Lehrveranstaltungen
Table of contents
Wintersemester 2020/21
- "Dr. Luther und die Bullen des Endchrist"
Proseminar/Seminar von Albrechte Dröse (digital)
Als Konsequenz aus seiner Widersetzlichkeit in der Ablaßfrage und seiner notorischen Angriffe auf römische Kirche wurde Luther im Juni 1520 in einer päpstlichen Bulle die Exkommunikation angedroht, falls er seine ketzerischen Positionen nicht widerrufen würde. Diese Bannandrohungsbulle wurde allerdings erst im Herbst des Jahres in Deutschland bekanntgemacht. Was bis dahin üblicherweise einen Endpunkt innerkirchlicher Debatten bedeutete, wurde hier jedoch zu einem Wendepunkt, der die Öffentlichkeit polarisierte und den reformatorischen Kommunikationsprozess befeuerte. Eine zentrale Rolle spielte dabei die (relativ neue) Medientechnologie des Buchdrucks. Das Seminar wird Stationen und Themen der medialen Auseinandersetzung um die Bulle aus einem zeitlichen Abstand von genau 500 Jahren verfolgen, soll aber gerade von einem heutigen Standpunkt aus versuchen, Fragen an den historischen Ereigniskomplex zu entwickeln: Zur Diskussion stehen u.a. die Genese und Struktur der sog. „reformatorischen Öffentlichkeit“, die spezifischen Funktionspotentiale zeitgenössischer Kommunikationsformen (z.B. „Flugschriften“) und die Rolle invektiver Kommunikationsmodalitäten für die Dynamisierung der Debatte. Die Veranstaltung wird ausschließlich digital angeboten; allerdings ist nach weiterer Absprache zumindest ein Exkursionstermin (SLUB) geplant. Weitere Details zur Umsetzung werden nach Einschreibung via OPAL bekanntgegeben.
Sommersemester 2020
-
FLiK-Modul „Invektivität“
Forschungsseminar im Rahmen des Moduls "Forschung und Lehre im interdisziplinären Kontext" (FLiK) mit Marina Münkler, Antje Sablotny et al.
FLiK steht für „Forschen und Lernen im interdisziplinären Kontext“. Das Ziel eines solchen Modules liegt darin, einen bestimmten Untersuchungsgegenstand multiperspektivisch zu untersuchen und dazu zu ermuntern, über die eigenen Fachgrenzen hinweg zu schauen. Außerdem soll eine Reflexion über Chancen und Grenzen des interdisziplinären Arbeitens angeregt werden.
- "Rhetorik zwischen Lob und Tadel"
Seminar von Albrecht Dröse
Die europäische Literatur war bis in die Neuzeit hinein rhetorisch geprägt, d. h. sie geht von bestimmten, sozusagen ‚handwerklichen‘ Textproduktionskonzepten aus, deren Kenntnis für die Erschließung dieser Texte unabdingbar ist – und deren Unkenntnis zu Missverständnissen führt. Für die in der Regel lateinisch gebildeten Autoren des Mittelalters und der Frühen Neuzeit gehörte die ars rhetorica zum Grundwissen. Auch wenn diese Redekunst an die antiken Modelle anschließt, bildet sie keine starre und einheitliche Doktrin aus, sondern eine durch komplexe Transformationen und Synthesen gekennzeichnete rhetorische Diversität. Dabei kam im Mittelalter und der Frühen Neuzeit dem sog. genus demonstrativum, der Gattung der hinweisenden Rede, die ihren Gegenstand lobt oder tadelt, eine zentrale Bedeutung zu. Redeschmuck, Lobtopoi und die Techniken der Personenbeschreibung (descriptio) nehmen breiten Raum in den einschlägigen Rhetoriklehrbüchern und Poetiken ein und diffundierten von dort aus auch in die volkssprachige Literatur. Bemerkenswerterweise sparten die Lehrbücher jedoch das Gegenstück des Lobs, die Tadelrede, zumeist aus, die sich allerdings in der literarischen Praxis in vielfältigen Formen der Schmährede, der Invektive und insbesondere der Satire manifestiert. Das Seminar soll beide Aspekte, sowohl die Modalitäten der rhetorischen Aufwertung als auch der Abwertung in ihrem Zusammenhang analysieren. Dabei gilt es zunächst einige Grundlagen des rhetorischen Systems sowie spezifische Mittel und Strategien der Lob- und Schmährede zu rekonstruieren. Das Hauptaugenmerk liegt auf den kulturellen und konkreten literarischen Funktionen von Lob und Schmähung, die anhand ausgewählter Texte der volkssprachigen Literatur der Vormoderne untersucht werden sollen.
