Projektbeschreibung
"Populärkulturelle Poetiken und Politiken des Invektiven. Der invective mode im zeitgenössischen US-amerikanischen Fernsehen"
Beschimpfung, (Selbst-)Herabsetzung, Spott, Blamage, Demütigung - Darstellungen und Inszenierungen von Herabwürdigung sind ein überaus prominentes Mittel in der amerikanischen Populärkultur. Für eine Reihe populärer Genres, z.B. der Komödie oder des zeitgenössischen Reality TV, scheinen sie geradezu konstitutiv zu sein. Während die Kultur der Herabwürdigung momentan eine besondere Konjunktur zu erleben scheint, blickt sie im US-amerikanischen Kontext doch auf eine substantielle Geschichte zurück.
Fokus des Projektes
Dieses Projekt fragt nach den Formen, die Herabwürdigung in der US Popkultur annimmt, und nach der kulturellen Arbeit, die sie leistet. Es hat begonnen, Herabwürdigung als einen eigen popkulturellen mode zu konzeptuieren - einen invective mode, der sich durch ein eigenes Repertoire darstellerischer Mittel, ein eigenes Affektregime, eigene historische Resonanzen und politische Valenzen auszeichnet. Dieser invective mode, so weiterhin die Hypothese, hat eine signifikante Rolle in der Entwicklung der amerikanischen Populärkultur gespielt - in der Entwicklung ihrer Medien, Genres, Ästhetiken und sozialen Funktionspotentiale. Ein erster Schwerpunkt der Arbeit lag dabei auf der Poetik und Politik des invective mode im zeitgenössischen US Fernsehen.
In den primären Fallstudien zur Sitcom und Makeover Show konnte darüber hinaus beobachtet werden, dass invektive Dynamiken eine zentrale Rolle in und für die boundary work der jeweiligen Materialen zu spielen scheinen: Bereits nachverfolgt wurde die Rolle invektiver Dynamiken beim Ausloten, Perforieren und Verschieben von Genregrenzen. Ebenfalls beschrieben wurden Verschaltungen von und liminale Übergänge zwischen unterschiedlichen symbolischen Formen, insbesondere von Narrativ und Spektakel, die im Repertoire des invective mode eine markante Rolle spielen und zentral scheinen für die Imprägnierung des Materials mit affektiven bzw. emotionalen Strukturen.
Fallstudie A: Sitcom
Im Rahmen einer Dissertation wurde in diesem Arbeitsbereich untersucht, wie sich der invective mode im TV-Genre der Sitcom realisiert. Die bestehende Forschung zu den Genrekonventionen der Sitcom (z.B. Mills 2009) wurde somit vor der Folie des Invektivitätskonzepts neu perspektiviert, und dabei wurden insbesondere die Dynamisierungen des Genres in den letzten Jahre in den Blick ge-nommen: Während die Sitcom lange als eines der formal stabilsten, gar formelhaftesten Genres der US-Fernsehkultur galt, haben sich die Genrekonventionen in jüngster Zeit erstaunlich bewegt (z.B. weg von der formelhaften Lachspur, die traditionelle Sitcoms markiert; hin zu neuen, teils hybriden Genreformationen im Bereich der Fernsehkomödie wie z.B. Dramedy, Comedy Verite). Diese Be-weglichkeit konnte mit Hilfe eines modalen Ansatzes, der die vielfältigen Invektivtechniken im Insze-nierungsrepertoire der zeitgenössischen (Post-)Sitcom in den Mittelpunkt rückt, präziser beschrieben werden.
Fallstudie B: Makeover Show
Im Mittelpunkt dieser Dissertation steht die Vermessung des invektiven Formenrepertoires der Makeover Show und der kultursemiotischen Arbeit, die das Genre damit leistet. Auch für das jüngere und ‚kleinere‘ Genre der Makeover Show liegt bereits Genreforschung vor (z.B. Weber 2009), die in der Dissertation invektivitätstheoretisch zugespitzt und weiterentwickelt wird. Wichtiger Ansatzpunkt ist dabei der Befund, dass das Makeover-Genre in seinen Konventionen bisher vergleichsweise stabil ist und damit sehr formelhaft operiert. Im Zentrum dieser Genre-Formel identifiziert die Dissertation die Struktur einer Transformationserzählung, in der sich Dramaturgien der Herabsetzung mit solchen der Auf-wertung verknüpfen: Das formelhafte Narrativ des Genres inszeniert seine Hauptfiguren zunächst als defizitär, um auf dieser Basis ihre Transformation in ein jeweils optimiertes Selbst zu erzählen. In den bereits abgeschlossenen Teilen der Dissertation konnte gezeigt werden, dass Dramaturgien der Herabsetzung im Genre regelmäßig über solche didaktischen oder therapeutischen framings legitimiert werden