Lehrveranstaltungen
Inhaltsverzeichnis
Wintersemester 2020/21
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„Identität(-en)/Identifikation(-en) - Staffelvorlesung mit Prof. Lars Koch et al.
Unter Beteiligung der literatur-/ kultur-/ medienwissenschaftlich ausgerichteten Professuren aller Philologien der Fakultät SLK geht es in der Staffelvorlesung darum, themenbezogen die unterschiedlichen Methodenrepertoires und Theoriehintergründe des fachübergreifenden Masterstudiengangs exemplarisch vorzustellen. Im Fortgang der Vorlesung wird sich dabei ein facettenreiches Bild unterschiedlicher Zugänge zum Problemkomplex von Identität(-en) und Identifikationen herausbilden, an dem abzulesen ist, dass Identität das Ergebnis historisch und kulturell variierender Praktiken und Konstruktions- und Zuschreibungsprozesse ist. Die Vorlesung wird vor diesem Hintergrund am Gegenstand Identität(en) / Identifikationen deutlich machen, wie sich gesellschaftlicher Wandel aus verschiedenen Abstraktionsgraden heraus mit kulturwissenschaftlichem Handwerkszeug beschreiben und analysieren lässt.
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„Medienkulturen des Hasses“ - BA-Seminar von Prof. Lars Koch
Das Seminar rekonstruiert aus medienkulturwissenschaftlicher Perspektive die Gefühlskultur des Hasses. Zentral ist die Frage, welche kulturellen Skripte der gesellschaftlichen Kommunikation von Hass zu Verfügung stehen, wie er also in kommunikativen Zusammenhängen als Aggressionsaffekt des Außerordentlichen erscheinen und gelesen werden kann. Es wird anhand zahlreicher Materialien zu diskutieren sein, wie Hass in der zeitgenössischen Medienkultur inszeniert, als Unterhaltung genossen, aber auch reflektiert und kritisiert wird. Grundlage hierfür ist eine Auseinandersetzung mit aktuellen Theorien medialer Affizierung und der kulturwissenschaftlichen Forschungslage zum Gefühlskomplex des Hasses.
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„Kontrollgesellschaft“ - MA-Seminar von Dr. Tanja Prokić
Mit seinem kleinen Text Postskriptum zu den Kontrollgesellschaften (1990) legte Gilles Deleuze eine Neujustierung seines Werks vor, sowie ein Fundament, um die gesellschaftliche Wende weg von der sogenannten Disziplinargesellschaft (Michel Foucault) begreiflich zu machen. Auf nur wenigen Seiten antizipiert Deleuze die toxische Verbindung von Digitalisierung und Neoliberalismus, die sich in den nächsten zehn Jahren vollziehen sollte. Die Kontrollgesellschaft, das ist jene Gesellschaft, die im Zeichen eines fortgestrittenen Neoliberalismus, das kybernetische Phantasma führerloser, aber auf Kontrolle basierter Steuerungsprozesse wahrmacht. Während in der Soziologie, der Politikwissenschaft und den Medienwissenschaften Deleuze’ Konzept von den „Kontrollgesellschaften“ mittlerweile zu einem gängigen Bezugspunkt geworden ist, bleibt in der Literaturwissenschaft bisher die Prüfung des Konzepts für die Literaturen der Gegenwart aus.
Zwar haben die Digital Humanities großflächig Berücksichtigung in den verschiedenen Philologien gefunden, nicht zuletzt im Hinblick auf eine Frage nach den Produktionsbedingungen auf dem Buchmarkt, auch der Archivierung, Distribution und der Innovation von Recherchemethoden wird große Aufmerksamkeit geschenkt. Die spezifische Frage nach der Gegenwartsliteratur, als eine, die uns nicht nur gegenwärtig ist, sondern nach der Beschaffenheit und Gegebenheit von Gegenwart im Kontext der Kontrollgesellschaft zum Gegenstand hat, wird bis dato in der deutschen Literaturwissenschaft geradezu stiefmütterlich behandelt. Allenfalls lassen sich Rückfälle in disziplinargesellschaftliches Vokabular finden. Ob diese Bestandsaufnahme, ein Phänomen der deutschen Literatur oder der deutschen Literaturwissenschaft ist, wollen wir gemeinsam in diesem Seminar herausfinden. Wir wollen die Literatur auf ihr Wissen von der Gegenwart in Bezug auf Digitalisierung, Neoliberalismus, und fluide Subjektentwürfe sowie alternative politische Modelle etc. befragen. Voraussichtlich werden zu den Primärtexten folgende Literaturen zählen: Tom McCarthy Satin Island; Benjamin Stein Replay; Juli Zeh Corpus Delicti; Sybille Berg GRM; Leif Randt Allegro Pastell.
