Fakultät Chemie und Lebensmittelchemie
Inhaltsverzeichnis
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Instagram-Q&A mit Studierenden
Claudia studiert im Master Chemie, hat aber auch ihren Bachelor bereits in Dresden gemacht. Das Q&A wurde im Rahmen von UNI-LIVE 2021 durchgeführt.
Austauschprogramm Dt.-frz. Doppeldiplom
Studierende erzählen über ihr Deutsch-französisches Doppeldiplom
Vorstellung der Fakultät
Die Fakultät Chemie und Lebensmittelchemie vereint forschungsorientierte Lehre mit innovativer Grundlagenforschung und ist dabei eng mit den in der Region Dresden ansässigen Forschungsinstituten verbunden. Alle Studierenden werden in Bachelor- und Masterarbeiten sehr frühzeitig in die aktuellen Forschungen eingebunden. Unsere Hauptarbeitsgebiete liegen unter anderem im Bereich materialrelevanten Chemie (z.B. poröse Materialien und Nanotechnologie) sowie der biologisch orientierten Chemie. Die Lebensmittelchemie beschäftigt sich vor allem mit der Wirkung und Bewertung von Lebensmittelinhaltsstoffen. Chemie hilft wie kaum eine andere Naturwissenschaft unseren Alltag zu erleichtern und nachhaltig zu gestalten. Von A wie Arbeitsschutzexperte bis Z wie Zukunftspreisträger - das breit angelegte wissenschaftliche Studium eröffnet unseren Absolventen zahlreiche berufliche Tätigkeitsfelder in Industrie, Wirtschaft, Verwaltung oder Forschung.
Orientierungsplattform Forschung und Praxis (OFP)
Das Studienerfolgsprojekt OFP bietet Studierenden Einblicke in potenzielle Berufsfelder und Tätigkeitsbereiche, zeigt auf welche Kompetenzen wichtig sind für die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt und verknüpft damit die Theorie mit der Praxis. Für den Studienbereich Mathematik udn Naturwissenschaften wurde von der OFP-Koordinatorin Christina Schulz eine Podcast-Reihe veröffentlicht. tud.de/mn/podcast
Als Führungskraft in einem internationalen Chemieunternehmen
In dieser Folge des OFP Podcasts spricht Christina Schulze mit Dr. Matthias Arend, der in leitender Position beim Chemieunternehmen BASF tätig ist. Sie sprechen über die Tätigkeit in einem großen Chemieunternehmen, über die Vorteile eines Trainee-Programms, über die unterschiedliche Arbeitsweise von deutschen und chinesischen Mitarbeiten-den. Außerdem gibt Herr Dr. Arend noch Tipps für Vorstellungsgespräche.
[Intro-Musik spielt]
Ansage: OFP-Podcast: Hör rein, in die Praxis!
Christina Schulz: Herzlich Willkommen zum Podcast der Orientierungsplattform Forschung und Praxis, kurz: „OFP“. Mein Name ist Christina Schulz und ich bin Koordinatorin der OFP für den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften.
Im Podcast spreche ich für dich mit Expertinnen und Experten aus der Praxis. In unseren Interviews erfährst du Tipps und Wissenswertes für deinen Erfolg im Studium.
Mein heutiger Gast ist Dr. Matthias Arend vom Chemieunternehmen BASF in Schwarzheide. Ihr hört, welche Erfahrungen er bei seiner Promotion gemacht hat, was für ein Trainee-Programm spricht, wie sich die Arbeitsweise von Deutschen und Chinesen unterscheidet und worauf Herr Dr. Arend bei Vorstellungsgesprächen achtet.
~ Gesprächsbeginn ~
Christina Schulz: Ja herzlich Willkommen Herr Dr. Arend!
Dr. Arend: Hallo Frau Schulz!
Christina Schulz: Ich freue mich sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben und uns ein paar Einblicke geben werden, in Ihren Lebenslauf aber auch in Ihre Arbeit bei der BASF.
Dr. Arend: Ja sehr gerne.
Christina Schulz: Sie haben Chemieingenieurwesen studiert. Wie haben Sie denn die Entscheidung getroffen?
Dr. Arend: Ja die Entscheidung, Richtung Chemie-Ingenieurwesen zu gehen, das war ein längerer Prozess. Ich hab im Endeffekt in der Schule das erste Interesse entwickelt an Chemie, mir hat Chemie einfach Spaß gemacht. Ich fand das eine sehr logische Wissenschaft, mir ist die leicht gefallen. Ich hab da einfach, ja, Interesse dran entwickelt, hatte aber parallel auch immer einen technischen Hintergrund. Ich hab immer gern gebastelt, hab gern geschraubt. Zuhause in der Werkstatt, in der Garage besser, dann immer Mopeds zerlegt, wieder zusammengebaut. Im Endeffekt ist das dann über die Zeit einfach gereift, ich hab mich dann so gegen Abiturzeiten mal umgehört, umgeschaut: Was gibt’s denn eigentlich, wo will ich denn mal hin, was will ich machen? Und da ist mir dann irgendwann auch der Chemie-Ingenieur über den Weg gelaufen. Tatsächlich hat es dann aber noch ein Stück gedauert, bis ich die Entscheidung genau auch so getroffen hab.
Ich war dann meinen Wehrdienst ableisten. Beim Wehrdienst hab ich mich dann eher noch für den Maschinenbau interessiert, bei der Bundeswehr selber kann man ja auch studieren. Das hab ich auch mal kurz überlegt, hab das relativ schnell dann wieder verworfen und hab mich dann nach dem oder noch während des Wehrdienstes beworben. Ich wollte damals mich in den Maschinenbau einschreiben und das hat dann einfach nicht geklappt. So dann war ich aus der Bundeswehr draußen, hab dann keinen Studienplatz gehabt. Da hab ich ein Jahr gejobbt, hab einfach die Zeit genutzt, hab mir nochmal weiter Gedanken gemacht: Wie und was möchte ich? Und hab das dann auch ein Stück weit als ein Zeichen gesehen, dass der reine Maschinenbau dann vielleicht doch nicht so das Richtige ist.
Hab dann in dem Wintersemester, obwohl ich arbeiten war, nicht eingeschrieben war, hab ich mir dann gedacht: Jetzt guck ich mir auch einfach mal verschiedene Hochschulkonzepte an und hab mich dann einfach mal in Karlsruhe am KIT in eine Mathevorlesung reingesetzt, für Erstsemester und hab dann nicht so den allerbesten Eindruck bekommen. Das war, wahrscheinlich ähnlich wie in Dresden auch, ne riesige Vorlesung. Ich glaube wir waren acht-, neunhundert Studenten, der Professor vorne mit Mikrofon, man hat wenig verstanden, man hat teilweise nicht mal mehr einen Sitzplatz bekommen. Ja, fand ich nicht ganz so prickelnd. Dann hab ich mir die – damals - die Hochschule in Mannheim angeschaut, hab mich auch da mal reingesetzt und war dann da positiv überrascht. Da war die Mathevorlesung, das waren dann nur 40-50 Studenten, sehr interaktiv auch mit dem Professor und hat sich für mich dann relativ schön angefühlt. Dann hab ich mich eben auch für die Hochschule entschieden damals. Die haben Chemieingenieurwesen angeboten und dann hab ich mich da beworben und bin auch genommen worden.
