Spätmittelalterliche Mönche und Nonnen im Spiegel satirischer Texte
Projektleiter: Dr. Kai Hering
Zwischen der Vorstellung vom Klosterleben als irdischer Vorwegnahme des Paradieses und der Alltagswirklichkeit monastischer Existenz bestand im europäischen Mittelalter nicht selten eine erhebliche Diskrepanz. Da sich die Lebensweise von Mönchen und Nonnen eigentlich durch höchste Tugendhaftigkeit auszeichnen sollte, gaben Anzeichen für einen ‚Sittenverfall‘ in den Klöstern Anlass zu heftiger Kritik, Hohn und Spott. Ein bevorzugtes literarisches Mittel zur Bemängelung von Missständen, auch im klösterlichen Bereich, stellten Satiren dar. Trotz der starken Verbreitung von Spottschriften über die Ordensleute waren deren spezifische Inhalte, Zielgruppen und möglichen Funktionsweisen allerdings bisher noch kaum Gegenstand vertiefender Analysen.
Hier setzt das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt an, indem es negativ-kritische Bewertungen klösterlichen Lebens im Medium satirischer Schriften einer systematischen Betrachtung unterzieht. Das 14. und 15. Jahrhundert bieten für die Untersuchung ein außerordentlich interessantes und lohnendes Beobachtungsfeld: aufgrund der wachsenden Überlieferungsdichte von Klostersatiren wie auch des Sachverhaltes, dass im späten Mittelalter bekanntlich vor allem die älteren, vormendikantischen Orden und Kongregationen in eine krisenhafte Lage gerieten. Nicht zuletzt angesichts der ungebrochenen Strahlkraft der Mendikantenorden stellte sich in dieser Epoche die Frage nach der Nützlichkeit und Existenzberechtigung des traditionellen Religiosentums mit besonderer Schärfe. Die Aufmerksamkeit gilt daher speziell den satirisch vorgetragenen Angriffen auf Gemeinschaften aus dem monastischen, eremitischen und kanonikalen Spektrum der vita religiosa. Im Zentrum der Projektarbeit steht die Analyse lateinischer Satiren, wobei exemplarisch auch deutschsprachige Satiren vergleichend einbezogen werden.
Unter der Leitfrage, in welcher Weise die Verfasser von satirischen Texten Kritik am Religiosentum ihrer Zeit übten, wird im Einzelnen untersucht, gegen welche Gemeinschaften oder Institutionen sich die verbalen Attacken richteten, welche Missstände konkret bemängelt und wie diese Verfehlungen jeweils zur Darstellung gebracht wurden. Ziel der Analysen ist es, dezidiert kritische Wahrnehmungsweisen des Ordenswesens im Spiegel der Satire herauszuarbeiten und diese zu den im Spätmittelalter virulenten Reformdiskursen in Beziehung zu setzen. Mit diesem Zugang sucht das Forschungsprojekt einen wesentlich weiterführenden Beitrag zur Erforschung der mittelalterlichen vita religiosa zu erbringen.
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