- "'Ein neues Lied wir heben an' – die Reformation und ihre Märtyrer"
Seminar von Antje Sablotny
Als Märtyrer bezeichnet die Kirche seit ihren Anfängen diejenigen, welche aufgrund ihres christlichen Glaubens verfolgt, gefoltert und getötet wurden. Mit ihrem Blut legen sie Zeugnis ab vom Glauben an Jesus Christus; man nennt sie daher auch Blutzeugen im Unterschied zu den sogenannten Bekennern, die für das christliche Bekenntnis nicht unmittelbar gestorben sind bzw. die nach der Zeit der Christenverfolgung im frühen Christentum ein heiligmäßiges Leben geführt haben. Ihre Geschichten und die damit verbundenen Wunder werden in den Heiligenlegenden erzählt, die vor allem im Spätmittelalter für die alltägliche Frömmigkeitspraxis eine wichtige Rolle gespielt haben. Mit der Reformation dagegen wächst die Kritik an der Verehrung und Anrufung der Heiligen und daher auch an der Legende, die bald als ‚Lügende‘ verballhornt wird. Gleichwohl bilden sich eigene Formen protestantischer Heiligenverehrung aus. Dabei wird offenbar unproblematisch auf Narrative und Erzählmuster zurückgegriffen, die für das legendarische Erzählen typisch sind. Das Seminar legt den Fokus auf protestantische Märtyrer, weil sie von Beginn der Reformation an und daher in unterschiedlichen Gattungen und Medien propagiert wurden. Sie haben ein enormes Identifikationspotential für die evangelische Gemeinschaft. Mit dem Ereignislied, der Lügende, der Historie, der katholischen Antilegende und dem Märtyrerdrama sollen sehr verschiedene Gattungsformate in den Blick kommen. Insbesondere unter medialen, erzähltheoretischen, intertextuellen sowie invektiven Gesichtspunkten sollen dabei die Inszenierung protestantischer Märtyrerschaft, aber auch ihre Dekonstruktion erfasst und diskutiert werden.
Wintersemester 2019/20
-
FLiK-Modul „Invektivität“
Staffelvorlesung im Rahmen des Moduls "Forschung und Lehre im interdisziplinären Kontext" (FLiK) mit Marina Münkler, Antje Sablotny et al.
FLiK steht für „Forschen und Lernen im interdisziplinären Kontext“. Das Ziel eines solchen Modules liegt darin, einen bestimmten Untersuchungsgegenstand multiperspektivisch zu untersuchen und dazu zu ermuntern, über die eigenen Fachgrenzen hinweg zu schauen. Außerdem soll eine Reflexion über Chancen und Grenzen des interdisziplinären Arbeitens angeregt werden.
- "Satire – Schimpfred"
Vorlesung von Albrecht Dröse
Die Satire gehört sicherlich zu den besterforschten Gegenständen der Literaturwissenschaft: Sie ist keine Gattung im herkömmlichen Sinn, die über einheitliche formale Merkmale zu bestimmen wäre, sondern eine flexible Schreibweise bzw. Schreibart, die sich in unterschiedlichen Genres manifestieren kann. Schon ein flüchtiger Blick in einschlägige Literaturgeschichten zeigt die enorme Produktivität dieser Schreibweise an, die Vielfalt ihrer Themen und Formen. Diese Vielfalt will die Vorlesung exemplarisch rekonstruieren und dabei Verfahren, Möglichkeiten, Lizenzen und Grenzen des Satirischen herausarbeiten. Die Vorlesung erprobt dabei einen neuen Ansatz der Beobachtung, wonach das Satirische als spezifisch (ethisch und ästhetisch) lizenzierte Modalität des Invektiven zu begreifen ist, also diese Schreibweise prinzipiell von einem kommunikativen Modus der Herabsetzung und Ausgrenzung her zu bestimmen ist. Das ermöglicht eine neue Perspektive auf satirische Formen und Phänomene, die das binäre Schema von Missstand und Kritik verlässt und den Blick auf konkrete historische Konstellationen, Funktionen und Dynamiken satirischer Kommunikation lenkt. Eine solche Geschichte des Satirischen ist dabei sowohl Formengeschichte als auch Mediengeschichte. Die Satire als invektive Schreibweise nutzt und transformiert die unterschiedlichsten Gattungen und Formate für ihre Zwecke und erweist sich dabei als Movens ästhetischer und medialer Innovation. Die Vorlesung setzt ihren Schwerpunkt anders als üblich auf vormoderne Formen des Satirischen, untersucht exemplarisch die römische Verssatire und menippeische Satire, mittelalterliche Formen (Papstsatire, Ständesatire), die satyra divina der Frühen Neuzeit (z. B. die Narrensatiren Sebastian Brants) und die hochaggressiven Satiren der Reformation; sie versucht aber auch, von hier aus Einblick in neuzeitliche und aktuelle Erscheinungsformen des Satirischen zu gewinnen.