Christina Schulz: Dann ist es also eher die kleinere Hochschule geworden. Wie haben Sie Ihre Studienzeit empfunden?
Dr. Arend: Also die Studienzeit, fand ich, war für mich ganz persönlich, war es eine sehr intensive und auch nicht die allerleichteste Zeit. Ich musste in meinem Studium immer Jobben, also rein vom BAföG hab ich nicht leben können. Ich hab mich dann selber finanziert, das war so ein bisschen die private Herausforderung. Gleichzeitig hab ich natürlich gesagt okay, jetzt warst du beim Bund, du hast noch ein Jahr gejobbt…ich war dann auch nicht mehr der jüngste Student und hab für mich dann einfach auch gesagt ich möchte jetzt einfach hier so schnell wie möglich fertig werden. Das war natürlich auch ein Vorteil an der Hochschule damals, da geht das Studium acht Semester Regelstudienzeit, hab also da relativ schnell durchstudiert.
Christina Schulz: Und welche Erwartungen hatten Sie konkret dann an das Studium und wurden diese Erwartungen dann auch erfüllt?
Dr. Arend: Also die Erwartung war, ganz speziell auch von der Hochschule, eine Verbindung zu liefern zwischen Chemie und Technik. Also ich wollte weder das Eine noch das Andere alleine machen, sondern mich hat einfach die Verbindung gereizt. Ich wollte da ein tieferes Verständnis haben und trotzdem war mir wichtig, im Studium auch den Praxisbezug weiter zu haben, also nicht nur in der Theorie mich zu bewegen, sondern eben auch direkt den Praxis- den Anwendungspart mit abzudecken. Und die Vorstellungen, die haben sich durch den, ja die Praxisorientierung der Hochschule einfach auch bewahrheitet. Wir hatten relativ viele Laborpraktika, jetzt nicht nur die reinen Chemiepraktika, sondern auch z.B. Strömungslehre, Thermodynamik und natürlich auch im Studium gab es ein Semester Praktikum.
Christina Schulz: Und was haben Sie da gemacht?
Dr. Arend: Ich bin damals in dem Praktikum zu unserem Professor gegangen, der Auslandskontakte hat. Das war von der Fakultät ein bestimmter Professor und hab dem eben gesagt: „Hier, ich hätte Interesse ins Ausland zu gehen“, und hab ihm im Endeffekt mitgegeben, „Ich möchte gerne einen Standort irgendwo in die Praxis, wo ich aber auch alleine bin.“ Es gab so ein paar Standorte, da wurden jedes Semester mehrere Studenten hingeschickt und das wollte ich aber nicht. Ich hab mir speziell gesagt, ich möchte halt alleine irgendwo hin, um alleine mal ne Erfahrung zu machen, eine neue Sprache zu lernen, um mich auch auf diese Erfahrung einfach voll und ganz einlassen zu können. Das war so ein bisschen..ich wollte mir da selber eine Herausforderung stellen. Und da kam dann tatsächlich über den Professor der erste Kontakt auch zu BASF zustande. Der Professor hatte noch aus früheren Zeiten einen Kontakt in die USA zu dem Standort in Geismar in Louisiana und hat den Standortleiter einfach mal angeschrieben. Dann hab ich da ganz lang nichts von gehört, bin wirklich da im Dunklen getappt und hatte dann, das weiß ich noch relativ genau, am 23. Dezember 2006 einen unterschriebenen Praktikumsvertrag in meinem Briefkasten. Ohne, dass die mich je gesehen haben, ohne dass wir mal miteinander gesprochen haben. Ich glaube die Amerikaner haben einfach nur gedacht: „Ja komm, Praktikant, stellen wir mal ein.“
Christina Schulz: (lachend) Okay, ganz unkompliziert.
Dr. Arend: Völlig unkompliziert, ja, da sind die Amerikaner uns oftmals einen Schritt voraus.
Christina Schulz: Und wie war denn die Zeit in den USA?
Dr. Arend: Also die Zeit in den USA, das war als Student… ich hatte es ja vorhin schon gesagt, ich hab wenig BAföG bekommen, musste mich immer mit Jobs, mit teilweise auch mehreren Jobs über Wasser halten, das hat gut funktioniert. Und dann kommt man in die USA, Turbokapitalismus, da hat man als Student 2000$ Brutto verdient. Das war für mich eine völlig neue Lebenserfahrung. Ich hab dort ein ganz tolles Team gehabt an Kollegen, die mich von Anfang an mit offenen Armen empfangen haben. Es war auf der Arbeitsseite, war es eine ganz ganz tolle Erfahrung. Wir hatten auch amerikanische Praktikanten, ich hatte Kollegen, die gerade frisch in den Beruf eingestiegen sind, hatte ein relativ spannendes Aufgabenfeld im Engineering. Auf der anderen Seite hatte ich ein Privatleben, wo man einfach auch sagen muss, wenn man als Student mal so viel Geld verdient und das jeden Monat, dann zahlen die Amerikaner auch noch alle zwei Wochen Gehalt aus, also man kriegt dann alle zwei Wochen 1000$ überwiesen, das macht dann schon Spaß, das hat man dann schon genutzt. Also von diesen sechs Monaten, die ich eigentlich geplant hatte dort zu sein, die haben sich dann auch nochmal um einen Monat verlängert. Ich war, wenn ich es richtig im Kopf habe, glaube ich drei Wochenenden nicht unterwegs und das waren drei Wochenenden, wo das Auto kaputt war und wir im Ort selber so einen Karneval hatten, ein Dorffest oder ein Ortsfest.
Christina Schulz: Also es war eine tolle Zeit und Sie haben die auch intensiv genutzt.
Dr. Arend: Genau, es war eine ganz tolle Zeit. Also mich verbindet auch immer noch eine intensive Freundschaft zu mehreren Kollegen von damals, die ich auf der Arbeit kennengelernt habe, mit denen wir dann auch privat, ja, sehr viel unternommen haben. War eine wirklich…eine ganz tolle Zeit für mich. Ich erinnere mich da sehr gerne zurück und hat mich auch, glaube ich, beruflich ein Stück geprägt, weil ich auch damals schon die BASF das erste Mal als ein Unternehmen wahrgenommen hab, das eine sehr schöne Unternehmenskultur und Unternehmensphilosophie hat.
