Lehrveranstaltungen
Table of contents
Sommersemester 2020
- "Die Polemik der Wahrheit in frühreformatorischen Flugschriften"
Lektürekurs von Dr. Alexander Kästner.
Die frühreformatorischen Kontroversen haben die Welt verändert. Sie haben einen neuen Kosmos des Denk- und Sagbaren für Herr und Frau Omnes eröffnet. In bis dahin unbekannter Weise formte sich ein Streit um die öffentliche Meinung, in dem es um nichts Geringeres ging als um die ewige Wahrheit. Angestoßen wurde dieser Streit von fundamentalen Fragen nach dem Seelenheil der Menschen und nach der Ordnung der Welt, ohne die neuen Medien der Druckpublizistik war er nicht möglich. Maßgeblich angeheizt und vorangetrieben wurde dieser Streit durch die Mittel der Herabsetzung, Beschimpfung und persönlichen Attacke, welche die Asymmetrien des Konflikts schlagartig verschoben. Polemik war und ist die legitime, die scharfe und die jederzeit verfügbare Waffe des Underdogs. Die Veranstaltung führt quellenah in die Geschichte der frühen Reformation ein. Es wird der Wille zur wöchentlichen Lektüre frühreformatorischer Flugschriften ebenso erwartet wie die Bereitschaft, einzelne Texte, die uns eine Übersicht über zentrale Forschungsfelder vermitteln, sowie biografische Kontexte einzelner Autorinnen und Autoren für die Diskussion vorzubereiten. Die Kenntnis wesentlicher Stationen und Ereignisse der Jahre 1517-24 wird zu Beginn der Veranstaltung vorausgesetzt.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL
- „Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit“
Hauptseminar von Prof. Dr. Gerd Schwerhoff und Wiebke Voigt.
„Öffentlichkeit ist der Bereich des gesellschaftlichen Lebens, in dem Menschen zusammenkommen, um Probleme zu besprechen, die in politischen Prozessen gelöst werden sollen“, so lautet derzeit (Januar 2020) der erste Satz des einschlägigen Wikipedia-Artikels. Alles an dieser Definition ist fragwürdig: Ist die Öffentlichkeit ein abgegrenzter „Bereich“, oder eher eine Idee oder eine virtuelle Sphäre (im Englischen spricht man von „public sphere“)? Muss bzw. kann man dort überhaupt „zusammenkommen“, bzw. wie kann man das tun – real oder vielleicht auch virtuell? Werden dort Probleme besprochen oder nicht viel mehr Menschen beschimpft – oder handelt es sich gar nicht mehr um „Öffentlichkeit“, wenn es nicht sachlich zugeht? Und geht es schließlich bei der Öffentlichkeit immer um Politik? Zu bestimmen, was Öffentlichkeit ist, gleicht dem Versuch, den berühmten Pudding an die Wand zu nageln.
Und doch handelt es sich bei der Öffentlichkeit um einen zentralen historischen Grundbegriff, den wir ständig im Munde führen und der häufig auch für historische Periodisierungen benutzt wurde. Noch heute arbeitet sich die historische Forschung an Jürgen Habermas‘ Schrift „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ ab, in der die Öffentlichkeit als ein Grundtatbestand der modernen bürgerlichen Gesellschaft dargestellt wurde. Auch die Frühneuzeitforschung fragt seit langem danach, ob es sinnvoll ist, bereits ab dem 16. Jahrhundert, mit dem Aufkommen der neuen Druckmedien, von einer neuen Qualität von Öffentlichkeit zu sprechen. Stichworte wie „reformatorische Öffentlichkeit“ oder „proletarische Öffentlichkeit“ bezeichnen Konzepte, mit denen diese Frage beantwortet werden sollten. Das Seminar will sowohl die konzeptuelle Diskussion nachzeichnen als auch beispielhaft verschiedene Felder von Öffentlichkeit in der Epoche in den Blick nehmen. Es fragt danach, inwieweit sich Öffentlichkeit während der Frühen Neuzeit veränderte bzw. inwieweit umgekehrt Öffentlichkeit als Treibkraft historischen Wandels dingfest gemacht werden kann.
Sommersemester 2019
- "Von Tätern, Richtern und Henkern. Kriminalität und Strafjustiz in der Frühen Neuzeit"
Proseminar von Jan Siegemund und Benjamin Seebröcker.