- "Papstsatiren des Mittelalters und der Frühen Neuzeit"
Seminar von Albrecht Dröse
Die westliche Kirche des Mittelalters ist durch eine Sonderform geistlicher Herrschaft mit Rom als ihrem Zentrum geprägt. Als Institution der Heilsvermittlung (kein Heil außerhalb der Kirche!) war Kritik an der Kirche als ketzerisch tabuisiert, Kritik in der Kirche aber durchaus gängig. Insbesondere die Ansprüche und Verfahren der römischen Zentrale provozierten allerlei Ressentiments in der Peripherie, nicht zuletzt in Deutschland, die sich in diversen Unterstellungen und Vorwürfen der Korruption, der moralischen und sittlichen Verkommenheit und der geistlichen Tyrannei manifestierten. Dennoch bleiben offene Angriffe heikel, dürfen sie doch die sakrale Aura der Institution nicht verletzen, die vor allem den Papst (den „heiligen Vater“ und Nachfolger Petri) schützt, eher schon treffen sie die ihn umgebenden ‚Römer‘. Neben den einschlägigen Beschwerden, die sich zu regelrechten antirömischen Kritikroutinen (wie den ‚Gravamina nationis Germanicae‘) verdichten, bilden sich daher indirekte, d. h. satirische Verfahren invektiver Kommunikation aus, die mit literarischen Lizenzen operieren. Die Papstsatiren bieten daher einen spezifischen Einblick sowohl in Verfahren, Funktionen und Potentiale der satirischen Schreibweise, als auch in die Geschichte einer kulturellen Konstellation der Vormoderne, die für die Konstitution des westlichen Europas von zentraler Bedeutung ist.
Sommersemester 2019
- "Alea iacta est - Die Fehden des Reichsritters Ulrich von Hutten"
Seminar von Albrecht Dröse und Marius Kraus (TP D).
Ulrich von Hutten (1488-1523) gehört zu den profiliertesten und produktivsten Autoren am Vorabend der Reformation. Er war gewissermaßen der Shootingstar des deutschen Humanismus im frühen 16. Jh., von Erasmus von Rotterdam protegiert und 1517 zum poeta laureatus gekrönt. Seine Position im literarischen Feld verdankte er nicht nur seiner hochgelobten Verslehre (Ars versificatoria, 1511) und seiner stilistischen Brillanz, sondern vor allem der Vehemenz und Intransigenz, mit der er immer neue publizistische Auseinandersetzungen eröffnete, wie denn seine Schreibweise vielleicht insgesamt als eine Form der Fehdeführung charakterisiert werden könnte. Er verfasste schon in Studententagen Schmähschriften gegen seine ehemaligen Gönner (Querelae in Lossios, 1510), arbeitete mit an den berühmten ‚Dunkelmännerbriefen‘ (1515-1517), führte eine publizistische Kampagne gegen den Mörder seines Vetters, Herzog Ulrich von Württemberg, und fokussierte sich später in zunehmend aggressiven Satiren auf die ‚Romanisten‘, d. h. den Machtapparat der römischen Kirche. Dabei nutzt er einerseits strategisch und virtuos die neuen Möglichkeiten einer druckgestützten Öffentlichkeit (u. a. im Wechsel in die Volkssprache), versuchte aber andererseits sein literarisches Engagement in gewaltsame Aktion zu verwandeln, wenn er an der Seite seines Freundes Franz von Sickingen einen ‚Pfaffenkrieg‘ zu entfesseln versuchte. Das Seminar wird parallel in der Geschichtswissenschaft und Germanistik angeboten. Es ist interdisziplinär als Kooperation beider Fächer angelegt und will sich dem Phänomen in einer Verbindung von Fragestellungen und Perspektiven beider Disziplinen annähern. Gefragt werden soll in einem exemplarischen Überblick nach Texten und Kontexten, Formen und Funktionen, Bedingungen und Konsequenzen der huttenschen Publizistik.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL.