Das Seminar ist zunächst digital geplant: Jede zweite Woche sollen schriftliche Arbeitsaufgaben (angepasst an Ihre Prüfungsleistungen) eingereicht werden, alle zwei Wochen treffen wir uns zur Diskussion (Matrix, oder Zoom) und besprechen die Lektüre (Primärtext und Sekundärtext). Je nach Seminargröße wird es evtl. möglich sein, zwei Diskussionstermine in Präsenz durchzuführen, zu denen Sie sich auch digital zuschalten können.
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Sommersemester 2020
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„Under the Influence – Figuren, Formen und Medien der Einflussnahme” - BA/MA-Seminar von Dr. Tanja Prokić
A Woman under the Influence (1974) lautet der Titel eines wunderbaren Films von John Cassavetes, der die Geschichte einer Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs und ihrer Familie erzählt. Um die manisch-depressiven Zustände seiner Frau zu beschreiben, greift der Ehemann auf die Generalformel „under the influence“ zurück. Einfluss ist die Metapher für eine unerklärliche, unkontrollierbare und nicht rückführbare Kraft, die auf Körper und Geist wirkt. Auch jenseits dieser Metapher wollen wir im Seminar mediale Szenen der Einflussnahme, aber auch Poetik, Genese und Logik solcher Szenen befragen. Nicht nur das digitale Zeitalter kennt Phänomene des Hypes, auch die Geschichte der Literatur kennt Beispiele, die unmittelbar Einfluss auf Lesende zeitigten (etwa den Werther-Effekt). Seit der Aufklärung gelten magnetistische, mesmeristische, psychologische Modelle der Einflussnahme auf Individuen und Menschenmengen als Risiko für eine aufgeklärte, moderne Gesellschaft. Lange Zeit verschwindet der Begriff aus dem Vokabular der geisteswissenschaftlichen Theorie, besonders im Zuge des Poststrukturalismus wird er gänzlich durch den flexiblen Begriff der Macht (Michel Foucault) ersetzt. Im Zeitalter des Postfaktischen, der Digitalisierung und der Postdemokratie gerät Einfluss (Influence) wieder in den Interessensfokus.
Im Seminar wollen wir an ausgewählten Beispielen (Literatur, Film, Musik, Serien, soziale Medien) gemeinsam Figuren der Einflussnahme (etwa Autor*innen, Eltern, Lehrer*innen, Stars/Ikonen, politische Führer*innen, Medienfiguren etc.) im Zusammenspiel mit Techniken (Ikonizität, Gestik, Rhetorik etc.) sowie Formen und Medien des Einflusses (Flugblatt, Film, Popkultur, Musik, Soziale Medien, Geld, Mode, Werbung etc.) analysieren
Das Seminar versteht sich als Vertiefung zur Vorlesung „Medien & Einfluss“, umgekehrt wird der Besuch der Vorlesung als Ergänzung zum Seminarbesuch empfohlen.
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- "Medien und Einfluss" - Vorlesung von Dr. Tanja Prokić
Im Fokus der Vorlesung steht der Zusammenhang von Medien und Einflussnahme. Nicht nur durch die Konjunktur der Social Media Influencer*innen erfährt der Begriff des Einflusses momentan über die Grenzen der Psychologie hinaus eine neue Karriere. Vor allem im viel diskutierten postfaktischen Zeitalter wird wieder über mediale Einflussnahme im politischen und sozialen Diskurs gesprochen. Im Rahmen der Vorlesung wollen wir einzelne Fälle von medialen Hype genauer unter die Lupe nehmen, Taktiken des (visuellen) Einflusses genauso wie Phänomene des Going Viral analysieren. Dabei sollen Anschlüsse an Theorien der Digitalisierung, zum Plattformkapitalismus genauso wie zur Kontrollgesellschaft aufgezeigt werden. Die Vorlesung gliedert sich in drei große Blöcke, so wollen wir zunächst (1) Grundfragen und Modelle der allgemeinen Medientheorie besprechen, dann auf auf den (2) Theorien rund um die Scharnierbegriffe ,Plattformkapitalismus‘ und ,Masse‘ eingehen, um schließlich (3) digitale Medienontologien (Utube, TikTok, twitter, Instagram, Pinterest, Facebook, Messenger-Dienste etc.) und ihr Potenzial zur Einflussnahme näher in den Blick zu nehmen.
