Akzente gesetz
Dresden, 23. Juni 2008.Eine Antrittsvorlesung ist etwas Besonderes im akademischen Leben. Sie ist so etwas wie ein laut vernehmlicher Startschuss eines relativ neu berufenen Professors, eine Standortbestimmung, mitunter auch das Aufzeigen einer Vision: Standort, Weg, Ziel. Bei den Bauingenieuren der TU Dresden hatten in jüngster Zeit vier Professoren unterschiedlicher Fachrichtungen einen Ruf angenommen - und sich zusammengetan, um an einem Nachmittag mit ihren vier Antrittsvorlesungen Akzente zu setzen. "Akzente" war dann auch der gemeinsame Titel des Nachmittags.
"Letztlich ist die Berufung auf eine Professur verbunden mit der Chance etwas ganz Eigenes und Innovatives zu tun, die Chance all das umzusetzen, was man in Studium und bisheriger beruflicher Tätigkeit an Erfahrungen gesammelt hat. Die Chance das Wissen weiterzugeben an die nächste Generation, die Studierenden und an die Doktoranden," sagte Prof. Rainer Schach, Dekan der Fakultät Bauingenieurwesen bei seiner Begrüßung. Nicht immer sei es leicht, diesen Elan durchzuhalten, denn "an einer Universität braucht man Geduld und einen langen Atem, seine Ziele umzusetzen" - die Verwaltungsmühlen seien kompliziert zu durchschauen und mahlten langsam.
"Über Körner und Kornhaufen" sprach als erster Prof. Dr.-Ing. habil. Ivo Herle, Institut für Geotechnik. Der 1966 in Prag geborene Bauingenieur in dritter Generation forderte in seinem Vortrag dazu auf, "spielerisch zu bleiben, die Welt mit Aufmerksamkeit zu beobachten!" Die Zuhörer erfuhren, warum in Amsterdam die Häuser schief stehen und im thüringischen Bad Frankenhausen ein Kirchturm dem viel berühmteren "schiefen" aus Pisa mehr als Konkurrenz macht. Der Baugrund ist schuld!
"Über Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde" redete Prof. Dr.-Ing. Viktor Mechtcherine, Institut für Baustoffe. "Man braucht Phantasie und Mut, um Ideen in die Tat umzusetzen", sagte er - und verblüffte das Auditorium mit einem Wasserglas, in dem das Wasser fest geworden war. Das Geheimnis hatte er vorher theoretisch gelüftet in einem Vortrag, der den Bogen schlug vom römischen Stampfbeton (wie er im Pantheon zu sehen ist!) zur Entwicklung neuer Betone wie hochduktilem Beton und Textilbeton.
"Über Modelle und Prognosen" referierte Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Kaliske, Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke. Er wurde 1960 in Hamburg geboren und hatte, vor seiner wissenschaftlichen Karriere als Bauingenieur, drei Semester Theologie studiert. "Lucanus cervus" - der Hirschkäfer - als Foto und auf drei Bildern diente ihm als Einstieg in die komplexe Materie der Modellbildung. Im Bauingenieurwesen müsse man durch Versuche herausbekommen, was passieren könnte. "Die numerische Simulation wiederum soll helfen, aussagekräftige Ergebnisse auch ohne Versuche (die Zeit und Geld kosten) zu bekommen."
"Über die Stabilität leichter Konstruktionen" sprach Prof. Dr.-Ing. Richard Stroetmann, Institut für Stahl- und Holzbau. 1963 in Wesel geboren, ist er ein Quereinsteiger, der sein berufliches Leben als Tischler begann, bevor er sich dem Bauingenieurwesen und der Wissenschaft widmete. In seinem Vortrag machte er deutlich, wie sich veränderte Rahmenbedingungen (wie die Einführung höherfester Stähle) auf die Bemessungsregeln in den Normenwerken auswirken. Auch der Einsatz von Stahl in Kombination mit anderen Werkstoffen wie Holz oder Glas werde zukünftig den Bauingenieuren neue Denkaufgaben geben.
Umrahmt wurde die Veranstaltung von den Bauharmonikern, StudentInnen und MitarbeiterInnen der Fakultät, die sich neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit dem Musischen verschrieben haben. Besonders ihre Idee, zur Begrüßung Lieder aus der jeweiligen Heimat der Professoren zu bringen, fand viel Anklang.
Nach dem offiziellen Teil mit den vier Vorlesungen setzten dann alle Gäste bei einem Empfang bis weit nach Sonnenuntergang Akzente in persönlichen Gesprächen.
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