- "Der verderbte Mönch und die lüsterne Nonne: Luthers Hochzeit im Spiegel altgläubiger Satire"
Seminar von Lisa-Marie Richter
Die Hochzeit des entlaufenen Mönches Martin Luther mit der entlaufenen Nonne Katharina von Bora im Juni 1525 bildete ein fulminantes Medienereignis: Der doppelte Bruch mit Zölibat und Klostergelübde bestätigte performativ und folgenreich die radikale Ablehnung des Mönchtums durch die Reformation und die neue religiöse Aufwertung der Ehe gegenüber der Keuschheit, zugleich machte die Eheschließung den Reformator hochgradig anfechtbar. So wird der Vorwurf sexueller Ausschweifungen insbesondere in altgläubigen satirischen Stücken, die zwischen 1525 und 1540 entstehen, narrativ entfaltet. Zu den Satiren, die das Eheleben des Paares pervertieren und als obszön brandmarken, zählen u.a. Johannes Cochläus deutschsprachiges Drama Das heimliche Gespräch von der Tragedia Johannis Hussen und Simon Lemnius neulateinische Satire Monachopornomachia (in der deutschen Übersetzung: „Mönchshurenkrieg“). Beide Texte sollen im Zentrum der Seminardiskussion stehen und mittels Methoden der historischen Semantik wie auch linguistischer Ansätze auf ihren herabsetzenden Gehalt hin analysiert und bezogen auf ihre intertextuelle/transtextuelle Beziehung untersucht werden. Darüber hinaus sollen auch gendertheoretische Perspektiven in die Seminardiskussion einbezogen werden, um den spezifisch schmähenden Charakter beider Stücke sichtbar zu machen.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL.
- "Invektive Gattungen: Elemente einer Formgeschichte der Herabsetzung"
Vorlesung von Albrecht Dröse
Die Invektive bezeichnet die rhetorische Gattung der Schmährede, das Invektive allgemeiner einen kommunikativen Modus der Herabsetzung, Abwertung und Ausgrenzung. Derartige ‚invektive‘ Phänomene sind nicht nur aktuell in Politik und Gesellschaft in erstaunlicher Fülle zu beobachten und werden etwa unter den Rubriken von sprachlicher Diskriminierung und hate speech intensiv diskutiert, sondern sie sind auch darüber hinaus epochen- und kulturübergreifend von grundlegender Bedeutung. Für eine kulturwissenschaftlich informierte Literaturwissenschaft erweist sich das Konzept der Invektivität als ein produktiver Ansatz, zugleich eröffnet die Literaturwissenschaft spezifische Perspektiven auf das Problemfeld. Eine mögliche Perspektive ergibt sich aus der Frage nach der Form, und sie lässt sich konkretisieren als Frage nach invektiven Gattungen, worunter hier zunächst allgemein wiederkehrende Formen und Muster von Herabsetzung, Beleidigung, Schmähung, Hass, Ausgrenzung etc. begriffen werden sollen. Die Vorlesung stellt diese Frage im Rahmen einer Formgeschichte der Invektive, d. h. sie setzt eine synchrone Vielfalt von invektiven Formen in ihre historischen Kontexte und denkt sie zugleich unter dem diachronen Gesichtspunkt des Formenwandels und der Formenarchive: Zu diskutieren sind in diesem Zusammenhang die ‚klassische‘ rhetorische Gattung der Schmährede, aber auch invektive Schreibweisen und Formate wie die Satire, der Streit, die ‚Lügende‘, oder auch kommunikative Gattungen wie den Witz, den Klatsch oder den Vorwurf bis hin zu neuen Mustern der digitalen Moderne wie der Wutrede oder dem Hasstweet. Die Vorlesung möchte sich hier einen Überblick verschaffen, indem sie unterschiedliche historische Muster des Invektiven analysiert und zueinander in Beziehung setzt, aber auch herkömmliche Gattungssystematiken und –geschichten unter diesem Gesichtspunkt neu reflektiert. Das Ziel ist es, eine Poetik des Invektiven in ihren ersten Umrissen zu entwerfen.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL.