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Wintersemester 2018/19
- "Hass / Literatur" - Seminar von Prof. Lars Koch
Literatur kann Hass auf der Darstellungsebene verhandeln, sie kann selbst Ausdruck von Hass sein, aber sie kann auch ein Medium bereitstellen, das Hass hinterfragbar, sichtbar und analysierbar werden lässt. Das Seminar untersucht vor diesem Hintergrund das Verhältnis von Hass und Literatur. Anhand von literarischen Beispielen unterschiedlicher historischer Situierung wird es darum gehen, Hass als einen Affekt des Außerordentlichen zu profilieren und danach zu fragen, wie literarische Texte mit der Darstellung und Motivation emotionaler Ausnahmezustände befasst sind. Der Fokus des Seminars wird auf der deutschsprachigen Literatur der Moderne liegen, daneben werden theoretische Texte aus dem Bereich der affect studies und der kulturwissenschaftlichen Emotionsforschung zu diskutieren sein.
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- "Gefühlskomplexe digitaler Medien " - Seminar von Prof. Lars Koch
Die Digitalisierung hat massive Auswirkungen auf die Kommunikations- und Wahrnehmungsweisen der Wissensgesellschaften der Gegenwart. Nicht nur was wir wissen und wie wir Wissen erwerben, ist von der Digitalisierung betroffen, auch die emotionalen Strukturen, auf denen unsere Weltwahrnehmung aufbaut, sind massiv von Digitalisierung betroffen. Das Seminar fragt vor diesem Hintergrund nach dem Verhältnis von digitalen Medien, Affekten und (kollektiver) Emotionalität. Diskutiert werden die unterschiedlichen Ausprägungen affektiver Öffentlichkeit und deren jeweilige emotionale Signaturen. Anhand kultur- und medientheoretischer Texte zu digitalen Kulturen, sozialen Medien usw. wird es darum gehen, die Gefühlskomplexe digitaler Medien (Angst, Hass, Wut auf der einen Seite und Freude, Geborgenheit und irritationsfreie Zufriedenheit auf der anderen) in ihren Ermöglichungszusammenhängen, kommunikativen Logiken und politischen Effekten genauer zu analysieren.
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- "Breaking Brecht" - Seminar von Dr. Tanja Prokić & Julius Nordheim
Mit Breaking Brecht wollen wir uns mindestens auf drei Ebenen des Bruchs bei Brecht widmen. 1) Verfahren und Motive des Bruchs ziehen sich quer durch das Werk und die Rezeption eines der größten deutschen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Bertolt Brecht hat nicht nur selbst sein Schaffen immer wieder radikal neugeordnet –
von den frühen Stücken „Baal“ (1922) oder „Trommeln in der Nacht“ (1922) im Zeichen des Expressionismus, über den ersten großen Welterfolg mit der „Dreigroschenoper“ (1928) und dem Entwurf eines „epischen Theaters“ eigener Prägung (nach der Verbrennung und dem Verbot seiner Werke in Deutschland) bis hin zum Spätwerk in der Nachkriegs-DDR. 2) Auch die für ihn prägnanten ästhetischen Verfahren der Verfremdung und Störung eines einfühlenden und auf Identifikation zwischen Publikum und Schauspielenden ausgerichteten Theatererlebnisses sprechen die Sprache eines Auf- und Umbruchs, nicht zuletzt, was die konkrete politische Ausgangssituation der Weimarer Republik anbelangt. 3) Hinzu kommt sein Rat, die überzeitliche Dauer eines Werks und seine Bewahrung zu verabschieden und mit Verweis auf ihren „Materialwert“ deren Einzelteile bedenkenlos „herauszuhacken“ und wiederzuverwenden.
Das Seminar fragt genau nach diesen Brüchen und Umbrüchen in Werk, Wirken und konkreter Praxis des gebürtigen Augsburgers und unfreiwilligen Berliners und versucht zudem anhand theoretischer, ästhetischer und gesellschaftspolitischer Reibungspunkte einen Zugriff auf Brecht zu erlangen, der die Wirkmacht seiner Konzepte im deutschen Theater wie auch in der internationalen Populärkultur auszuweisen versteht. Zur Kontextualisierung bezieht sich das Seminar dafür auch auf zeitgenössische Stimmen der 20er und 30er Jahre und spürt der medialen Breite und damit medienperspektivischen Brechungen im Hörspiel „Der Ozeanflug“ (1929) oder in Filmen wie „Mysterien eines Frisiersalons“ (1923) und „Kuhle Wampe“ (1932) nach um sich der Frage anzunähern inwiefern heute mit diesem vielfältigen Schriftsteller und Regisseur gebrochen werden kann und muss und wo es darum geht, den Materialwert einzelner Versatzstücke seines Werks zu erkennen und zu gebrauchen. Geplant sind für das Seminar mindestens ein gemeinsamer Theaterbesuch, sowie ein Blick hinter die Kulissen des Theaters im Staatsschauspiel Dresden.