Christina Schulz: Sie sind dann also wieder zurückgekommen, wie ging es denn danach für Sie weiter?
Dr. Arend: So ist es. Ich bin dann zurückgekommen aus dem Praktikum, dann hatte ich noch ein theoretisches Semester und die Abschlussarbeit. Und in der Zeit habe ich dann, während des letzten Semesters, immer wieder mal drüber nachgedacht, wie mache ich weiter. Höre ich nach dem Diplom dann auf, das war ja damals noch ein Diplomstudiengang, höre ich danach auf, oder gehe ich eben nochmal einen Schritt weiter? Hatte in dem letzten Semester mir dann intensiv da die Gedanken drüber gemacht und hab mich dann letztendlich auch dazu entschieden, dass ich nochmal ein Stück akademischer werden möchte. Mich hat dann einfach auch gereizt, diese Verbindung aus Theorie und Praxis einfach nochmal ein Stück weiter in die Theorie zu verlagern. Das war vielleicht so im Nachhinein betrachtet dann doch einer der kleineren Nachteile an einer Hochschule, hat für mich aber keinerlei Nachteile dann im Ende gehabt. Ich hab mich einfach beworben und hab dann eine Promotionsstelle in Aachen bekommen, die auch nochmal eine sehr interessante Stelle beinhaltet hat, oder es war eine sehr interessante Stelle. Eine schöne Kombination aus Theorie und Praxis, die ich dort hatte.
Christina Schulz: Was war Ihr Thema? Können Sie das mal kurz umreißen?
Dr. Arend: Also ganz kurz und grob: Ich hab ein Verfahren entwickelt, um zweite Generation Biodiesel herzustellen. Ganz grob.
Christina Schulz: Und wie war diese Promotionszeit für Sie? Also es gibt ja Berichte von Promovierenden, die diese große Freiheit schätzen, aber eben auch, man muss sich ja selbst strukturieren, da sind ja auch gewisse Herausforderungen damit verbunden. Wie haben Sie das erlebt?
Dr. Arend: Ja, das habe ich auch als einen der großen großen Vorteile erlebt. Wie haben sehr große wissenschaftliche Freiheit bekommen von unserem Professor, auch von meinem Doktorvater, der uns im Endeffekt, mir auch, das Thema gegeben hat, in der ersten Zeit ein Stück enger begleitet hat und dann geguckt hat: Wie findet sich da jeder Doktorand auch in sein Thema ein? Und hat uns dann aber auch (und auch mir) relativ schnell die Freiheit gelassen, hat sich natürlich regelmäßig Projektupdates geholt. Die waren am Anfang dann auch enger getaktet und gegen Ende hab ich ihm dann, glaube ich, einmal im Quartal habe ich ihm dann Projektbericht geschickt. Ich hatte auch einen Industriepartner bei dieser Entwicklung und hab dem Industriepartner auch regelmäßig dann, gemeinsam mit meinem Doktorvater, auch Bericht erstattet. Wir haben dann uns auch immer wechselseitig besucht. Da gab es dann auch ne Versuchsanlage bei dem Industriepartner. Ja und das war für mich insgesamt, wissenschaftlich gesehen, war es dann doch nochmal eine Herausforderung. Das hat sehr viel Spaß gemacht, war eine sehr intensive Zeit. Man muss sich dort wirklich durchbeißen. Ein Kollege hat das immer so schön gesagt: „Eine Promotion verschiebt die persönliche Toleranzschwelle doch recht weit.“ [Beide lachen]
Und das empfinde ich auch so, das war auch so. Man hat da sehr viel investiert, aber auch sehr viel zurückbekommen.
Christina Schulz: [lächelnd] Ja. Wie haben Sie danach Ihren Berufseinstieg gestaltet? Wie sind Sie da vorgegangen?
Dr. Arend: Mein Berufseinstieg…ich wusste ja relativ genau, wann ich an der Universität fertig sein werde. Ich hatte einen Vertrag als wissenschaftliche Hilfskraft und wusste also relativ genau, bis wann ich mit allem fertig sein muss. Das hab ich auch relativ gut eingetaktet und hab dann etwa ein gutes halbes Jahr vorher mit angefangen Gedanken zu machen: Wo möchte ich denn eigentlich hin? Ja, war vielleicht schon ein bisschen früher. Für mich war zum einen relativ schnell klar, das die wissenschaftliche Arbeit, wie ich sie in der Promotion gemacht habe, nichts ist, was ich den Rest meines Lebens machen möchte. Also Labor war eine schöne Zeit, aber war jetzt nicht die Erfüllung, die ich mir für mein Berufsleben vorstelle. Ich wollte also mehr so „back to the roots“ in Richtung Sucherin Stück weit Maschinenbau, oder mehr in Richtung Anlagenbau. Ich bin dann in Aachen, im Januar 2011, gab es dort eine Bonding-Messe. Ich weiß nicht, ob die hier auch bekannt ist in Dresden, das ist im Endeffekt eine Firmenkontaktmesse, wo sich verschiedene Firmen einfach vorstellen.
Christina Schulz: Ja, Bonding gibt es auch in Dresden!
Dr. Arend: Super, hervorragend! Da bin ich hingegangen, hab das Angebot genutzt. Ich fand das eine ganz tolle Geschichte, ich bin da völlig ohne Vorbereitung hingegangen, hab mich mit verschiedenen Firmen unterhalten und hab dort quasi aus dem Stand heraus zwei Einladungen bekommen, zu zwei verschiedenen Firmen. Hab das erstmal als eine wahnsinnige Chance gesehen, auch ne tolle Bestätigung. Das war im Jahr 2011, das war also nach der Krise, nach der Wirtschaftskrise. Da ging es gerade wieder so richtig los, da konnten die Firmen aus den Vollen schöpfen und gut einstellen. Und da habe ich dann die zwei Einladungen wahrgenommen, hab so ein bisschen für mich einfach mal getestet: Wie funktioniert es, wie funktioniert so ein Einstellungsprozess, was für Fragen stellen denn da die Leute… Habe natürlich auch ganz ehrlich meinen Marktwert getestet, hab auch geguckt: Was bezahlt mir denn so eine Firma heutzutage? Und hab dann aber ganz gezielt auch nach diesen ersten zwei Gesprächen im Internet mal geschaut und mich unter anderem auch bei der BASF schlau gemacht. Und hab dort eben eine Ausschreibung gefunden, die mich sehr fasziniert hat. Das war eine Ausschreibung für ein internationales Traineeprogramm, in dem auch drinstand, das ist ein relativ langes Programm, sollte fünf Jahre gehen und davon zwei Jahre im Ausland. Und ich hatte nach dieser Erfahrung in den USA einfach großes Interesse, nochmal auch relativ zügig ins Ausland zu gehen, um da auch einfach meinen persönlichen Horizont zu erweitern. Und ja, so habe ich mich dann bei der BASF beworben. Ich kannte ja im Ungefähren wie so eine Einstellung von statten geht oder so ein Bewerbungsprozess, hab mich beworben und ja, hat funktioniert, hat geklappt.