- "Die wirklich wahre Wahrheit über Dr. Martin Luther … Katholische Invektiven gegen die protestantische Verehrung Luthers im 16. Jahrhundert"
Seminar von Felix Prautzsch
Trotz der reformatorischen Kritik am kirchlichen Heiligenkult – nicht zuletzt durch Luther selbst! – kommt es auf protestantischer Seite schon früh zu einer Verehrung des Reformators, die sich durchaus als Ausdruck seiner ‚Heiligung‘ verstehen lässt, die eine entsprechende Legendenbildung befördert. Für die katholische Gegnerseite ist das natürlich ein gefundenes Fressen, weil mit der Integrität der Zentralfigur der Reformation diese selbst infrage gestellt werden kann. Einer, der sich mit Inbrunst der antiprotestantischen Legendenpolemik widmet, ist der Franziskaner Johannes Nas. In seiner 1570 veröffentlichten „Quinta Centuria“ geißelt er mit hämischem Spott und in parodistischer Verkehrung gleich hundert „Evangellose warhaiten“ über das Leben Martin Luthers, den er als vom Teufel gezeugten und mit diesem Umgang pflegenden „Teufels Propheten“ entlarven will. Mit Bezug auf das Forschungsprogramm des Dresdner Sonderforschungsbereichs 1285 „Invektivität. Konstellationen und Dynamiken der Herabsetzung“ widmet sich das Seminar der Konstruktion der protestantischen Stilisierung Luthers zum Heiligen ‚neuen Typs‘ – und vor allem deren invektiver (herabsetzender) Dekonstruktion katholischerseits. In welchen sprachlich-rhetorischen Mustern vollzieht sie sich und welche inhaltlichen Argumente nutzt sie? Welche Voraussetzungen müssen für ihren kommunikativen Erfolg hergestellt werden oder erfüllt sein? Und welche Funktion erfüllt sie im Hinblick auf den interkonfessionellen Streit des 16. Jahrhunderts um die Geltung der jeweils eigenen religiösen Norm? Dazu werden wir uns mit dem theoretischen Konzept der „Invektivität“ ebenso beschäftigen wie mit den literarischen und theologisch-kulturgeschichtlichen Zusammenhängen des legendarischen Erzählens, der Heiligenverehrung und der reformatorischen Kritik daran. Insofern bietet Ihnen das Seminar eine gute Gelegenheit, die methodischen und inhaltlichen Grundlagen des Fachs in einer theoretisch fundierten – und so viel sei verraten: durchaus kurzweiligen! – Textanalyse anzuwenden und zu erweitern.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL
Wintersemester 2018/19
- "Invektiven gegen Rom – Konjunkturen eines Empörungsmusters"
Seminar von Albrecht Dröse
Rom, im Mittelalter gepriesen als ewige Stadt und Haupt der Welt, einstiger Mittelpunkt des antiken Weltreichs und Sitz des Heiligen Stuhls, war das Zentrum der westlichen Christenheit und zugleich Zentrale einer eigentümlichen Form geistlicher Herrschaft. Die Wahrnehmung Roms ist jedoch im Mittelalter und Frühen Neuzeit durchaus ambivalent. Schon früh provozierten die Ansprüche der Zentrale gewisse Ressentiments in der Peripherie, insbesondere in Deutschland. Diese richteten sich zunächst weniger gegen den durch seine spirituelle Aura geschützten Papst (den „heiligen Vater“), als vielmehr gegen die ihn umgebenden Römer und den von ihnen betriebenen kurialen Apparat. Dabei kristallisierte sich eine charakteristische invektive Topik heraus von römischer Habsucht, Arroganz und Dekadenz, die sich zuweilen zu einem antirömischen Affekt verdichtete: Rom steht dabei metonymisch für Korruption, moralische und sittliche Verkommenheit und geistliche Tyrannei. Schon weil diese Angriffe immer auch auf das religiöse Zentrum zielen, bleiben sie prekär, und es wäre verfehlt, daraus eine allgemeine und durchgängige Romfeindlichkeit im Mittelalter und Früher Neuzeit abzuleiten. Zu beobachten sind allerdings spezifische Konjunkturen und Adaptationen eines antirömischen Empörungsmusters. Die Frage des Seminars gilt den Erscheinungsformen dieser Invektiven und ihren jeweiligen historischen Orten und Konstellationen. Welche literarischen Formen bieten invektive Artikulationsmöglichkeiten? Mit welcher Resonanz ist zu rechnen? Hierbei lassen sich unterschiedliche Formen und Funktionskontexte ausmachen, die im Seminar exemplarisch untersucht werden sollen: Die satirische Verspottung der römischen Habgier im hohen Mittelalter, invektive Inszenierungen der päpstlichen Kurie im Sangspruch bei Walther von der Vogelweide oder Frauenlob, die Problematisierung der römischen Zentrale im Rahmen mystischer und prophetischer Entwürfe, die patriotische Antiromanitas der deutschen Humanisten im „Wettstreit der Nationen“, Huttens Attacken gegen die römischen „Blutsauger“, und schließlich der reformatorische Bruch mit der Papstkirche, der sich über massive antirömische Invektiven in ungezählten Flugschriften vollzog, namentlich Luthers Schmähungen der römischen Kurie als Heimstätte des Antichristen. Die antirömische Konstellation ist in ihrer kulturgeschichtlichen Tragweite kaum zu überschätzen: Sie hat nicht nur die reformatorische Theologie geprägt, sondern auch den Diskurs über nationale Identität bis in die Moderne hinein mitbestimmt.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL.
