Zimmerleute, Maurer und Versetzer einfach in ihrer bisherigen Bautätigkeit noch nicht gemacht hatten.“ Ganz so einfach wie früher sei es auch nicht immer gewesen – und auch nicht so ungezwungen: „Zu George Bährs Zeit wurde jeder Kalkkasten einzeln angestoßen: 25 Schaufeln Sand, 6 Schaufeln Traß, einen Schwupp Wasser aus dem Eimer.“ Da waren die Mörtelmischungen täglich anders – und damit auch seine Eigenschaften. Beim Wiederaufbau habe es eine eigene Mauerwerksrichtlinie gegeben und eine genau definierte Zusammensetzung des Mörtels – mit dem Vorteil einer höheren und erforderlichen Steifigkeit, die zu einer früher nicht zu erreichenden Homogenität und Stabilität führte.
Ein anders Beispiel für die technisch-perfekte Lösung in unserer Zeit, bei der vom Material bis zum handwerklichen Können Altes bewahrt und Neues behutsam sinnvoll und verträglich ergänzend eingesetzt wurde, führte Burger mit dem Kuppelanlauf an. Er sei immer das Sorgenkind gewesen, Ursache für Wasserschäden bis in die Gewölbe über dem Kirchraum. Die zunächst vorgeschlagene Lösung mit modernen Materialien heutiger Technik stieß bei der Ingenieurgemeinschaft auf Bedenken („zu modern“), es gab einen Gegenentwurf – doch auch der war nicht überzeugend, wie die Beurteilung von beiden Varianten in 1: 1 Modellen auf der Baustelle ergab. Also nochmal neue Beratungen mit Denkmalpfleger, Planer, Prüfer, Steintechniker, Ausführenden und natürlich dem Bauherren – und „gefunden wurde eine Lösung, die George Bähr hätte auch realisieren können.“ Keine schnelle Lösung, aber eine gute – eines der Geheimnisse beim Wunder des Wiederaufbaus.
Auch Burger ging auf die Finanzierung der beiden Kirchen ein: „Hierfür gilt „Altes bewahren“ nicht!“ sagte er. Finanzielle Sorgen, wie man sie am Anfang des Wiederaufbaus bis 1995/96 hatte, kannte auch George Bähr, sie waren sogar anhaltender - noch weit über den Tod George Bährs 1738 belasteten sie alle Handwerker und den Rat der Stadt. Der erste Kostenanschlag vom 10. Mai 1726 in Höhe von 82.555 Talern wurde im Ist mit 288.810 Talern mit 250% überschritten! „Da haben wir eine bessere Bilanz vorzuweisen. Die Kosten für den Wiederaufbau in Höhe von 131€ Millionen Euro lagen nur sehr gering über den 1995 geschätzten Kosten von 127€ Millionen Euro. 2,87 Prozent Kostenüberschreitung kann man fast als Kosteneinhaltung bezeichnen!“
Die Frauenkirche, das Wunder von Dresden. Eberhard Burger ist nachdenklich und doch voller Hoffnung, wenn er laut denkt: „Hunderttausende Menschen haben inzwischen die Frauenkirche erlebt und für sich erschlossen. Das Motto: Brücken bauen – Versöhnung leben ist folgerichtig ergänzt mit den Worten: Glauben stärken. Das tut gut in unserer Zeit heute und hier. Sich wieder auf Werte besinnen, sie schätzen und bewahren. Den Umgang miteinander bedenken. Die Anforderungen und Erwartungshaltungen an unseren Lebensstandart überprüfen. Was gebe ich von mir her für Andere, den Nächsten, ohne dabei zu profitieren? Viele Fragen an uns, viele Themen, die endlich mal unser Denken und Handeln bestimmen sollten. Ich glaube und bin fest davon überzeugt – mit der wieder aufgebauten Frauenkirche werden wir zu positiven Entwicklungen in unserem Land beitragen.“
Eberhard Burger in der Wikipedia
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