Wertschätzend zuhören mit Maria Müller
Liebe Maria, seit vielen Jahren bieten wir gemeinsam Workshops zum Thema Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg an, z. B. den Workshop „Ich höre was, was du nicht sagst – Ein Training im urteilsfreien Zuhören“. Und ich freue mich sehr, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Fragen zum Zuhören zu beantworten.
Wie erlebst du die Adventszeit? Gibt es etwas, was dir jetzt im Miteinander besonders wichtig ist?
Nachdem mein Jahr beruflich wie privat sehr voll war und es ja auch weltpolitisch wieder sehr turbulent zuging und -geht, bin ich im Dezember nun in einer Art Höhlenmodus. Ich habe Lust, alles ein bisschen langsamer angehen zu lassen und es mir selbst und mit anderen gemütlich zu machen und zu „verdauen“.
Wie bist du auf das Thema Zuhören gekommen? Wann hast du den Wert vom Zuhören wahrgenommen? Welche Worte und Gefühle kommen dir in den Sinn und Bauch, wenn du ans „Zuhören“ denkst?
Ich kann mich erinnern, dass ich schon als Jugendliche gerne zugehört habe und neugierig darauf war, was andere in ihrem Leben bewegt. Ich wollte schon immer ein bisschen mehr wissen, als erzählt wurde und habe deshalb schon damals viele Fragen gestellt. Eine Vorliebe, die mich wahrscheinlich zu meiner Tätigkeit als Trainerin und Coach geführt hat. Ich spüre andere gerne, in dem, was sie erzählen.
Hören wir ausreichend zu? Zuhören als kommunikatives Handeln, braucht es dafür wirklich Trainings? Oder wie können wir Zuhören lernen?
Ob wir ausreichend zuhören, kann ich pauschal nicht beantworten. Das wird subjektiv ja sehr unterschiedlich empfunden. ;) Wenn ich auf meine Erfahrungen im Umgang mit anderen Menschen und mit mir schaue, ist mein Bedürfnis nach gehört und verstanden werden im Alltag oft nicht so erfüllt, wie ich es gerne hätte. Dafür kreiere ich mir regelmäßig Räume für gegenseitiges Zuhören. Ich erlebe in meinen Seminaren auch immer wieder, dass Menschen ganz begeistert sind von den Zuhörübungen und Tools, die bei einem tieferen Verstehen unterstützen. Es scheint da also bei einigen schon eine Sehnsucht zu geben.
Besonders in Diskussionen von inhaltlichen Dingen – egal ob privater oder beruflicher Art – hören wir meiner Erfahrung nach oft zu, um zu antworten, nicht um unser Gegenüber wirklich zu verstehen. Auf diese Weise tauschen wir dann nur noch Geschichten und Argumente aus und es ist eigentlich egal, was mein Gegenüber sagt, weil ich ja nur darauf warte, wann ich meine Meinung wieder vertreten kann. Wenn ich wirklich im Modus „Zuhören“ bin, dann bin ich bereit, mich durch das, was mein Gegenüber sagt, berühren und verändern zu lassen. Dazu braucht es, dass ich meine Perspektive für einen Moment beiseite lege und mich für das Andere oder den anderen Menschen öffne. Das klingt vielleicht einfach, wenn ich das so sage. Allerdings ist dieser Vorgang in der Realität nicht ganz so leicht und besonders schwierig mit Themen, die uns am Herzen liegen.
Da die meisten von uns ihr kommunikatives Handeln im Laufe ihres Heranwachsens von ihren Mitmenschen gelernt und übernommen haben, braucht es meist eine Reflexion dieser erlernten Muster und ein aktives Dranbleiben an neuen Strategien. Unsere Prägungen sitzen richtig tief und je herausfordernder eine Situation für uns ist, desto einfacher ist es für unser Gehirn auf die ausgetretenen Pfade zurückzugreifen.
Methoden und Tipps, die wir mit Kolleg:innen, Freunden und Familie ausprobieren können?
Ein wirklich einfaches und hilfreiches Format ist für mich der Empathie-Spaziergang: Dabei gehen zwei Menschen miteinander spazieren. Zunächst hat die erste Person, die Möglichkeit eine definierten Zeit, bspw. 10 Minuten von sich zu erzählen, ohne unterbrochen zu werden. Die andere hat die Aufgabe schweigend zuzuhören und ihre ganze Aufmerksamkeit der Person zu schenken. Also ist kein Nachfragen erlaubt, keine Ratschläge, keine Kommentare usw. Dafür eignet es sich, die Zeit bspw. über den Timer im Smartphone zu nehmen. Nach dem Gong oder dem Signal fasst die zuhörende Person kurz (!) zusammen, was sie gehört und verstanden hat. Vielleicht braucht es noch eine kurze Korrektur und sonst nichts. Dann werden die Rollen getauscht und die andere Person hat nun Gelegenheit zu erzählen. Am Ende wird dann wieder zusammengefasst.
Beim Zuhören kann es hilfreich sein, auf zwei Ebenen zu achten. Die eine Ebene bezieht sich auf die Frage: Was erzählt der Mensch inhaltlich? Also was ist auf der Beobachtungsebene passiert? Die zweite Ebene adressiert: Wie geht es dem Menschen mit dem, was er da gerade erlebt und von dem er:sie erzählt? Also welche Gefühle und Bedürfnisse hat er:sie? Dieser Fokus kann auch sehr unterstützend sein, die eigenen Gedanken beim Zuhören im Zaum zu halten. Unser Geist will ja ständig mitreden und bewerten. Das ist beim Zuhören jedoch meist eher hinderlich.
Gibt es besonders gute Fragen, mit denen wir Gespräche anfangen können und dabei unser Lust am Zuhören zeigen können?
Ich glaube, das ist individuell sehr unterschiedlich. Ich komme nur so richtig ins erzählen, wenn ich mir ganz sicher bin, dass mein Gegenüber wirklich was hören möchte. Deshalb mag ich es, wenn Menschen mit einer Selbstoffenbarung in ein Gespräch einsteigen, bspw. mit: „Ich bin neugierig, wie es bei dir mit dem Thema xy weitergegangen ist. Magst du dazu was erzählen?“ So wird für mich deutlich, dass mein Gegenüber wirklich ein Interesse an mir und meinem Erleben hat. Die schöne und einfache Frage „Wie geht es dir gerade [mit ...]?“ bekomme ich auch gerne gestellt. Ich selbst stelle die aber nur, wenn ich mir auch die Zeit nehmen mag, die Antwort zu hören.
Das Interview wurde schriftlich durchgeführt von Kathrin Müller, Zentrum für Weiterbildung der TU Dresden.
Internetseite von Maria Müller: https://tulpental.com/