- "Das Verlachen der (un)heiligen Mönche: Satirische Schriften der Reformationszeit"
Seminar von Lisa-Marie Richter
Kuttenschlange, (Mönchs)kalb, Verführer, Sünder, Heuchler, Heilszerstörer, Seelenmörder, Stück Vieh und Teufelsdiener – so lauten u. a. die Bezeichnungen für Mönche in der Flugschriftenliteratur seit den 1520er Jahren. Zwar gab es auch vor der Reformation Kritik an klösterlichen Missständen und Verfehlungen, aber Martin Luther und seine Anhänger stellten die heilsökonomischen Praktiken des Mönchtums sowie dessen Verfügungs- und Verwaltungsfunktion über das gesellschaftliche Heilskapital grundlegend in Frage, Mönche und Nonnen seien keine Christen, sondern Anhänger und Diener des Teufels. Zahlreiche reformatorische Satiren und satirisch eingefärbte Texte der Reformationszeit inszenierten daraufhin Mönche und Nonnen als (sexuell) verderbte und boshafte Sünder/innen und versuchen so, deren Teufelsdienerschaft zu entlarven und sie dem Gelächter der Leserschaft bzw. des Publikums preiszugeben. Im Seminar wird eine Auswahl an satirischen Schriften über das Mönchtum aus der Reformationszeit im Mittelpunkt stehen. Auf diese Weise soll der sozialen Positionsverschiebung des Mönchtums im Protestantismus vom höchsten christlichen Stand zu einem unchristlichen Stand nachgegangen werden. Zudem sollen die gattungsmäßige Beschaffenheit der Satire diskutiert und die Merkmale der satirischen Schreibart erarbeitet werden.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL.
- "Gesungene Reformation. Protestantische Exegese und antikatholische Invektiven im Meistergesang des 16. Jahrhunderts"
Proseminar/Seminar von Felix Prautzsch
Der Meistergesang bezeichnet eine Gattung sangbarer Lyrik, die innerhalb von zunftartig organisierten Meistersingergesellschaften nach festen Regeln vorgetragen und bewertet wurde. Die Meistersinger waren keine Berufsdichter, sondern Handwerker und Kaufleute in den Städten vor allem im süddeutschen Raum des 15. bis 17. Jahrhunderts. Laientheologische und weltliche Wissensvermittlung, städtische Gemeinschaftsstiftung und bürgerliche Kunstübung gehen im Meistergesang ineinander über, sodass diesem ein symptomatischer Stellenwert für die frühneuzeitlichen Stadtgesellschaften beigemessen werden kann. Behandelte schon der vorreformatorische Meistergesang überwiegend geistliche Inhalte mit laientheologischem Anspruch, so wird der Meistergesang im 16. Jahrhundert – ausgehend von dem wohl bekanntesten Meistersinger Hans Sachs – zu einer fast ausschließlich protestantischen, lutherischen Angelegenheit, zum Wegbegleiter und Schrittmacher der neuen Glaubenslehre. Als ‚gereimte Theologie‘ widmet er sich nun vor allem der Versifikation der Lutherbibel und ihrer Exegese, greift bereitwillig auch die schon von der Reformation geübte Kritik am römischen Klerus und seiner moralischen Verkommenheit auf, um Stellung in den konfessionellen Auseinandersetzungen zu beziehen.
Sommersemester 2018
- "Szenen der Herabsetzung. Erscheinungsformen und Kontexte der Invektive in der vormodernen Literatur"
Vorlesung von Albrecht Dröse
Unter Invektive ist ein kommunikativer Modus von Verletzung, Abwertung und Ausgrenzung zu verstehen. Damit ein Bereich von Phänomenen umrissen, der heute im Zuge der digitalen Moderne unter den Rubriken von sprachlicher Diskriminierung bzw. hate speech neu diskutiert wird. Die Invektive bildet aber auch für die Literaturwissenschaft, nicht zuletzt für die germanistische Mediävistik einen produktiven Gesichtspunkt: Invektivität manifestiert sich bspw. in Reizreden und in literarischen Fehden, öffentlichen Schmähungen und publizistischen Attacken; Phänomene, die in einer Literaturgeschichte klassischen Zuschnitts allerdings als eher randständig behandelt werden. Diese Randzone soll in der Vorlesung ins Zentrum gerückt werden, um Erscheinungsformen und Kontexte der Invektive in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit in den Blick zu nehmen. Zu fragen ist nach den jeweiligen historischen und medialen Bedingungen der Invektiven, nach konkreten Szenen und ihren spezifischen Konstellationen, sowie den rhetorischen Strukturen und literarischen Formen, die die Invektiven ausprägen und modifizieren. Die Vorlesung versucht hier einen Überblick zu schaffen, indem sie exemplarisch unterschiedliche historische Muster des Invektiven analysiert und zueinander in Beziehung setzt. Das Ziel ist es, eine Poetik der Invektive in ihren ersten Umrissen zu entwerfen.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL.
- "Lügende!"