Kriminelle Handlungen wurden auch in der Frühen Neuzeit als Übel angesehen, die ein gutes und friedliches gesellschaftliches Zusammenleben störten und die es deshalb zu verfolgen und zu bestrafen galt. Was aber überhaupt als „kriminell“ angesehen wird, unterliegt einem historischen Wandel. Dies zeigt sich bereits daran, dass in der Frühen Neuzeit neben Diebstahl, Körperverletzungen oder Tötungen auch uns weniger vertraute Delikte wie Blasphemie, Hexerei und ‚Sodomie‘ vor Gericht verhandelt wurden. Im Seminar geht es zunächst darum, die Abläufe der frühneuzeitlichen Strafverfolgung gemeinsam an konkreten Beispielen zu erarbeiten und Besonderheiten der Kriminalität in der Frühen Neuzeit näher zu beleuchten. Anschließend werden wir uns systematisch mit der Ebene der Normen (Strafrecht), den Institutionen und Strukturen (Gerichte, Prozesse, Strafvollzug) sowie den Akteuren (Täter, Opfer, Zeugen, Personen des Strafvollzugs) auseinandersetzen.
- "Mit 'Fake News' in den Religionskrieg? - Apokalyptischer Endkampf der teutschen Libertät gegen den Antichrist zu Rom und die viehische spanische Servitut – Der Schmalkaldische Krieg (1546/47) im Spiegel seiner Quellen"
Übung von Stefan Beckert.
Gegen Ende der Reformationszeit standen sich im Deutschen Reich zwei Konfessionen gegenüber. Die Anhänger des kürzlich verstorbenen Luthers kämpften im Schmalkaldischen Bund um die Anerkennung ihrer Religionsausübung im Reich. Doch die einmal durchgeführten Klosterenteignungen und der grundsätzliche Gegensatz zwischen dem protestantischen Schriftprinzip und der Beharrung der Altgläubigen auf dem gesamten Lehrgebäude der Kirche führte letzten Endes 1546 in den Schmalkaldischen Krieg. Diese am Ende der Reformationszeit stehende Auseinandersetzung brachte aber auch eine Welle von Flugschriften hervor, die versuchten, die jeweilige Deutungshoheit der eigenen Partei im medialen Diskurs zu verankern. Mit der dabei immer wieder kolportierten „teutschen libertät“ verbunden waren nationale und religiöse Appelle beider Seiten. Im „ersten neuzeitlichen Krieg, der von einer breiten publizistischen Offensive begleitet wurde“ (Haug-Moritz) wurden auch Gerüchte verbreitet. Diese unterstellten dem konfessionellen Gegner, Brunnen zu vergiften und Mordbrenner auf den Weg zu schicken. Sie gipfelten in der Behauptung, der Papst zu Rom wäre der Antichrist persönlich, der gekommen wäre, um das Reich Gottes auf Erden zu vernichten. Beide Seiten nutzten die Druckpresse, um für ihre jeweiliges Anliegen Anhänger zu finden. Wie aber rechtfertigten die Parteien das kriegerische Vorgehen? Welche Rolle spielten die Flugschriften im Rahmen eines bereits eskalierten Krieges? Woher stammte die teilweise entmenschlichende Rhetorik und welche Wirkungen besaßen sie auf den Zusammenhalt im Reich? Diesen und weiteren Fragen soll im Rahmen der Übung nachgegangen werden. Ziele der Veranstaltung sind die Vermittlung und Festigung chronologischen Überblickswissens zur Reformation insgesamt, die Übung der quellenkritischen Methode sowie das Erlernen und das Einüben der für das Verständnis der Flugschriften unerlässlichen altdeutschen Druckschrift.
Wintersemester 2018/19
- "Invektivität – Schmähungen und Herabsetzungen von Cicero bis Trump"
Masterseminar von Prof. Dr. Schwerhoff.
- "Die 'wilden' Jahre der Reformation – Flugschriften und andere Medien in den Jahren 1521–1524"
Proseminar von Dr. Alexander Kästner.
