Forschungsprojekt zur Ökologie der Wildkatze (Felis silvestris) im Biosphärenreservat „Karstlandschaft Südharz“, Sachsen-Anhalt
Projektbearbeiter: Malte Götz; Diplomanden: Saskia Jerosch, Sebastian Roghan
Laufzeit: 2004-2007
Finanzierung/Auftraggeber: Land Sachsen-Anhalt mit Biosphärenreservat „Karstlandschaft Südharz i. G.“ und Obere Jagdbehörde; Dr. Joachim und Hanna Schmidt Stiftung für Umwelt und Verkehr
Projektbeschreibung
Der Ostharz gilt als Kernzone der norddeutschen Wildkatzenpopulation, wobei das gesamte Harzgebiet die nördlichste Verbreitungsgrenze der streng geschützten Art in Deutschland darstellt. Umliegende ehemalige Wildkatzenlebensräume werden heute vom Harz aus wiederbesiedelt, so dass dem Harz die Rolle einer Quellpopulation zukommt. Um die aktuelle Wiederausbreitung der Art zu fördern und Artenschutzmaßnahmen zu optimieren sind Kenntnisse über die Ökologie der Art erforderlich. Hierzu wurden im Biosphärenreservat „Karstlandschaft Südharz i. G.“ bisher 35 Wildkatzen, darunter erstmals auch Jungtiere, mit Senderhalsbändern markiert und zum Teil über lange Zeiträume telemetrisch beobachtet. Die Ermittlung von Überlebensraten und Mortalitätsursachen juveniler Wildkatzen bilden wichtige populationsbiologische Parameter, die in bisherigen Studien unberücksichtigt blieben.
Ziele
Die Studie soll Einblicke in die Reproduktionsökologie der Wildkatze, ihre Aktionsräume und Anforderungen an den Lebensraum sowie in ihre Nahrungsökologie liefern. Eine Evaluierung natürlicher und anthropogen bedingter Gefährdungsursachen, Angaben zur Populationsstruktur sowie die Erstellung einer aktuellen Verbreitungskarte der Art in Sachsen-Anhalt stellen weitere Ziele des Forschungsvorhabens dar.
Untersuchungsgebiet
Die Studie findet in den süd-östlichen Ausläufern der Mittelgebirgsregion Harz (Sachsen-Anhalt) statt. Das Gebiet liegt im nordöstlichen Teil des Biosphärenreservats „Karstlandschaft Südharz i. G.“ bei der Kreisstadt Sangerhausen und weist die typische, hügelige Landschaftsstruktur des Südharzes (200-420m ü.N.N.) sowie einen geringen Zerschneidungsgrad auf.
Methoden
Grundlegende Methode zur Untersuchung ökologischer Fragestellungen ist die Telemetrie. Dabei werden in Holzkastenfallen gefangene Wildkatzen mit einem Senderhalsband individuell markiert, um ihr Raum-Zeit-Muster und ihre Habitatpräferenzen zu ermitteln. Auch die Registrierung von Reproduktionsereignissen erfolgt über sendermarkierte Weibchen. Neben Videoüberwachungen an Wurfbauten wurden erstmals auch juvenile Wildkatzen mit mitwachsenden Senderhalsbändern ausgestattet, um Informationen über die Entwicklung, Überlebensraten und Mortalitätsursachen zu gewinnen. Bei der Untersuchung der Nahrungsökologie wird anhand von Mageninhaltsanalysen das Beutespektrum und durch standardisierte Untersuchungen an Kleinsäugern, der Hauptbeute der Wildkatze, die Beuteverfügbarkeit auf unterschiedlichen Habitattypen ermittelt. Ein Monitoring der Verkehrsopfer dient der Dokumentation von Unfallschwerpunkten, wobei die Todfunde gesichert werden. Sie bilden wichtiges Material für Nahrungsanalysen, Altersbestimmungen sowie weitere pathologische Untersuchungen, die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zoo und Wildtierforschung (IZW) in Berlin erfolgen. Zur Erstellung einer aktuellen Verbreitungskarte werden neben einer Fragebogenerhebung sämtliche Nachweise von Wildkatzen in Sachsen-Anhalt zusammen mit der Verwaltung des Biosphärenreservates registriert.