Seminar von Antje Sablotny
Gnade sei allein bei Gott und nicht bei den Heiligen. Im Zuge der protestantischen Legendenkritik wurde die Legende deshalb spätestens seit den 1530er Jahren als ‚Lügende‘ diffamiert. Darüber hinaus wurde die Lügende als eine Textform etabliert, deren Funktion zunächst darin bestand, die Verehrung der Heiligen infrage zu stellen, noch mehr: als Irrlehre bloßzustellen. Luther nutzte hierfür das Verfahren der ironischen und parodistischen Kommentierung der Legende vom Heiligen Johannes Chrysostomus in Marginalglossen. Solch eine Ablehnung bzw. Verhöhnung altgläubiger und fest verankerter Frömmigkeitspraxis hat ein enormes Konfliktpotential. Daher wollen wir im Seminar nicht nur die (trans-)textuellen Verfahren in den Lügenden analysieren und der komplexen Frage nachgehen, inwiefern von einer Gattung ‚Lügende‘ gesprochen werden kann, die sich zwischen Wahrheit, Lüge und Fiktion positioniert. Es gilt außerdem, ihr invektives Potential auszuloten und den Blick auf die durch sie entfaltete Eskalationsdynamik und auf ihre Funktion im Konfessionalisierungsprozess des 16. Jahrhunderts zu werfen. Hierfür ist die kontextuelle Einbettung der Lügenden etwa durch katholische Antwortpolemiken zur Verteidigung der Heiligen entscheidend.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL.
- "'Du Schwein!' Mit Tierbildern herabsetzen"
Seminar von Lisa-Marie Richter
Die Anthropomorphisierung dient in den illustrierten Flugblättern der Frühen Neuzeit häufig als Strategie zur Herabsetzung der Gegnerschaft. Die stigmatisierende Darstellung als Schwein, Wolf, Esel, etc. konnte aus politischen, sozialen und religiösen Motiven erwachsen und speist ihre polemische Bildsprache vor allem aus der Bibel, der Tierepik und der Tierfabeltradition, rekurriert jedoch mitunter auf die Verballhornung der Namen der Geschmähten. Das Seminar beschäftigt sich mit dem Einsatz von Tierdarstellungen in illustrierten Flugblättern zur Herabsetzung und Beschämung von Personen oder Personengruppen in der Frühen Neuzeit. Es untersucht verschiedene Darstellungsmodi, das Festsetzen von Darstellungstraditionen und die durch die animalisierten Darstellungen hervorgerufenen Gegenreaktionen. Zudem soll das mitunter ambige Bild-Text-Verhältnis thematisiert werden. Der Seminarschwerpunkt wird auf der Reformationszeit liegen, aber auch die Tierdarstellung des vorreformatorischen Flugblattes sowie ihre Weiterentwicklung im konfessionellen Zeitalter sollen in die Auseinandersetzung einbezogen werden.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL
Wintersemester 2017/18
- "Hate speech? Luthers Invektiven gegen die Papstkirche"
Vorlesung von Marina Münkler
Seit der Veröffentlichung seiner 95 Thesen gegen den Ablass im Oktober 1517 befand sich Martin Luther in einer offenen Auseinandersetzung mit der römischen Kirche. Luther strebte die Erneuerung dieser Kirche auf der Grundlage des Evangeliums an, die Kirche aber verlangte von ihm den Widerruf seiner Thesen und drohte ihm den Bann an. In dieser Situation veröffentlichte Luther immer weitere scharfe Angriffe gegen die Kirche, und zwar in deutscher Sprache, so dass jeder sie verstehen konnte. Dabei bediente er sich des neuen Mediums der Flugschrift, um seine invektiven Schriften zu verbreiten. Religiöse Auseinandersetzungen, die vor der Erfindung des Buchdrucks nur in kleinen, theologisch gebildeten Kreisen und in lateinischer Sprache geführt worden wären, wurden nun vor einer breiten Öffentlichkeit ausgetragen, wobei Luther seine Kritik an den Praktiken der römischen Kirche mit großer Schärfe und zahlreichen herabsetzenden Worten formulierte.
Solche Formen der Rede würde man heute als hate speech charakterisieren. Die Vorlesung geht von daher der Frage nach, welcher Formen der Invektive (herabsetzender Rede) Luther sich bediente, welche Argumente er dafür verwendete, wie die katholische Gegenseite reagierte und in welcher Weise die Modi der Auseinandersetzung die Reformation und den reformatorischen Diskurs geprägt haben. Sie beschreibt dazu die Anfänge und die frühen Jahre der Reformation sowie die wechselseitigen Angriffe von altkirchlicher und reformatorischer Seite.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL.
