Virtus, Vita, Votum: Minorite Conceptions of Obedience from Francis to Bonaventure
Bearbeiter: Nicholas Youmans, B.A., S.T.B
In dem Dissertationsprojekt wird der Frage nachgegangen, wie frühminoritische Quellen den gehorsamen Bruder und damit einhergehend unterschiedliche Gehorsamsinstanzen darstellen, die wiederum auf Wechselseitigkeiten innerhalb größerer Gehorsamsstrukturen beruhen. Pointiert wird gefragt: Worin besteht die frühminoritische Gehorsamspflicht? „Gehorsam“ als phänomenologische und nicht nur wortgeschichtliche Begrifflichkeit wird diachron auf zwei Ebenen betrachtet. Der erste Gesichtspunkt liegt auf den `Bedingungen der Möglichkeit´ von Individualgehorsam. Da Gehorsam gleichzeitig Meritum und Muss ist, können Gehorsamsstrukturen Modelle des menschlichen Handelns vorschlagen, bestimmen und fordern. Hierbei wird insbesondere die Entwicklung des theologischen Verständnisses von Gewissen, Regel und Ordensleitung gegenüber dem Individuum analysiert. Anschließend wird als zweites, umfangreicheres Untersuchungsgebiet das Spannungsfeld zwischen Gemeinschaft und einer übergeordneten Gehorsamsinstanz in den Blick genommen. Das Spannungsverhältnis zwischen Gehorsam zu einem von Gott geoffenbarten Charisma (verkörpert und legitimiert zuerst durch den lebenden und dann durch den beispielhaften Franziskus) und der Institution Kirche steht dabei im Zentrum. Der Untersuchungszeitraum deckt die Anfänge der Bewegung unter Franziskus von Assisi (†1226) bis zum bedeutsamen Ordensgeneral und Theologen Bonaventuras von Bagnoregio (†1274) ab.
Ein hermeneutisches Prinzip liegt bei der Analyse der Gehorsamsstrukturen zugrunde. Gehorsam wird von zwei fundamentalen Standpunkten aus begriffen, die einander nicht ausschließen. Die objektive Dimension des Gehorsams lässt sich in vier Fragen ausdrücken: Obedientia erga quem? und unde, quomodo et quo obedientia? Die Analyse führt folglich sowohl zu den Konzepten von Autorität sowie von Legitimation (erga quem) und Performanz (quomodo) von Gehorsam gegenüber der Autorität, als auch zum Gehorsam im Hinblick auf seinen Ursprung, vorwiegend betreffend den vorangegangenen Anlass (unde) und das voraussichtliche Ergebnis oder Ziel (quo). Die subjektive Dimension wiederum bezieht sich auf zwei Fragen cur obedire (vel non)? und quomodo imperare? Dies berührt sowohl den Aspekt der Motivation beim Gehorchen, die Rolle des Gewissens und den Bereich von Dissens bei Zuwiderhandlung, als auch das zugrundeliegende Herrschaftsmodell.