Christina Schulz: Super! Dann haben Sie also als Trainee angefangen bei der BASF. Wo würden Sie sagen sind die Vorteile von so einem Trainee-Programm?
Dr. Arend: Ja die Vorteile sind ganz klar, dass man in relativ kurzer Zeit einen guten Überblick bekommt. Die Heutigen oder gerade so ein Großkonzern, wie es ja auch die BASF ist, die ist ja eine unglaublich große Firma mit ganz ganz vielen verschiedenen Facetten, ganz viele Fachrichtungen. Der Stammsitz in Ludwigshafen der hat über 30000 Mitarbeiter, also eine wahnsinnige Menge an Manpower, auch an Wissen, die sort gebündelt ist und das kennenzulernen ist gar nicht mal so einfach. Und deswegen hab ich da einfach auch einen Riesen Vorteil gesehen und das ist jetzt auch so im Nachhinein betrachtet der ganz große Vorteil von so einem Trainee-Programm gewesen. Da auch bewusst zu sagen, auch wenn ich promoviert habe, ich gehe auf eine Trainee-Stelle, weil ich dort Vorteile sehe, wie ich schnell einen Überblick über auch so eine Firma bekommen kann.
Christina Schulz: Also sind Sie dann dort auch verschiedene Abteilungen durchlaufen?
Dr. Arend: Genau, das Grundprogramm ist so gestrickt: Fünf Jahre und man soll in diesen fünf Jahren fünf Stationen durchlaufen und pro Station in etwa ein Jahr verbringen. Bei mir hat es angefangen, ich war im Anlagenbau, also wirklich in der Montage, die Kollegen, die auf der Baustelle die Rohrleitungen zusammenschweißen, Behälter für die Reaktoren hinstellen. Das war etwas völlig anderes, als das was ich in der Promotion gemacht habe, hatte aber immer noch sehr starken Bezug zu meinem Chemieingenieurstudium. Und das war für mich genau einer der Gründe, ich wollte ja aus diesem Laborfeld, aus diesem wissenschaftlichen Umfeld weg und wollte wieder ein Stück in diese, ja ich will es mal „Bastelmentalität“ nennen. Und die Montage, das sind jetzt keine Bastler in diesem Sinne, sondern das ist wirklich auch ne Wissenschaft für sich, wie sowas funktioniert. Ich hatte da aber aus dem Studium wenig Erfahrung. Man lernt, wie man einen Reaktor auslegt, man lernt, wie man eine Rohrleitung auslegt, man lernt, was dort für fluiddynamische Prozesse von statten gehen. Aber wie es dann im Anlagenbau wirklich ist… Wie kriegt man eine Rohrleitung, die einen halben Meter dick ist, wie kriegt man die denn um die Ecke? Oder wie schweißt man eigentlich richtig Rohrleitungen zusammen? Das sind vordergründig einfache Fragen, die aber wenn man ins Detail reinschaut unglaublich komplex werden. Dieses Bild kann man immer größer ziehen. Also das war dann quasi mein erstes Jahr.
Ich bin dann dort, also nach einem knappen Jahr, bin ich dann gewechselt. Da gab es dann ein Großprojekt in Ludwigshafen, ich war da am Stammsitz und für dieses Großprojekt habe ich dann, ja, eine Chance gesehen, da ein Stück weit mit reinzukommen und bin dann in die Fachabteilung der Rohrbrücken gewechselt. Ich weiß nicht, ob das jedem ein Begriff ist? In so einem Chemiewerk liegen ja ganz viele Produktrohrleitungen auf Rohrbrücken zwischen den Betrieben und Ludwigshafen hat es natürlich mit über 200 Produktionsbetrieben schon auf einem Qualitätsniveau, das seinesgleichen sucht. Also da liegen, glaube ich, über 2000km Rohrleitungen auf den Rohrbrücken und da was neues dann reinzuplanen und reinzubauen, ist gar nicht so einfach. Und da habe ich dann ein Teil von diesem Projekt bearbeitet und hab mich dann um die ganzen Energierohrleitungen, also um Dampf, um Druckluft, um Stickstoff gekümmert und hab da eben die Rohrleitungen für dieses Großprojekt gebaut. Das war dann mein zweites Jahr und in diesem zweiten Jahr habe ich natürlich dann schon angefangen zu überlegen, wo könnte ich denn meinen nächsten Schritt hinmachen. Und das ist einer der großen Vorteile an so einem Unternehmen, ich hab dann zu dem Zeitpunkt schon relativ viele Kollegen gekannt und hab dann für mich beschlossen okay, als nächstes würde ich dann gerne den Schritt ins Ausland machen. Und hab für mich überlegt: Wo will ich denn hin?
Das war 2013, da war unter anderem ja China in aller Munde, jeder hat über China gesprochen und ich kannte China nicht. Ich war noch nie in China, ich war zu dem Zeitpunkt auch noch nie in Asien und dann hab ich einfach gesagt: „Ja, BASF ist sehr stark investiert in China, wir haben einen großen Verbundstandort in China, also warum nicht. Dann würde ich doch gerne an diesen großen Verbundstandort gehen.“
Und tatsächlich habe ich dann einen Vor-Vorgesetzten gehabt, der kam gerade aus China, gerade von diesem Verbundstandort. Und als der das gehört hat, dass ich da Interesse dran habe, hat der das sofort aufgegriffen und hat mir das dann ermöglicht, dass ich für tatsächlich auch zwei Jahre nach China durfte. Ich habe dann in China zwei verschiedene Positionen, einmal in der Planung und einmal in der Produktion gehabt.
Christina Schulz: Man hört ja manchmal vom Kulturschock. War das für Sie einer oder wie haben Sie die Zeit in China empfunden?
Dr. Arend: Also ein Kulturschock war es tatsächlich nicht, weg zu gehen. Da ist man vorbereitet, man bereitet sich geistig ja darauf vor: Jetzt komme ich in ein Land, das ich nicht kenne, ich kann die Sprache nicht, ich weiß nicht, was da so wirklich passiert… Das fühlt sich mehr an wie so ein Abenteuer. Der tatsächliche Kulturschock, und das war das Interessante, der war mehr, wenn man zurückkommt. Also nach zwei Jahren in China, ich war in diesen zwei Jahren zwar ein paar Mal in Deutschland, aber man ist nicht so wirklich darauf vorbereitet, wie viel sich auch in der Heimat weiter-entwickelt.