Die frühe Reformation war eine aufregende Zeit, für deren Vielfalt und Offenheit Franz Lau den Begriff des „Wildwuchses“ geprägt hat. Noch lange war nicht ausgemacht, welchen Weg jene theologischen und sozialen Neuerungen nehmen würden, die Luther und andere reform(ations)willige Akteure ange-stoßen hatten – den Protagonisten war es selbst häufig nicht ganz klar, viele Fragen fanden letztlich erst im Konflikt und in heftigen Auseinandersetzungen eine Antwort. Zugleich war die Epoche nach Gutenberg durch einen geradezu explodierenden Markt der publizistischen Verbreitung neuer Ideen geprägt, der eine „reformatorische Öffentlichkeit“ (R. Wohlfeil) neuer Qualität prägte. Wir werden uns in dieser Veranstaltung intensiv mit der Lektüre von Flugschriften der Zeit zwischen Wormser Reichstag und Bauernkrieg befassen und in vergleichender Perspektive weitere Medien wie illustrierte Flugblätter, Briefe oder Schmähzettel heranziehen. Unsere Diskussion wird uns von den antimonastischen Kampagnen der frühen 1520er Jahre über die antireformatorische Publizistik, die Auseinandersetzungen zwischen Martin Luther und Andreas Bodenstein von Karlstadt, die Flugschriften von Frauen hin zu den Reformationsdialogen mit ihren stilisierten Bauernfiguren und zu jenen Flug-schriften und Textzeugnissen führen, die zeitgenössisch mit dem Anspruch erschienen, die Stimme des sogenannten „gemeinen Mannes“ zu repräsentieren. Proseminar und Tutorium führen zugleich in die Grundlagen historischen Arbeitens ein. Im Tutorium werden zugleich die Lektüreaufgaben zu den einzelnen Sitzungen besprochen und die Seminardiskussion vertieft. Die Inhalte des Tutoriums, hierauf sei noch einmal dezidiert hingewiesen, sind ein elementarer Bestandteil der entsprechenden Module in den jeweiligen Studienordnungen. Die dort vermittelten Kenntnisse und Kompetenzen (insbesondere die Propädeutik, vor allem aber auch die für das erfolgreiche Bestehen der schriftlichen Prüfungsleistungen unabdingbare umfassende Kenntnis relevanter Quellen und das historische Kontextwissen) werden auch bei jenen Kommilitoninnen und Kommilitonen vorausgesetzt, die nicht am Tutorium teilnehmen.
Wintersemester 2017/18
- "Die Anfänge der Reformation als Konfliktgeschichte (1517-1529)"
Hauptseminar von Prof. Dr. Gerd Schwerhoff und Dr. Alexander Kästner.
Die Geschichte der Reformation ist bis heute eine Geschichte von Konflikten: um Ansprüche auf theo-logische Wahrheiten, Macht und Herrschaft und damit auch um soziale Fragen. Das Hauptseminar be-leuchtet die erste Dekade der Reformation von der Publikation der 95 Thesen bis hin zur protestatioder evangelischen Reichsstände auf dem Reichstag zu Speyer 1529. Der erste Teil dieses Zeitraums (1517-1525) war geprägt von einem enormen Zuwachs der Publizistik und damit zugleich auch von öffentlich geführten polemischen und herabsetzenden Debatten, von ge-waltsamen Eskalationen wie Bilderstürmen und Erhebungen der Bauern.
Zugleich waren diese Jahre sowohl von einer enormen Stimmenvielfalt in theologischen und sozialen als auch von einer bemer-kenswerten politischen Dynamik geprägt, ohne deren Kenntnis die Geschichte der Reformation nicht nachvollzogen werden kann. Wie sich die Situation insbesondere nach der Niederschlagung der Bauern veränderte und inwiefern sich bereits die erste Dekade der Reformation in unterschiedliche Phasen gliedern lässt, wird eine der Fragen sein, die wir gemeinsam diskutieren werden.
Sommersemester 2017
- "Schmähen, Wüten, Lachen. Die Rhetorik der Reformation und das konfessionelle Eventjahr 2017"
Übung von Dr. Alexander Kästner.
Wir erarbeiten uns anhand eines intensiven Studiums von Peter Mathesons “The Rhetoric of the Re-formation” und ausgewählter Quellentexte einen Zugang zur Geschichte der Reformation als einer Geschichte ihrer Rhetorik, ihres sprachlichen Auftritts und Anspruchs. Vor dem Hintergrund des 500jährigen Jubiläums der Reformation 2017 werden wir zudem darüber diskutieren, wieviel Einigkeit und Ökumene eigentlich bestehen kann, wenn man die teils drastischen, polemischen und schmähenden Herabsetzungen von Autoren der Reformation und ihrer Gegner liest und welchen sowohl historischen als auch aktuellen Stellenwert diese Texte besitzen. Diese Veranstaltung adressiert Studierende im fortgeschrittenen Semester und stellt keine Einführung in die Geschichte der Reformation dar. Grundlegendes Basiswissen zu Hintergründen und Problemzusammenhängen, zu Personen, Ereignissen und zur Theologie der lutherischen Reformation wird vorausgesetzt. Entsprechende Literatur ist gegebenenfalls selbstständig zu beschaffen und vorbereitend zu lesen.