Kreative Ideen im Ingenieurbau
8. Dresdner Baustatik-Seminar:
Dresden, 4. 11. 2004. „Kreative Ideen im Ingenieurbau“ waren das Leitmotiv beim 8. Dresdner Baustatik-Seminar, das das Institut für Statik und Dynamik der Tragwerke in Kooperation mit der Landesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik in Sachsen und der Ingenieurkammer Sachsen in Dresden veranstaltete. In neun Vorträgen zeigten die Referenten die Bandbreite dieser Fachrichtung im Bauingenieurwesen auf.
K.-U. Bletzinger vom Lehrstuhl für Statik der Technischen Universität München berichtete über die „Formfindung vorgespannter Membrantragwerke“. Membran- und Seilnetztragwerke erlangen ihre räumliche Steifigkeit aus der richtigen Formgebung. Dafür stellte er einige theoretische Grundlagen und numerische Methoden vor – unter anderem am Beispiel des gerade entstehenden Membrandaches des Dresdner Hauptbahnhofes.
„Neuartige ebene Flächentragwerke im Ingenieurholzbau“ präsentierte T. Bogensberger vom Institut für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz. Er erläuterte die unterschiedlichen Innovationsschritte, die im Gesamtprozess eines neuen Produkts notwendig sind. Beispielhaft für den Wohnbau stellte er ein Bausystem mit Brettsperrholz vor und konstatierte den neuen ebenen Flächentragwerken aus Holz ein enormes Potential – doch seien aus der Sicht des Holzbaus und der Mechanik noch viele Fragen offen...
Die „Numerische Simulation des Sprengabbruchs von Tragwerken“ beschrieb Bernd Möller vom mitveranstaltenden Lehrstuhl für Statik der TU Dresden. Das zu sprengende Tragwerk wird dabei in deformierbare und starre Bereiche eingeteilt. Deformierbare Bereiche sind potentielle Versagensbereiche, die das nichtlineare Verhalten des Stahlbetons während des Kollapsvorganges näherungsweise abbilden. Die ausgeprägte Daten- und Modellunschärfe wird mit den Algorithmen der Fuzzy-Mehrkörperdynamik und der fuzzy-probabilistischen Mehrkörperdynamik abgebildet.
„Aktive und wandelbare Ingenieurbauten“ stellte M. Schlaich, Schlaich Bergermann und Partner, Stuttgart, vor. Er regte das Auditorium mit zahlreichen Beispielen an, über „aktive, wandelbare Ingenieurbauten“ nachzudenken – zum Beispiel bei wandelbaren Membrandächern über Arenen, die sich bei Wind und Regen schließen oder Brücken, die sich für durchfahrende Schiffe öffnen. Vorbilder für die Lösung konstruktiver Aufgaben gebe die Natur häufig vor, sie könne Inspiration für Lösungen sein, die den Bauingenieuren neue Geschäftsfelder erschließen.
Unter dem Titel „Luft formt“ beschäftigte sich B. Stimpfle, form TL ingenieure für tragwerk und leichtbau gmbh, Radolfzell, mit den Entwurfskriterien für pneumatische Konstruktionen, insbesondere im Hinblick auf die heterogene Anwendung. Anhand dreier Projekte aus den vergangenen Jahren erläuterte er den Entwurfsprozess und die Realisierung und kam zu dem Ergebnis, dass pneumatische Konstruktionen weit mehr sein können als einfache Tennishallen...
Mit zahlreichen Beispielen zum Thema „Glas trägt - herausragende Anwendungen“ zeigte G. Neumann-Henneberg, Seele GmbH & Co. KG, Gersthofen, Anwendungen von Glas im Ingenieurbau. Vom Musée d’Art Modern et Contemporain, Strasbourg mit dem „ingenieurtechnischen Highlight der Konstruktion einer 2400 qm seilabgespannten Glasfassade, die erbebensicher mit 4x4m Segmentratser errichtet wurde“ über die 125,5 Meter lange und 11,8 Meter breite Glashalle der neuen Messe Leipzig bis zum Apple Flagship Store in Los Angeles mit einer hängenden Ganzglastreppe und einem Ganzglasdach („eine so noch nie realisierte Konstruktion aus begehbarem Glas“) reichten die beeindruckenden Beispiele.
„Seilschwingungen bei Schrägseilbrücken“ thematisierte G. Feltrin, Eidgenössische Materialprüfungsanstalt (EMPA), Dübendorf. Anhand von Experimenten zeigte er Vorteile und Grenzen des Einsatzes regelbarer magnetorheologischer Dämpfer zur Dämpfung von Seilschwingungen auf.
„Besonderheiten der Tragsysteme für Dach und Fassade“ bei der Allianz Arena München trug E. Garske, Prüfingenieur für Baustatik, Ingenieurbüro Dr. Garske, Neuried b. München, vor. Für Dach und Fassade des neuen Münchner Fußballstadiums werden drei unterschiedliche Tragsysteme ausgeführt. Das Haupttragsystem der Primärkonstruktion des Daches bilden weit auskragende Stahlfachwerkbinder mit parabelförmig verlaufenden ober- und Untergurten, die über vertikale Zug- und Druckauflager mit dem Massivbau verbunden sind. Ober- und Untergurte dieser Stahlfachwerkträger knicken im Grundriss über den Druckauflagern ab, was zu erheblichen Umlenkbeanspruchungen führt...
„Neue Werkstoffe im Ingenieurbau - Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung von Geotextilien“ stellte R. Katzenbach, Institut und Versuchsanstalt für Geotechnik, TU Darmstadt, vor. Neben dem vielfältigen innovativen Einsatz von Geotextilien zur Bewehrung von Bodenkörpern ging er auf zahlreiche weitere Anwendungen ein.
Alle Beiträge sind in einem Tagungsband zusammengefasst, der am Lehrstuhl für Statik erhältlich ist.
Das 9. Dresdner Baustatik-Seminar "Interaktionsprobleme im Ingenieurbau" findet am 14. Oktober 2005 von 9.30 bis 16.15 Uhr in der Komödie im World Trade Center Dresden statt.
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