Da sind Freunde umgezogen, das fängt mit ganz banalen Dingen an. Jemand ist weggezogen, der Freundeskreis hat sich geändert, der Freundeskreis dünnt sich auch ein Stück weit aus über eine so lange Zeit. Das ist auch völlig normal, aber es gab auch so Kleinigkeiten. In China gab es im Supermarkt beispielsweise fast kein Müsli, ist für Chinesen uninteressant. Es gab dann so ganz ausgesuchte Läden, ich glaub zwei oder drei, die haben Müsli geführt. Und jedes Mal, wenn die Müsli bekommen haben, dann ging das unter den Delegierten, unter den Expats, ging das dann ganz schnell hin und her. Dann hat einer dem anderen eine Nachricht geschrieben, hat gesagt: „Du, im Supermarkt gibt’s wieder Müsli!“ Und dann ist man da schnell hin und hat sich eben so zwei, drei Kilo Müsli eingekauft und war einfach nur glücklich, dass man sowas hatte.
Christina Schulz: (lacht)
Dr. Arend: Und dann kommt man zurück nach Deutschland und steht vor so einer ganzen Regalreihe mit Müsli und denkt sich: „Um Gottes Willen, welches Müsli möchte ich denn jetzt?“ Also so als kleine Anekdote, das ist jetzt nicht wirklich ein Kulturschock, aber das ist so, das ist einem doch schon im Gedächtnis geblieben.
Gut und China an sich, das ist ein hochspannendes Land, das ist ein extrem schnelles Land, wandlungsfähig, anpassungsfähig, die sich in einer Geschwindigkeit entwickeln, die wir glaube ich in Deutschland gar nicht kennen. Also ich kannte sie zumindest nicht. Abgesehen von dieser Schnelligkeit hab ich auch wahrgenommen, China ist ein ganz starkes Land der Kontraste. Da gibt es so den Kontrast arm und reich, laut und leise, Gesundheitsbewusstsein gegen Umweltverschmutzung, also ganz viele Kontraste. Die dort für die Menschen glaube ich völlig normal sind, die aber einem Außenstehenden wie mir einfach erstmal auffallen. Ich will die nicht bewerten, die sind weder gut noch schlecht, sondern sie sind einfach nur auffällig.
Ansonsten, ja, Chinesen arbeiten ganz anders als wir Deutschen. Die Chinesen sind auch in ihrer Arbeit sehr viel flexibler, schneller. Wo wir Deutschen immer den Drang haben: „Wir planen jetzt erstmal alles durch und überlegen erstmal, legen uns erstmal unseren Schlachtplan zurecht, mit am besten noch allen Eventualitäten, das wir für alles gewappnet sind.“ Da sind die Chinesen anders, die Chinesen machen erstmal los und gucken dann, wo stoßen sie auf ein Problem. Und wenn sie dann auf ein Problem stoßen, dann sind sie ganz fix und laufen dann um dieses Problem herum und das muss man erstmal verstehen, verarbeiten. War aber eine ganz spannende Lernerfahrung, auch für mich, dass man, wo ich auch den persönlichen Drang hätte erstmal zu sagen: „Jetzt nehmen wir uns erstmal die Zeit und überlegen uns mal, was könnte denn wie noch passieren?“ Da fangen die Chinesen einfach mal an. Und beides funktioniert. Wenn man das schafft, das in eine Kombination zu bringen, da kann man ganz ganz viel lernen. Auch rausholen, kann vieles schneller, einfacher machen, manchmal aber auch vielleicht den bewussten Schritt gehen, anzuhalten und erst nochmal drüber nachzudenken.
Christina Schulz: Sie sind dann aus China wieder zurückgekommen. Wie ging es denn für Sie in Deutschland weiter?
Dr. Arend: Nach meiner Rückkehr hätte ich ja eigentlich theoretisch noch ein Jahr in diesem Trainee-Programm gehabt. Das Jahr haben wir dann quasi nicht gemacht, sondern ich bin aus China zurückgekommen und wurde dann von meinem Chef in eine normale, feste Stelle, auch in eine Linienhierarchie gebracht. Ich hab dann damals eine Teamleitung übernommen, für wieder Montagemitarbeiter. Das waren dann insgesamt ein bisschen über 30 Leute, für die ich verantwortlich war. Etwa 20 Mitarbeiter waren ausgebildete Meister, also Handwerker, die noch einen Meisterbrief draufgesetzt haben, und eben so 10-15 Handwerker waren es in Summe. Mit denen habe ich verschiedene Anlagen in Ludwigshafen betreut, war also verantwortlich dann, dass dort arbeiten umgesetzt werden. Also im Endeffekt haben wir dieses Trainee-Programm um ein Jahr eingekürzt und dann bin ich eben schneller in diese Funktion gekommen.
Christina Schulz: Jetzt hatten Sie ja Personalverantwortung. Wie haben Sie die empfunden? Was waren dort die Herausforderungen?
Dr. Arend: Ja Personalverantwortung ist noch einmal eine ganz neue Art der Verantwortung, die man, oder die ich, im Studium nicht beigebracht bekommen habe, die ich nicht kannte. Wo man aber mit ein bisschen Grundgefühl relativ schnell, finde ich, auch reinkommt und zurechtkommt. Man muss das wollen, es ist nicht immer einfach. Personalführung ist nicht immer nur Befehl und Gehorsam, sondern man muss zusammenarbeiten, man muss miteinander arbeiten, man muss auch mal unangenehme Dinge machen. Man muss auch unangenehme Entscheidungen treffen, man muss oft Fragen auch beantworten und man muss als Vorgesetzter von Mitarbeitern…man muss einfach auch ein Stück Empathie entwickeln. Man möchte ja auch keinen Vorgesetzten haben, der so robotermäßig mit einem umgeht, sondern man will ja schon, dass einer einen versteht, dass er sich reinversetzen kann in jemanden. Das sind so dann die berühmten Softskills, die dann da gebraucht werden.
Christina Schulz: Und wie ging es dann danach für Sie weiter?
Dr. Arend: Ja nach der Station in Ludwigshafen, diese Position dort als Teamleiter habe ich knappe zweieinhalb Jahre gemacht, das war auch nicht die längste Zeit. Und dann hat mich mein ehemaliger Chef, der schonmal in China mein Vorgesetzter war, der hat mich angerufen. Der war mittlerweile aus China zurück und wurde direkt weiterdelegiert, an den Standort nach Schwarzheide. Der hat mich angerufen und hat mir gesagt: „Du Matthias, hier ist ne Position frei, hast du nicht Interesse, nach Schwarzheide zu kommen?“ Er hat mir dann erklärt, um welche Stelle es geht. Das war für mich nochmal eine Beförderung, in eine „Director“-Position für das Site-Engineering, also für die Planung des Standorts, Anlagenplanung. Und dann habe ich mir das durch den Kopf gehen lassen, hab Zuhause einfach mit meiner Dame drüber gesprochen und dann haben wir uns entschieden, dass wir oder dass ich das mache und dass ich den Job in Schwarzheide annehme.
