Plakat: Toleranzgrenze 1
Plakat zur Sichtbarmachung und Thematisierung von Grenzen der Toleranz.
Hier das PDF im DIN A 1 Format (59,4 cm x 84,1 cm)
Demokratie ermöglicht und erfordert die kritische Verhandlung von Werten und Einstellungen. Aber gibt es auch Werte und Einstellungen, die nicht verhandelbar sind? Und wenn ja, wo ist die Grenze? Dieses Plakat kann als Anlass dienen, die eigenen Grenzen sichtbar zu machen und sich darüber auszutauschen.
Es basiert auf der Methode „Toleranzgrenze“, mit deren Hilfe sich eine schnelle und fallbezogene Kommunikation initiiert lässt. Sie kann dabei helfen, unterschiedliche bzw. stark kontroverse Standpunkte sichtbar und bearbeitbar zu machen. In den Mittelpunkt der Betrachtung werden persönliche Erlebnisse, Erfahrungen und Beobachtungen gerückt und einer (kollegialen) Reflexion zugänglich gemacht. Wir stützen uns dabei auf Ausführungen aus dem Band Behrens/Besand/Breuer: Politische Bildung in Reaktionären Zeiten, S. 328ff.
Phase 1: Einführung der Methode
Die Methode beginnt mit einer Erläuterung des Arbeitsauftrags. Dabei werden die Teilnehmenden aufgefordert, an Situationen in ihrer pädagogischen Laufbahn zu denken, in denen sie mit Ungleichwertigkeitsvorstellungen (u. a.: menschenfeindliche, rassistische, geschichtsrevisionistische o. ä. Äußerungen oder ein solches Verhalten) konfrontiert waren bzw. entsprechende Situationen beobachtet haben. Wichtig dabei ist, dass es sich um Situationen handelt, in denen eine eigene Handlungsunsicherheit bestand in Bezug auf die Fragen: Sollte ich hier handeln? Warum habe ich (nicht) gehandelt? Hätte ich besser anders gehandelt? Usw.. Da im weiteren Verlauf der Methode die Fälle den anderen Teilnehmenden vorgestellt werden sollen, ist es an dieser Stelle wichtig, die Teilnehmenden darauf hinzuweisen, dass das gesamte Setting ein Vertrauensraum ist – eingebrachte Fälle oder die Kommunikation darüber dürfen diesen nicht verlassen. Im Anschluss werden Moderationskarten bzw. Klebezettel (im Falle der Arbeit mit dem Plakat) und Stifte verteilt. Die Teilnehmenden werden gebeten, ihre Fälle auf den Karten bzw. Klebezetteln zu verschriftlichen. Dazu bekommen sie ca. 10 Minuten Zeit.
Wichtige Hinweise zum Ablauf:
- Die Teilnehmenden können mehrere Fälle einbringen. Pro Moderationskarte bzw. Klebezettel darf nur ein Fall festgehalten werden.
- Die Fälle müssen so konkret, aber auch so knapp wie möglich beschrieben sein (keine Verallgemeinerungen im Sinne von: „oft hört man ja diese oder jene Äußerung ...“, „man sagt ja immer …“, sondern eine konkrete, erlebte Situation).
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Es geht nur um die Darstellung der erlebten/beobachteten Situation.
Begründungen oder Beschreibungen von Handeln oder Nicht-Handeln werden
nicht in die Beschreibung des Falls miteinbezogen.
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Für die bessere Nachvollziehbarkeit müssen die Fälle kurz, prägnant
(möglichst ein Stichpunkt) und gut lesbar auf den Karten bzw. Zetteln festgehalten werden (dies kann gern durch Symbole oder kleine Zeichnungen unterstützt sein).
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Sollte den Teilnehmenden die Bearbeitung der Fragestellung schwerfallen,
kann der Fokus leicht verschoben werden, beispielsweise indem die Beschränkung
auf die pädagogische Laufbahn aufgehoben wird.
Beispiel für Aufgabenstellung: „Welche Situationen haben Sie bereits in Ihrer pädagogischen Laufbahn erlebt, in denen Sie mit Rechtsextremismus, mit Ausgrenzung oder mit Menschenverachtung umgehen mussten?“
Phase 2: Präsentationsphase
Die Teilnehmenden präsentieren der Reihe nach ihre Fälle in der Runde. Die Moderation achtet darauf, dass die Fallbeschreibungen so konkret wie möglich erfolgen, aber nicht über die Situationsbeschreibung hinausgehen. Fallbewertungen, Lösungsschilderungen oder -einschätzungen sind an dieser Stelle nicht gefragt.
Wichtige Hinweise zum Ablauf:
Bei großen Runden kann es erforderlich sein, dass die Zahl der Fälle reduziert werden muss. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Teilnehmende, die mehrere Fälle einbringen, werden gebeten, sich für den für sie dringendsten Fall zu entscheiden oder
2. die Runde wird in kleine „Murmel-Gruppen“ (2–3 Personen) eingeteilt, in der sich gegenseitig die Fälle kurz vorgestellt und besprochen werden, um dann den z. B. konfliktreichsten oder den unklarsten Fall auszuwählen.