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- "F for Freud" - Seminar von Dr. Tanja Prokić
1974 erscheint Orson Welles’ letzter Film. F for Fake, eine Art Dokufiktion, läutet die filmische Postmoderne ein, indem die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion ebenso verwischt wie die Parameter der Wahrheitsfindung verunsichert werden. Mit F for Fake gelingt es Welles, eine an den Idealen der Autonomieästhetik orientierte Auffassung von Originalität und Individualität, die allein für die Produktion von Kunst maßgebend scheint, als eine an unsere Erwartungshaltungen und Gewohnheiten gekoppelte vorzuführen. Orson Welles fordert sein Publikum dazu auf, die Vorstellungen von Souveränität und Individualität preiszugeben, um auf den performativen und narrativen Charakter bei der Verfertigung von Fakten zu blicken. Nichts Anderes hat Sigmund Freud mit seiner Psychoanalyse unternommen, jedoch mit weit größerem Effekt. Er ist Stichwortgeber sowie Feind der literarischen Moderne. Seine Werke lieferten der Literatur nicht nur neue Gegenstandsbereiche, sie forderten geradezu zu einer Revision des literarischen Psychologismus heraus. Im Seminar wollen wir uns einen Überblick über Freuds Werk verschaffen und nachvollziehbar machen, wie der historische Freud produktive Impulse für die Literatur gesetzt hat, wo er Deutungsverfahren der Literaturwissenschaft antizipiert und wo eine Absetzung von seiner Terminologie dringend notwendig ist. Obwohl teilweise vollkommen zurecht zahlreiche Ressentiments gegen eine psychoanalytische Literaturwissenschaft bestehen, sollen im Seminar Grundkenntnisse der Freud’schen Begriffe, sowie seiner Reflexionen über Kunst, Kultur, Literatur und die Psyche erworben werden. So wollen wir etwa das kulturgeschichtliche Phänomen des Inzestverbots in Totem und Tabu (1913) verstehen. Seine Begriffe „Wiederholungszwang“ und „Todestrieb“ in Jenseits des Lustprinzips (1920) nachvollziehen. Das Verhältnis von Masse und Individuum, wie es Freud in Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921) dargelegt hat, in Relation zu seinen Beobachtungen zur Kultur und Ich-Psychologie in den Texten Das Ich und das Es (1923) und Das Unbehagen in der Kultur (1930) verstehen. Gerade für die Literaturwissenschaft gelten insbesondere seine Ausführungen zum Unheimlichen (1919) und zum Witz (1905) als Klassiker, die zumindest eine partielle Auseinandersetzung mit Freuds Werk unabdingbar machen.
Über 100 Jahre später zählt Sigmund Freuds Werk zu jenen, die zu den großen Kränkungen des Menschen beigetragen haben. Diese Kränkung ist bis heute weder geheilt noch ist die Quelle an unerschöpflicher Kreativität, die diese Kränkung freigelegt hat, versiegt. Denn die Rede vom „Ich“, das im eigenen Haus nicht (mehr) Herr ist, hat den Rechtsdiskurs ebenso wie die Kunst, die klinische Pathologie wie die Literatur, die Ökonomie wie das Erziehungssystem nachhaltig verändert.
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Sommersemester 2018
- "Deutsch-Türkisches Migrationskino" - Seminar von Prof. Lars Koch
Das Seminar rekonstruiert anhand exemplarischer Sichtungen die Entwicklung des (post-)migrantischen Kinos in Deutschland. Ausgehend von kulturtheoretischen und migrationsgeschichtlichen Fragestellungen werden ausgewählte Filme seit den 1970er Jahren daraufhin untersucht, welche Vorstellungen von Alterität und Identität jeweils mit welchen filmischen Mitteln artikuliert werden, welche Diskurshegemonien dabei zum Ausdruck kommen und welche Repräsentationslogiken mitlaufen. Der eigentliche Fokus des Seminars liegt auf filmischen Identitätspolitiken, gleichzeitig versteht sich das Seminar aber auch als praktische Einführung in die Filmanalyse.