Christina Schulz: Die Position heißt „Director Site Engineering and Construction Services” – Was macht man denn in dieser Position?
Dr. Arend: Ja, die Stelle hat sich seit Antritt und bis heute ein Stück gewandelt, wir hatten eine Umstrukturierung am Standort, da hat sich bei mir der Verantwortungsbereich nochmal erweitert. Am Anfang war das ganze nur die Planung und jetzt gehört auch wieder die Montage mit dazu. Das heißt, ich bin im Endeffekt verantwortlich für eine Einheit, die sich um die Umsetzung von Anlagenbauprojekten kümmert.
Das beginnt ganz vorne, bei uns kommt quasi eine unserer Business-Units mit einer Idee an, sie möchte irgendeine neue Chemikalie herstellen. Dann haben die in der Regel eine Forschung schon gemacht, die wissen schon ungefähr, wie das ganze funktioniert und suchen dann einen Platz, wo sie so eine Produktionsanlage hinstellen können. Das ist der Punkt, wo wir dann mit einbezogen werden. Ich setze dann meine Teamleiter mit drauf an, dann werden dort Kollegen identifiziert, die entsprechend Zeit haben, sich auch um so eine Anfrage noch zu kümmern und dann fangen wir an, so eine Anlage zu planen. Das geht los mit: Auf welches Blockfeld könnte die? Haben wir genug Platz? Muss da vielleicht eine neue Straße hingebaut werden? Welche Versorgungsleitungen brauchen sie? Dampf, Strom, Wasser usw. und das geht dann bis hin zu der eigentlichen Produktionsanlage selber. Auch das machen wir, bis zu einem gewissen Investitionsvolumen, machen wir das hier am Standort selber. Wenn es zu groß wird, dann gibt es immer noch in der großen BASF-Welt Kollegen, die uns dann für diese ganz großen Projekte unter die Arme greifen und uns dann mit ihren Ingenieuren da noch unterstützen. Und wenn wir geplant haben, dann geht es auch in meiner Einheit in die Umsetzung. Das fängt an mit dem Hoch-, Tief- und Stahlbau, also wirklich das Loch buddeln, Fundamente reinsetzen, den Stahlbau aufbauen… Dann den eigentlichen Anlagenbau, die Rohrleitungen, die Reaktoren reinsetzen, zuschweißen, zumachen. Wir machen auch einen Drucktest und einen Dichtigkeitstest zum Schluss und dann übergeben wir zum Schluss eine fertige Anlage an den eigentlichen Betreiber.
Christina Schulz: Das ist ja beeindruckend. Gibt es einen typischen Tagesablauf bei Ihnen?
Dr. Arend: Eigentlich nicht. Ein typischer Tagesablauf ist bei mir so, ich versuche, oder vor Corona, machen wir es mal so, vor Corona hab ich immer so…gegen 7:30 Uhr war ich im Büro und hab mir einen Kaffee geholt und dann war mein regulärer Tag eigentlich schon beendet, weil es dann mit allen möglichen Meetings losgeht, die auch oftmals nicht planbar sind. Also ganz viele Meetings sind geplant, aber oft kommen dann einfach auch Tagesanbrüche Themen mit rein, wenn irgendwo was passiert, wenn sich, was wir alle nicht hoffen, irgendwo auf der Baustelle jemand verletzt. Das ist immer so ein Thema, wo man dann den ganzen Tag in der Regel umbauen muss, oder sich dann auch freischaufeln muss. Ansonsten ist es sehr von Besprechungen geprägt, ganz viele Besprechungen gehen in der Regel den ganzen Tag über, man läuft von einem Meeting ins nächste. Das geht dann so bis 16/17 Uhr und dann im Anschluss fängt man dann an, sich mit seiner Arbeit zu beschäftigen. Fängt dann an also, seine Emails abzuarbeiten, Themen voranzutreiben oder Themen auch selbst zu bearbeiten, die man eben noch selber bearbeiten möchte. Aber ganz viel meiner Arbeitszeit ist eben in Besprechungen, in Meetings, wo wir dann zum Beispiel die Projekte, die ich vorhin beschrieben habe, in einem Lenkungskreis überschauen und notwendige Entscheidungen zum Beispiel treffen.
Christina Schulz: Welche Kompetenzen brauchen Sie hauptsächlich in Ihrem Berufsleben und sind das welche, die Sie schon während ihrer Studien- oder Promotionsphase, oder während Ihrer Auslandsaufenthalte mitgenommen haben? Oder welche mussten Sie sich noch neu aneignen?
Dr. Arend: Ich glaub die wichtigste Eigenschaft, die man aus dem Studium, oder die ich aus dem Studium mitgenommen habe ist, die richtigen Fragen zu stellen. Wie gehe ich an ein Thema ran, wie versuche ich, ein Thema zu begreifen und welche Fragen muss ich stellen, um das Thema auch mit seinen eventuellen Schwachstellen richtig zu hinterfragen. Das ist so ein bisschen, ja, das kann man natürlich auch erlernen. Man braucht aber glaube ich, oder das ist zumindest bei mir so - ich hab da einfach viele dieser Fragen, die ich für mich gestellt habe, wie gehe ich an sowas ran, im Studium erlernt. Ansonsten ist es natürlich, in der Position, in der ich jetzt auch bin, ich hab ein sehr sehr breites Themenspektrum, ich kann in den Themen fachlich nicht mehr überall mit im Detail drin sein. Dafür ist es viel zu viel, dafür habe ich auch viel zu viele Mitarbeiter. Das heißt, für mich ist eine der wichtigsten Aufgaben, den Überblick zu behalten, den Gesamtüberblick zu behalten und zu merken, zu spüren, herauszufinden, auch in vielen Gesprächen, wo klemmt es denn. Wo sind irgendwelche Hürden, die Steine, die im Weg liegen, die die Mitarbeiter auch daran hindern, ihre Arbeit möglichst effizient und effektiv zu machen. Und das ist dann natürlich was, da muss man dann ran, da sucht man dann nach dem eigentlichen Problem und versucht dann in der Regel, das über ein kleines Team auch bearbeiten zu lassen.
Ansonsten braucht man glaube ich eine gute Portion Menschenkenntnis und Empathie. Das sind so diese Softskills, wie ich sie vorhin schon auch mal erwähnt hab, die wichtig sind als Führungskraft, gerade wenn man sich ins Management entwickeln möchte und Personalverantwortung übernimmt, braucht man da ein gewisses Fingerspitzengefühl.