Ergebnisse
Reproduktionsökologie
Insgesamt wurden bisher 14 Reproduktionsereignisse von Wildkatzen mit einer durchschnittlichen Anzahl von 4 Jungtieren pro Wurf dokumentiert. Die Sterblichkeit juveniler Wildkatzen ist sehr hoch. Höchstens ein Viertel der Jungtiere erreicht das Ende des vierten Lebensmonats, an dem die Lösung vom Muttertier beginnt. Viele Jungkatzen fallen anderen Prädatoren zum Opfer.
Aktionsräume
Die Streifgebiete der Wildkatzenkater sind mit bis zu 2900 ha deutlich größer als die weiblicher Katzen mit im Mittel 664 ha. Kater verbringen häufig die gesamte Ranzzeit im Winter außerhalb ihres Kernaktionsraums. Die Aktionsräume der Katzen grenzen sich klarer voneinander ab, sie leben mehr territorial als Kater, deren Streifgebiete oft weiträumig überlappen.
Lebensraum und Nahrungsökologie
Ein wichtiges Habitat im Wildkatzenlebensraum bildet der struktur- und totholzreiche Mischwald mit einer Reihe von Versteckmöglichkeiten, in denen die Tagesruhe verbracht wird. Tagsschlafplätze werden von unterschiedlichen Wildkatzen genutzt. Auch zur Jungenaufzucht werden Waldhabitate bevorzugt aufgesucht. Gejagt werden im Wald Gelbhals- und Waldmäuse (Apodemus flavicollis, A. sylvaticus) aber auch Rötelmäuse (Clethrionomys glareolus). Auf extensiv bewirtschafteten Grünländern jagen Wildkatzen – auch am Tage und bei kalten Temperaturen - sehr erfolgreich Feldmäuse (Microtus arvalis), Erdmäuse (Microtus agrestris) und Schermäuse (Arvicola terrestris).
Gefährdungsursachen
Während Landstraßen innerhalb von Aktionsräumen als Gefahr erkannt und entsprechend gemieden werden, stellen größere Straßen für migrierende Individuen eine massive Gefährdung dar. Häufig werden jungerwachsene Wildkatzen überfahren. Forstliche Aktivitäten, wie das Verladen von Holzpoltern, das Heckseln von Energieholzmieten und die Pflanzvorbereitung auf Rodungsflächen zu ungünstigen Zeitpunkten im Frühjahr können gesamte Würfe gefährden. Die Baujagd und die Verwechselung mit wildfarbenen Hauskatzen stellen in wiederbesiedelten Gebieten, in denen nicht mit der Wildkatze gerechnet wird, jagdliche Gefährdungen dar.
Als natürliche Gefährdungsursachen konnte bei vielen Verkehrsopfern ein massiver Nematodenbefall, die Prädation von Jungkatzen durch andere Beutegreifer sowie harte Winter, in denen die Beuteverfügbarkeit eingeschränkt ist, ermittelt werden. Welchen Einfluss Krankheiten und die Prädation adulter Wildkatzen z. B. durch den Luchs haben, ist bisher ungenügend untersucht.
Verbreitung in Sachsen-Anhalt
Bei der landesweiten Verbreitungserhebung 2006 konnte eine positive Entwicklung der Harzer Wildkatzenpopulation in den letzten 5-10 Jahren festgestellt werden. So wurden Wildkatzen wieder außerhalb der geschlossenen Waldgebiete des Harzes im nördlichen und südlichen Harzvorland nachgewiesen, in denen sie lange Zeit verschwunden war.