Phase 3: Einordnung der Fälle
Nach der Präsentation der Fälle wird durch die Moderation eine sichtbare Linie im Raum (eine Grenze) gezogen (Seil, Kreppband o. Ä.) und die Seiten der Grenze in die Pole „tolerierbar“ und „nicht tolerierbar“ eingeteilt. Im Fall der Arbeit mit dem Plakat kann dieser Schritt übersprungen werden, indem auf dieses verwiesen wird. Sie bittet die Teilnehmenden, einen Kreis darum zu bilden. Danach werden die Teilnehmenden aufgefordert, die eigenen Fälle einzuordnen. Dies muss ohne Kommentierung seitens der Teilnehmenden erfolgen.
Phase 4: Stille Diskussion
Die Moderation fordert die Teilnehmenden nun auf, die Fälle der anderen Teilnehmenden in den Blick zu nehmen und dabei zu schauen, welche Karten aus ihrer Sicht nicht am richtigen Platz liegen bzw. kleben. Für diese Phase gelten folgende Regeln:
- Falls eine Karte bzw. ein Zettel „unpassend“ liegt, darf sie bzw. er umpositioniert werden.
- Bereits umpositionierte Fallkarten bwz. Zettel dürfen beliebig oft wieder umpositioniert werden.
- Es darf nicht gesprochen werden. Während des Prozesses beobachtet die Moderation, welche Fälle besonders häufig umpositioniert werden, und markiert diese gegebenenfalls.
Wichtige Hinweise zum Ablauf:
- Zu Beginn sollte konsequent daran erinnert werden, dass das Umpositionieren der Karten bzw. Klebezettel still stattfindet. Im Laufe der Phase kann es aber sein, dass sich der Drang zur Diskussion stetig verstärkt und sich die Teilnehmenden kaum zurückhalten können. Diese Zeitpunkte eignen sich gut für einen Übergang in die sich anschließende Diskussions-Phase.
- Gelegentlich haben Teilnehmende ein Problem, den Begriff der Toleranz fassen zu können. Diese Kontingenz sowie die daraus entstehende Unsicherheit bei den Teilnehmenden ist durchaus gewollt und kann für die späteren Verständigungsprozesse zwischen den Teilnehmenden auch fruchtbar sein. Dennoch kann es in Gruppen aufgrund dessen passieren, dass die „stille Diskussion“ nicht in die Gänge kommt. Als Impuls kann an solchen Stellen auf die Etymologie des Wortes verwiesen werden. Tolerieren entstammt dem lateinischen Wort tolerare, was in seiner Bedeutung so viel heißt wie: erdulden, ertragen, aushalten.
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Sollte sich insgesamt nur ein schleppender stiller Diskussionsprozess entwickeln,
weil sich die Teilnehmer*innen scheinbar einig sind oder Scheu haben,
die Karten der Kolleg*innen zu verschieben, kann man auch eigene vorbereitete
Fälle nachträglich in die stille Diskussion einbringen. Diese sollten dann
natürlich von ihrer Anlage sehr kontrovers sein (z. B. Fälle aus dem zugrunde liegendem Buch).
Phase 5: Diskussion besonders kontroverser Fälle
Die Phase der Diskussion kann auf unterschiedliche Art und Weise eingeleitet werden:
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In einigen Fällen kann es, wie oben schon erwähnt, dazu kommen, dass die
Phase der „stillen Diskussion“ fließend den Übergang zur offenen Diskussion
findet, indem die Moderation nach einiger Zeit auf intervenierende Hinweise
bezüglich der „Nicht-Sprechen“-Regel verzichtet.
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In anderen Fällen kann die Moderation bei „Abflauen“ des Umpositionierungsprozesses mit gezielten Fragen zu oft verschobenen Karten Gesprächsimpulse liefern und die Diskussion eröffnen.
Phase 6: Meta-Reflexion und Abschluss der Methode
In einem passenden Moment (z. B.: Abflachen der Diskussion, Diskussionsbeiträge werden redundant, weil alles gesagt wurde) bittet die Moderation die Teilnehmenden, die Diskussion zu unterbrechen und sich einen Schritt aus dem Kreis heraus zu bewegen. (In Räumen mit wenig Platz können auch andere Handlungen durchgeführt werden, die eine Distanzierung zum aktuellen Geschehen befördern.)
Im nächsten Schritt stößt die Moderation eine Reflexion über den gerade erlebten Prozess an, indem sie die Teilnehmenden bittet, diesen zu beschreiben. Die Moderation kann hier unterstützen, indem sie Sichtweisen vom Standpunkt ihrer externen Beobachtung anbietet:
- Wo sehen Sie grundlegende Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?
- Was bedeutet das für das gemeinsame Handeln im Bereich der Demokratiebildung?
- Wie gehen wir mit Differenzen um?