Christina Schulz: Inwiefern würden Sie sagen, war Ihre Promotion wichtig für die aktuelle Tätigkeit?
Dr. Arend: Also für die aktuelle Tätigkeit… ja ich sag mal so, der Titel an sich, würde ich sagen, ist heute nicht mehr wichtig. Der war auch nicht wichtig, um in diese Funktion zu kommen oder in diese Position zu kommen, in der ich bin.
Inhaltlich, was meine Fähigkeiten, meinen technischen, naturwissenschaftlichen Hintergrund angeht, glaube ich war es trotzdem wichtig. Man baut ja im Studium und vor allem auch in der Promotion verschiedene Kompetenzen auf, selbstständiges Arbeiten, Thema Fragenstellung, was ich vorhin erwähnt habe. Also wie stelle ich eigentlich die richtigen Fragen, wie finde ich heraus, was ist das eigentliche Problem, eine Aufgabenstellung auch umzusetzen in einen Lösungsfindungsprozess.
Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen war für mich auch in der Promotion ein ganz ganz wichtiges Thema. Ich bin selber Ingenieur, hab aber in einem Institut gearbeitet, wo wir ein bisschen mehr als die Hälfte Chemiker hatten und da lernt man dann auch das erste Mal, dass sich Ingenieure und Chemiker nicht unbedingt auf anhieb verstehen. Das hängt mit Vokabular zusammen oder auch mit den Gedanken, die ein Chemiker hat und die ein Ingenieur hat. Und dort einfach zu lernen, wie kann man mit naturwissenschaftlichen oder ingenieurwissenschaftlichen Kollegen…wie findet man eine gemeinsame Sprache. Das hört sich banal an, ist aber ganz häufig ein Problem, das zum Schluss zu Missverständnissen und dann auch falschen Ergebnissen führen kann. Und das herauszufinden, wie man da zusammenarbeitet, ist sehr interessant gewesen. Und das natürlich nicht nur mit den Akademikern, sondern wir hatten auch Nicht-Akademiker, hatten Laboranten, Kollegen, die uns da einfach unterstützt haben mit verschiedenen Themen, mit Analytik etc., und auch mit denen zusammenzuarbeiten, muss man auch erst einmal lernen.
Christina Schulz: Sie führen ja auch Bewerbungsgespräche durch. Haben Sie vielleicht den ein oder anderen Tipp für die Studierenden?
Dr. Arend: Ja Bewerbungsgespräche sind sehr interessant, die bilden ungemein. Also man lernt ganz viele Menschen kennen, man lernt ganz viele Facetten kennen und sieht natürlich häufig Menschen, die sich natürlich von ihrer besten Seite zeigen wollen. Und da ist es dann wichtig, herauszufinden, wie kann man Menschen in einer kurzen Zeit einschätzen, wie schätzt man Menschen auch richtig ein. Man kann da ja auch leider brachial falsch liegen mit seiner Einschätzung, das ist für jeden auch ein Lernprozess. Man achtet auf Zwischentöne, also das ist schon eine Herausforderung, das muss man auch erstmal lernen, wie man sowas richtig macht. Ist aber dann eine ganz ganz spannende Geschichte, weil man eben in kurzer Zeit sehr viele Menschen auch kennenlernt.
Ja, welche Tipps habe ich auch für Studierende? Ich glaube, jeder der Bewerbungsgespräche führt, also der jetzt auf der Seite der Arbeitgeber sitzt ist natürlich anders, deshalb kann ich jetzt nur für mich sprechen. Ich mag es, wenn Studierende, oder auch generell Bewerber, einfach ehrlich und authentisch sind. Es passiert häufiger, dass sich Leute versuchen in so einem Bewerbergespräch irgendwie anders darzustellen oder in ein noch besseres Licht zu rücken und das vielleicht auch ein bisschen sehr stark ausschmücken. Da kann ich direkt sagen: „Vergessen Sie es, das findet man sofort heraus.“ Das spürt man sofort, das bringt nix.
Das Zweite, was ich persönlich mag, sind tatsächlich Lebensläufe, die nicht so ganz gerade sind. Also ein Stück ungerader Lebenslauf ist für mich oftmals interessanter, wenn er denn richtig erklärt werden kann. Also ich mache mal ein Beispiel. Es gibt immer wieder Bewerbungen von Studierenden, die kommen nach dem Abitur direkt an die Uni, studieren und haben einen tollen Lebenslauf. Waren vielleicht sogar ein, zwei Mal im Ausland und stellen sich dann bei uns vor, sind Anfang 20 und sagen dann, sie möchten jetzt Personalverantwortung. Das funktioniert nicht. Da fehlt mir persönlich ein Stück Lebenserfahrung, wo ich einfach auch mal sag: „Hast du eigentlich mal was anderes gesehen, als einen Ausbildungsbetrieb, Schule, Universität? Hast du mal ein Praktikum gemacht, hast du mal irgendwo, im Ausland vielleicht, gearbeitet?“ Nicht jeder, der im Ausland war, macht ja dort eine Arbeitserfahrung. Manche sind ja dann über ein Semester oder auch nur weniger im Ausland und da mag ich einfach, wenn Leute zum Beispiel auch mal ganz bewusst sagen, so, ich hab im Studium mal ein Semester Pause gemacht und bin mit dem Rucksack durch wohin auch immer gelaufen und hab mir das Land und die Leute angeschaut. Und dann kann man da richtig schön hinterfragen und herausfinden, was nimmt man denn auf so einer Reise auch mit. Also das ist so zum Beispiel ein Thema, was ich immer sehr schön finde. Das merkt man auch bei den Menschen, die so Erfahrungen gemacht haben, sich auch mal auf was Unbekanntes einzulassen, was Neues. Loslassen zu können, aus ihrer Komfortzone rauszugehen, das bildet und das spürt man auch in so einem Gespräch.
Vielleicht noch ein anderer Tipp, den ich auch extrem wichtig finde und den ich sehr gerne mitgebe ist, dass sich Bewerber in dem Gespräch ja nicht nur präsentieren, sondern dass auch die Studierenden für sich entscheiden müssen und ein Gefühl entwickeln sollten: Passen sie eigentlich auch zu den Leuten, die da vor einem sitzen. Wir machen das Gleiche, auch wir gucken in unseren Gesprächen, passt denn dieser Mensch, der da vor einem sitzt, passt der aus meiner Einschätzung ins Team. Passt der in meine Einheit, in mein Team, kann das Probleme geben? Glaube ich, dass der vielleicht mit anderen Kollegen nicht kann oder zu introvertiert oder zu extrovertiert ist. Das sind alles Fragen, die man sich auf der Arbeitgeberseite stellt, aber ich glaube andersherum muss dieser Prozess auch durchdacht werden. Also auch der Studierende oder der Bewerber sollte sich die Gedanken machen, sind denn diese drei, vier, fünf Leute, mit denen er oder sie an dem Tag gesprochen hat, sind denn das Menschen, mit denen man wirklich jeden Tag zusammenarbeiten möchte. Geben die mir ein gutes Gefühl, habe ich Wertschätzung erfahren, glaube ich, dass die in der Firma, auch wenn es nur ein kleiner Einblick ist, glaube ich, dass die mit mir als potenziellem Mitarbeiter auch richtig umgehen? Das sind in meinen Augen völlig legitime Fragen, die man sich stellen muss und die man sich auch dann im Nachgang beantworten soll.