- "Abgott, Teufel, Eberschwein. Der Kampf um den Heiligen Benno in der frühen Reformation"
Seminar von Marina Münkler
In Anlehnung an die Vorlesung untersucht das Seminar die reformatorischen Auseinandersetzungen um die Heiligen, die in einem spektakulären Schlagabtausch gipfelten, der 1524 anlässlich der Heiligsprechung Bischof Bennos von Meißen stattfand. Nachdem Benno 1523 in Rom heiliggesprochen und die feierliche Erhebung seiner Gebeine im Meißener Dom auf den 16. Juni 1524 festgelegt worden war, veröffentlichte Luther, der schon in seinen 95 Thesen gegen den Ablass die Heiligenverehrung kritisiert hatte, eine Flugschrift mit dem Titel „Widder den newen Abgott und alten Teuffel der zu Meißen soll erhoben werden“.
Auf diesen Angriff reagierten die Altgläubigen mit drei polemischen Antworten, die sich gegen Luther richteten: Hieronymus Emsers „Antwurt auff das lesterliche buch wider Bischof Benno zu Meissen vnd erhebung der heyligen jungst außgegangen“, Augustin von Alveldts „Wyder den Wittenbergisch Abgott Martin Luther“ sowie Paulus Amnicolas Schrift „Wyder das wild Geyffernd Eber schwein Luthern, So ... sich vnderstehet mit seynem Rüssel vmbzustossen die Canonizacion Diui Bennonis vnd aller heyligen ehr erbietung zu vertilgen…“. Die TeilnehmerInnen sollen den invektiven Sprachgebrauch beider Seiten untersuchen und sich grundsätzlich mit dem Problem herabsetzender Rede befassen.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL.
- "Die Austreibung der lutherischen Narren. Dr. Thomas Murners Beschwörung des reformatorischen Popanz"
Seminar von Albrecht Dröse
In der heutigen Wahrnehmung erscheint die Literatur der Reformationszeit vor allem durch die reformatorische Bewegung, namentlich durch Martin Luther geprägt; altgläubige Stimmen werden in der Regel als rückwärtsgewandt oder schlicht langweilig ausgeblendet. Dass diese Sichtweise verkürzt ist, zeigt sich etwa an Thomas Murner, einem ebenso produktiven wie streitbaren Vertreter der antilutherischen Partei. Murner, ein Franziskanermönch aus Straßburg, hatte sich schon vor der Reformation mit seinen Narrensatiren einen Namen gemacht hat (etwa der ‚Narrenbeschwörung’, 1512) und dabei eine eigene Poetik der „schympff red“ entwickelt. Ziemlich früh und sehr entschieden bezog er dann gegen Luther Stellung – wofür er von reformatorischer Seite u. a. als „Murr-Narr“ (lautmalerisch für Katzen-Narr) verspottet worden ist. Im ‚Großen Lutherischen Narren’ (1522) verbindet Murner die persönliche Vergeltung mit einer generellen Abrechnung mit der neuen Lehre. Der ‚Lutherische Narr’ fungiert als Verkörperung der reformatorischen Bewegung, der Murner als katzenköpfiger Exorzist zu Leibe rückt. Unter seinen Beschwörungen brechen immer neue Narren aus dem unförmigen Popanz hervor. Der Text entwirft die Reformation als Narrenreigen, der in eine burleske Handlung eingebettet wird, wenn der der Murnerkater Luthers (fiktive) Tochter heiratet und den Reformator schließlich nach seinem gramgebeugten Tod dem ‚scheißhus’ überantwortet.
In seiner invektiven Dynamik veranschaulicht der Text exemplarisch die Funktionsweise einer neuen Form von Öffentlichkeit, und bietet zudem einen spannenden Einblick in zeitgenössische Deutungsmuster des reformatorischen Umbruchs.
Zur Lehrveranstaltung bei OPAL.
- "Glauben, leiden, Wunder erfahren – 'Der Heiligen Leben'"
Seminar von Antje Sablotny
Die Legende, die zu den wichtigsten Erzählgattungen des Mittelalters gehört, erzählt das Leben eines oder einer Heiligen. Nichts weniger als der Durchbruch des Heiligen im Leben eines als historisch verbürgt angenommenen Menschen ist ihr Gegenstand. Tradiert werden Legenden in Sammlungen, von denen „Der Heiligen Leben“ (um 1400) das am meisten verbreitete Legendar des Mittelalters ist. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es in deutscher Prosa verfasst ist und eine kalendarische Ordnung aufweist. Anhand ausgewählter Legenden werden Sie im Seminar nicht nur verschiedene Legendentypen kennenlernen, sondern vor allem diskutieren, wie vom Einbrechen der Transzendenz in die Immanenz erzählt werden kann. Welchen Regeln die Legende folgt, welche Form der religiösen Kommunikation sie repräsentiert und was man überhaupt unter religiöser Kommunikation verstehen kann, soll im Seminar erarbeitet werden.