Veröffentlichungen
Götz , M. & Roth, M. (2006): Reproduktion und Jugendentwicklung von Wildkatzen im Südharz – eine Projektvorstellung. Naturschutz in Sachsen-Anhalt, 43. Heft 1: 3-10
Götz, M. & Roth, M. (2007): Verbreitung der Wildkatze (Felis s. silvestris) in Sachsen-Anhalt und ihre Aktionsräume im Südharz. Beiträge zur Jagd- und Wildforschung, Band 32: 437-448
Götz, M. (2008): Die Wildkatze in Sachsen-Anhalt. – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Sachsen-Anhalt. e. V. (Hrsg.) Broschüre, 27 S.
JEROSCH, S., GÖTZ, M., HEIDECKE, D. & H. BOCK (2009): Road-kill pattern of the European wildcat in the lower Harz mountains (Saxony-Anhalt), Germany. –Posterbeitrag, Mammalian Biology, Special issue to volume 74, p.15
GÖTZ, M. (2009): Reproduktion und Juvenilmortalität einer autochthonen Wildkatzenpopulation im Südharz. In: Fremuth, W. Jedicke, E. Kaphegyi, T.A.M., Wachendörfer, Weinzierl, H., Hrsg., Zukunft der Wildkatze in Deutschland – Ergebnisse des internationalen Wildaktzen-Symposiums 2008 in Wiesenfelden, Initiativen zum Umweltschutz 75, Erich Schmidt Verlag, Berlin, 31-35.
GÖTZ, M., S. JEROSCH, M. ROTH (2009): Reproductive parameters of European wildcat and the importance of dead wood structures. 83rd Annual Meeting of the German Society of Mammalogy Dresden, 13 to 17 September 2009. - Mamm. biol. – Special issue to volume 74
JEROSCH, S., GÖTZ, M., KLAR, N. & M. ROTH (2010): Characteristics of diurnal resting sites of the endangered European wildcat (Felis silvestris silvestris): Implications for its conservation. - Journal for Nature Conservation 18: 45-54. doi:10.1016/j.jnc.2009.02.005
weitere:
Hupe, K.; Pott-Dörfer, B. ; Götz, M. & Semrau, M. (2004.): Nutzung autobahnnaher Habitate im Bereich der BAB7 nördlich von Seesen durch die europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) unter dem Aspekt der Lebensraumzerschneidung. – Informationsdienst Naturschutz Niedersachs. 24 (6): 266-278.
Simon, O.; Hupe K.; Götz, M. & Trinzen, M. : Die Europäische Wildkatze Felis silvestris silvestris Schreber, 1777 : Biologie und Verhalten. – Kleine Katzen – Große Räume. Tagungsband, NAH Akademie-Berichte 5; Wetzlar, NZH Verlag: 7-12
Simon, O.; Hupe K.; Götz, M. & Trinzen, M. : Methoden zur Erfassung des Erhaltungszustandes der Wildkatze im Rahmen der FHH-Richtlinie – Ein Methodenkonzept. - Kleine Katzen – Große Räume. Tagungsband, NAH Akademie-Berichte 5; Wetzlar, NZH Verlag: 79-89
Unveröffentlichte Berichte
Götz, M. & Roth, M. (2007b): Untersuchungen zur Ökologie der Wildkatze im Südharz – unv. Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben Nr. 20-01-04, Land Sachsen-Anhalt, 60 S.
Götz, M. & Roth, M (2008b): Ursachenanalyse der Jungtiermortalität von Wildkatzen im Biosphärenreservat „Südharzer Karstlandschaft i. G.“ – unv. Forschungsbericht Einzelplan 09, Kapitel 0902, Titel 685 43, Land Sachsen-Anhalt, 32 S.
Poster
Götz, M. & Roth, M. (2005): Research on the wildcat in the biosphere reserve “Karstlandschaft Südharz i. G.” – first results. – Biology and Conservation of the European Wildcat (Felis silvestris silvestris), Jan. 21st – 23rd, 2005; Fischbach/Germany.
Götz, M. & Roth, M. (2008): Reproductive Success, Development and Mortality Rate of Juvenils of free ranging European Wildcats (Felis silvestris silvestris). – 82nd Annual Meeting of the German Society of Mammalogy, 14th-17th September 2008, Vienna/Austria.
Bilder