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„50 Jahre 1968“ - Ringvorlesung mit Lars Koch et al.
Die antiautoritäre Revolte, die sich im kollektiven Gedächtnis der Bundesrepublik mit der Jahreszahl 1968 verbindet, jährt sich 2018 zum fünfzigsten Mal. Mit dem Jubiläum steht eine intensive Auseinandersetzung mit diesem nach wie vor „heißen“ Ereignis zu erwarten. Gilt der Protest den einen als Ausgangspunkt einer Fundamentalliberalisierung der westdeutschen Bundesrepublik, die Geltung auch und gerade für das wiedervereinigte Deutschland beansprucht, wird er von anderen als Ausgangspunkt eines alle Verbindlichkeiten auflösenden Normenzerfalls und einer als totalitär angesehenen linken Diskurshegemonie gedeutet. Zwei Dinge haben sich allerdings zuletzt verändert, mit Auswirkung auf diese – für sich genommen keineswegs neuen – Narrative: Zum einen hat die kritische Lesart von „1968“ mit dem Einzug der AfD in die Parlamente eine neue Bühne und darüber einen neuen Resonanzraum erhalten; damit ist absehbar, dass in den 2018 anstehenden Debatten um die Deutung und die Bedeutung der 68er-Bewegung noch stärker als früher die heutige gesellschaftliche, politische und kulturelle Orientierung der Bundesrepublik Deutschland (mit)verhandelt werden wird. Zum anderen ist – scheinbar gegenläufig dazu – seit einiger Zeit zu beobachten, dass rechtsorientierte Gruppierungen sich Aktionsrepertoires der 68er aneignen und für ihre Zwecke nutzen. Und lässt sich der mit der sog. „Flüchtlingskrise“ aufgekommene rechte Protest, etwa in Gestalt von Pegida, nicht vielleicht sogar als neue APO deuten: als Aufbegehren gegen einen – diesmal allerdings linksliberalen – Mainstream? So spricht vieles dafür, dass „1968“ auch fünfzig Jahre danach von einer deutungsstillstellenden Historisierung weit entfernt ist; dass sich in Bezug auf dieses Ereignis sowie darauf, wie es erinnert und welche Bedeutung ihm heute gegeben wird, vielmehr neue Perspektiven abzeichnen und neue Fragen stellen.
Die vom Institut für Germanistik organisierten Ringvorlesung mit dem Titel „Fünfzig Jahre 1968“ möchte einen Anstoß geben, erneut über 1968 und die Folgen zu diskutieren. Zu Wort kommen hochkarätige Expert_innen unterschiedlicher Fachdisziplinen. Ergänzend findet zudem eine kleine Filmreihe im „Kino im Kasten“ statt.
Weitere Informationen zur Ringvorlesung.
- "Vom Aufstand gegen die sekundäre Welt" - Masterseminar von Prof. Lars Koch
Das Seminar untersucht in exemplarischen Lektüren soziokulturelle Konstellationen, ästhetische Formatierungen und politischen Implikationen konservativer Modernekritik im 20. und 21. Jahrhundert. Das Seminar setzt dabei zwei Schwerpunkte: Während zunächst in Beschäftigung der Literatur der 1920er und 1930er Jahre zentrale Denkfiguren, Topoi und ästhetische Strategien konservativer Modernekritik profiliert werden, geht es in einem zweiten Schritt um die Aktualisierungen dieser literarischen Tradition in der Zeit um und nach der Jahrtausendwende. Das Seminar will zunächst nachvollziehen, welche Sinnlücken der Moderne von Autoren wie Ernst Jünger, Hugo von Hofmannsthal, Hermann Broch oder Thomas Mann ausgemacht und literarisch-essayistisch bearbeitet werden. Im Fortgang wird es dann darum gehen, die Transformations- und Beharrungstendenzen der konservativen Literatur bei aktuellen Autoren wie Botho Strauß, Martin Mosebach, Christian Kracht oder Simon Strauß nachzuverfolgen. Zu fragen wird sein, welche Konturen einer politischen Literatur dabei sichtbar werden.
