Innen und Außen: Konstruktion und Symbolik von Grenz- und Schwellenräumen im mittelalterlichen Kloster
Projektleiter: Prof. Dr. Dr. h.c. Gert Melville - Bearbeiter: Sebastian Mickisch, Mag., M.A.
Das seit dem 01.05.2011 laufende und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt untersucht, wie sich Zustände der Liminalität im klösterlichen Leben des Mittelalters räumlich entfalten. Dabei geht es zwar auch, aber nicht unmittelbar um die eine große, übergeordnete Liminalität, mit der sich das Kloster als Ganzes auch im Räumlichen als transzendenter Übergangs- und Exklusionsort zwischen Himmel und Erde zeigt. Vielmehr konzentriert es sich auf jene Klosterräume, in denen einerseits Grenzen zwischen säkularer und monastischer Welt aufeinandertreffen und andererseits "irdische" und oft auch kritische Schwellenzustände in der vita religiosa reguliert werden müssen. Diese Räume werden einer systematischen Struktur- und Funktionsanalyse unterzogen. Frau Groer wird sich mit den Benediktiner- und Zisterzienserabteien, sowie den Häusern der eremitisch lebenden Kartäuser und Grandmontenser beschäftigen. Analog dazu bearbeitet Herr Mickisch die Klöster der Bettelorden (Franziskaner, Dominikaner, Karmeliten und Augustiner-Eremiten).
Im Fokus des Interesses stehen zum einen "Kontakt- und Grenzräume zwischen Kloster und Welt", zum anderen "Konventsinterne Schwellenräume". Dabei werden einerseits Abgrenzungsstrukturen im Randbereich der Klausur analysiert und aufgezeigt, inwiefern die vergleichsweise peripheren Räume des Klosters Ordensidentität und Transzendenzansprüche der vita religiosa dargestellt haben. Der Aspekt klösterlicher Selbstrepräsentanz nach außen ist dabei von besonderem Interesse. Systematisch untersucht wird dieser Zusammenhang für die drei wichtigsten, zugleich aber auch neuralgischsten Kontaktzonen zur Welt: a) Klostermauern, Tore, Torkapellen; b) Gästeräume, Wohnräume des Vorstehers, Amtshäuser und insbesondere bei Bettelorden auch Kreuzgänge; c) Wirtschaftsräume, Werkstätten, Grangien.
Andererseits wird für innerklösterliche Räume untersucht, wie liminale Situationen dort strukturell und symbolisch verarbeitet werden. Von drei besonders kritischen Spannungsbereichen ausgehend wird solch eine Raumanalyse durchgeführt: a) Gehorsam vs. Ungehorsam: Karzer u.a. Sanktionsräume; b) Krankheit vs. Gesundheit: Infirmarien; c) Leben vs. Tod: Friedhöfe und Begräbnisräume. Dabei wird die Disposition dieser Räume in der Klosteranlage, deren bauliche Struktur und Ausstattung ebenso analysiert wie die Konstituierung dieser Räume im performativen Bezug.
In der Gegenüberstellung von klaustralen Orden bzw. Klosterverbänden und Bettelorden werden also Räume analysiert, in denen der Transzendenzcharakter des Klosters als ein theoretisch aus der Welt herausgehobener ‚Zeit-Raum’ besonders stark gefährdet ist –, in dem einen Fall durch Intrusion von außen, im anderen durch Störungen des Alltagsflusses von innen. Herausgearbeitet wird, wie die innere Ordnung des Klosters durch spatiale Mechanismen trotzdem symbolisch stets aufs Neue hergestellt werden kann.
Mitarbeiterkontakt
Prof. Dr. Dr. h.c. Gert Melville:
Tel: +49 (0) 351 4793 4181
Email: gert.melville(at)tu-dresden.de
Mag. M.A. Sebastian Mickisch:
Tel: +49 (0) 351 4793 4186
Email: Sebastian.Mickisch(at)tu-dresden.de