Christina Schulz: Es ist sozusagen ein beidseitiges Bewerbungsgespräch.
Dr. Arend: Genau so ist es. Vielleicht sollte man auch immer daran denken, man wird sehr sehr viel Zeit auf der Arbeit verbringen. Die meisten Menschen verbringen irgendwie acht, neun Stunden auf der Arbeit am Tag plus Pausen, dann ist man irgendwo bei zehn Stunden. Das kann mal mehr mal weniger sein, also das ist schon ein signifikanter Anteil des Tages und da muss man sich dann auch wirklich so sicher wie nur möglich sein, dass man das in einem Umfeld verbringt, das einem auch zusagt.
Christina Schulz: Ja, auf jeden Fall. Welche Möglichkeiten sehen Sie bei BASF für Chemiker? Wir haben ja jetzt viel über Chemieingenieurwesen auch gesprochen, aber uns hören bestimmt auch Studierende der Chemie zu.
Dr. Arend: Ja da würde ich die Antwort gerne ein bisschen zweiteilen und einmal auf hier Schwarzheide beziehen. In Schwarzheide haben wir für Chemiker so den klassischen Einstieg in eine Einheit, die nennt sich bei uns „Prozess- und Verfahrensoptimierung“. Das sind Kollegen, die Prozesse, die in einer Chemieanlage laufen, also wirklich die chemischen Prozesse oder auch das chemische Verfahren, sich anschauen. Die machen nicht nur das, die machen aber auch diesen chemischen Prozess, schauen sich den an und gucken dann, wo ist denn mein berühmtes „Bottleneck“ in der Herstellung. Also wo ist in dem Gesamtprozess der Schritt, der meinen Gesamt-Output limitiert, dass ich zum Beispiel einfach mehr Produkt herstellen kann. Oder der Schritt, der am energieintensivsten ist. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich sowas anzuschauen und da nimmt man in der Regel auch gerne Chemiker, die dann eben von der Chemieseite auf so einen Prozess drauf schauen können und dann gemeinsam mit dem Betriebspersonal, also mit dem Betreiber einer solchen Anlage, dann Verbesserungen entwickeln, vorantreiben. Und im Idealfall kommt dann ein Projekt raus, ein Optimierungsprojekt. Dann landet es wieder bei mir in der Einheit und wir bauen so eine Anlage um.
Zum Zweiten gibt es natürlich die Einstiegsmöglichkeit auch in den Produktionsanlagen selber. Da gibt es Prozessmanager, das sind bei uns Funktionen, das sind in der Regel auch Akademiker, die den Prozess einer Anlage sehr sehr gut verstehen müssen und dann den Prozess kontinuierlich verbessern müssen. Das ist quasi das Pendant zu dem, was ich gerade erzählt habe. Das sind aber Leute, die wirklich in der Produktion sitzen und nochmal einen noch intensiveren Blick aus der Brille des Betreibers heraus haben. Und ansonsten gibt es dann auch nachfolgend eine riesige Bandbreite, wo man sich auch als Chemiker hin entwickeln kann. Klar, wir sind ein Chemieunternehmen. Wenn man mal nach Ludwigshafen schaut, dann kann ein Chemiker alles werden. Also unsere Vorstände sind, da sind ein nicht unerheblicher Teil Chemiker, auch in der Hierarchie bei und gibt es ganz viele Chemiker, also das ist ein buntes Sammelsurium. Dementsprechend ist es auch in Ludwigshafen so, da gibt es den klassischen Einstieg über die Forschung und Entwicklung. Wir haben in Schwarzheide keine Forschung mehr, die Forschung findet in Ludwigshafen statt und da ist das ein ganz klassischer Einstieg als Laborleiter. Da hat man dann, ja, eine geringe Anzahl von Mitarbeiter, zwei, drei, vier, fünf Mitarbeiter, Laboranten, die mit einem gemeinsam dann in einem Labor Forschung machen. Von denen man auch der Vorgesetzte ist, das ist so ein typischer Einstieg.
Oder man geht in die Produktentwicklung, aber ich hab auch schon von Kollegen gehört, die aus der Chemie direkt im Marketing eingestiegen sind. Es ist dann glaube ich mehr so das Thema, was passt persönlich zu einem Menschen. Und der Ausbildungshintergrund, der ist natürlich ein Türöffner, aber ich würde es nicht nur limitieren auf: „Jeder Chemiker muss jetzt im Labor, in der Forschung und Entwicklung, anfangen“. Da hat man ganz viele Möglichkeiten, im Zweifelsfall mein Rat: immer einmal bewerben und mal gucken was passiert. Unverhofft kommt oft und wir haben auch schon, hab ich auch schon ganz persönlich, häufig mal einfach Leute eingeladen, die so auf den ersten Blick überhaupt nicht auf die Stelle passen, aber dann auf den zweiten Blick doch hochinteressant sind.
Christina Schulz: Gibt es etwas, was Sie den heutigen Studierenden gern mit auf den Weg geben möchten?
Dr. Arend: Ja, was kann ich Studierenden mit auf den Weg geben… Ich glaube ganz viel haben wir schon gesagt. Seien Sie neugierig und offen, kommen Sie mal aus ihrer Komfortzone raus, probieren Sie was Neues. Gehen Sie durch die Welt, gehen Sie mal aus ihrem gewohnten Umfeld raus, probieren Sie es mal. Ein Praktikum ist eine super Möglichkeit, weil man eine relativ begrenzte Zeit nur hat, das kann man auch mal durchhalten, wenn es nicht ganz so toll läuft. Und ansonsten meine persönliche Meinung: Machen Sie einfach Erfahrungen, trauen Sie sich auch, Erfahrungen zu machen und sprechen Sie da auch in einem Bewerbungsgespräch drüber. Für mich persönlich gibt es den perfekten Lebenslauf nicht, sondern der Mensch ist mir persönlich viel wichtiger, als der perfekte Lebenslauf.
Christina Schulz: Das ist ja ein sehr schönes Schlusswort. Herr Dr. Arend, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Dr. Arend: Vielen Dank auch an Sie Frau Schulz!
~ Gesprächsende ~
[Outro-Musik spielt]
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