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- "Affekte" - Seminar von Dr. Tanja Prokić
Gemütsbewegungen, Triebe, Pathosformeln, Gefühle, Emotionen, Affekte – die andere Seite der Vernunft ist seit der Antike immer wieder Gegenstand von philosophischer Reflexion und ästhetischer Bearbeitung. Neuerdings erfahren insbesondere die Affekte in den Medienkulturwissenschaften erhöhte Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt die Frage nach den sozialen Medien stieß bei einer rein technizistisch orientierten Medienwissenschaft an ihre Grenzen, denn entscheidend ist ja gerade die Fähigkeit der sozialen Medien (Facebook, Twitter, Instagram etc) und ihrer Apparate (etwa das Smartphone oder das Tablet), Affekte der User*innen zu modulieren. Das Seminar nun möchte einerseits die gegenwärtigen Affekttheorien und Tendenzen affektorientierter Studien, andererseits das historische Wissen der Literatur auf die Rolle der Affekte befragen. In einer allgemeinen Einführungssitzung (12.04., 11:10-14:30) wird auf den Workshop „Affekt/ionen“ (19./20. April) im Kontext der Forschung des SFB „Invektivität“, der unterschiedliche Wissenschaftler*innen zum Thema Affekte versammelt, vorbereitet. Der Besuch des Workshops im Rahmen des Seminars ist Pflicht, hier können erste Prüfungsleistungen in Form von Protokollen abgelegt werden, die wir im Nachgang gemeinsam besprechen. In den verbleibenden Sitzungen (4 Termine, Doppelsitzungen) wollen wir gemeinsam einen Blick auf die Affekte in Philosophie (Schopenhauer), Theater (Wedekind), Film (Pabst), Biologie (Darwin), Literatur (Musil, Kafka), Fotografie (Freud, Charcot) werfen, um die Moderne als Sattelzeit der gegenwärtigen Affekttheorien zu verstehen.
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Sommersemester 2017
- "schwarz/weiß" - Seminar von Dr. Tanja Prokić
schwarz/weiß ist der markante Einband der deutschen Übersetzung von Kritik der schwarzen Vernunft (2014) des afrikanischen Philosophen Achilles Mbembe. Und auch ohne eine Zeile dieses Werks gelesen zu haben, ist ersichtlich, dass es auf einen Problembestand einer kulturwissenschaftlich un- oder unterinformierten Geisteswissenschaft verweist. Denn die Kritik ist ein dem Logos anverwandtes Unternehmen in der griechischen (critein = unterscheiden) Philosophie wurzelnd und seit jeher ein spezifisch abendländisches, und besonders seit der Sattelzeit und den drei Kritiken Kants, ein westliches, weißes (und viriles) Geschäft. Hat uns die Aufklärung (Enlightment) sehr viel helles Licht gebracht, so hat sie auch zahlreich grau schattierte Zweifelzonen eingerichtet. Als äußerst produktiv haben diese sich in der Schauerromantik und der Gothic Novel erwiesen und den von der Vernunft ausgegrenzten Themen Bereiche des Obdachs geschaffen.
Doch dass die Semantik von „Hell“ und „Dunkel“, „schwarz“ und „weiß“ spätestens mit einer Aufarbeitung der Kolonialisierungsgeschichte (und aktueller Klage gegen deutsche Kolonialverbrechen an den Herero und Nami) hätte in Verruf geraten müssen, ist in vielen Zusammenhängen bisher unbekannt und deutet auf versteckte Rassismen und gewollte Neorassismen hin. Nicht zuletzt diverse Politikerreden sind häufig von einer solchen belasteten Semantik durchdrungen und gehören einer strikten Revision unterzogen, denn das Gute, Schöne, Erhabene im Namen eines hellen und weißen Humanismus zu adressieren, verweist auf ähnliche Implikationen wie das Fremde als Dunkles, Verhülltes und Unkenntliches zu diffamieren. Auch in der politischen Aktionskunst werden Hautfarben und Semantiken bewusst und teilweise mit riskanten Implikationen eingesetzt (hierzu die Aktionen des Zentrum für politische Schönheit). Im Seminar wollen wir uns quer durch die Medien und Disziplinen (Philosophie, Ethnologie, Kulturtheorie und Essay, Literatur, Stummfilm, Tonfilm, Serie, Fotografie, Theater) den verschiedenen Konstruktionen und Dekonstruktionen von schwarz/weiß widmen. Dabei wollen wir internationale (popkulturelle) Formate im Crossmapping mit kanonisierter germanistischer Literatur vergleichen und Klassiker der Post Colonial Studies (Said, Fanon, Spivak, Bhabha) und ihre folgenreichen Einflüsse verstehen.