Untersuchung zum Luchs im Ostharz (Sachsen-Anhalt)
Projektbearbeiter:
Malte Götz, Saskia Jerosch, Norman Stier
Laufzeit:
ab 2008 fortlaufend
Auftraggeber/Finanzierung:
Obere Jagdbehörde des Landes Sachsen-Anhalt
Landesjagdverband Sachsen-Anhalt e.V.
Deutscher Jagdschutzverband e.V.
Projektbeschreibung:
Ziel
Das Forschungsprojekt fokussiert auf drei thematische Schwerpunkte:
Es sollen grundlegende wissenschaftliche Daten zur Ökologie des Luchses im Harz erhoben werden. Hierbei stehen, mit Relevanz für die Berichtspflicht im Rahmen der FFH-Richtlinie, die aktuelle Verbreitung, die Lebensraumnutzung und die Abschätzung der Bestandesgröße der durch den Nationalpark Harz wiederangesiedelten Katzenart im Mittelpunkt der Untersuchungen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Ermittlung der Wechselbeziehungen zwischen Luchs und Wildkatze. Im Rahmen des von der Professur für Forstzoologie im Auftrag des Biosphärenreservates „Karstlandschaft Südharz i. G.“ 2004 – 2007 durchgeführten Forschungsvorhabens ergab sich eine hohe, durch Prädation bedingte Jungensterblichkeit der Wildkatze ohne genaue Kenntnis über das Spektrum der Beutegreifer. Da sich seit einiger Zeit ein oder mehrere Luchse in der Kernzone des Wildkatzenuntersuchungsgebietes aufhalten, stellt sich die Frage nach den Interaktionen zwischen Luchs und Wildkatze. So soll geklärt werden, ob beide Felidenarten in friedlicher Koexistenz leben, um wichtige Ressourcen konkurrieren oder durch Räuber-Beute-Beziehung interagieren.
Schließlich sollen Untersuchungen zur Nahrungsökologie des Luchses und seines Einflusses auf Beutetiere durchgeführt werden.
Die im Rahmen des Forschungsprojektes gewonnenen Ergebnisse werden dem Nationalpark Harz, als Träger des Wiederansiedlungsprojektes, in Form von regulären Zwischenberichten zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wird eine enge Kooperation mit dem Nationalpark bei der Erhebung und Auswertung von Daten zur Ökologie und Verbreitung des Luchses in Sachsen-Anhalt angestrebt.
Untersuchungsgebiet/Methoden
Als Untersuchungsraum wurde der gesamte sachsen-anhaltinische Teil des Harzes mit Ausnahme der Nationalparkflächen gewählt. Als Kernuntersuchungsgebiete sind der Ostharz und der Südostharz (bisheriges Wildkatzenuntersuchungsgebiet) geplant.
Die Verbreitungserhebung und die Abschätzung des Einflusses des Luchses auf Beutetiere sollen u. a. anhand von Riss- und Beobachtungsmeldungen aus der Jägerschaft erfolgen.
Einen weiteren methodischen Schwerpunkt des Forschungsvorhabens bildet die Telemetrie. Geplant ist die Besenderung von bis zu 10 Luchsen (mit GPS-Sendern und Sendern für die Handtelemetrie). Der für die Markierung der Tiere notwendige Fang erfolgt mit Hilfe geschlossener Holzkastenfallen wie sie bereits in der Schweiz und im Bayerischen Wald zum Einsatz kamen. Parallel dazu ist die Immobilisierung der Tiere an frischen Rissen mittels Narkosegewehr geplant.
In Übereinstimmung mit den Schweizer Forschungsprojekten dienen zur terrestrischen Telemetrie Halsbandsender der Firma Wagener (Köln). Die für die Satellitentelemetrie vorgesehenen 400g schweren GPS-Sender der Firma Vectronic wurden ebenfalls bereits erfolgreich im Bayerischen Wald verwendet.
Die Telemetrie liefert Informationen zur Lebensraumnutzung, ergänzt die Datenbasis für die Abschätzung der Größe des Luchsbestandes und bildet die Grundlage für das Auffinden von Rissen bzw. Losung für nahrungsökologische Studien. Für die Ermittlung der Interaktionen zwischen Luchs und Wildkatze kann auf den umfangreichen Datenpool zur Lebensraumnutzung der Wildkatze im Untersuchungsgebiet zurückgegriffen werden. Außerdem sollen alle Wildkatzen mit noch laufenden Sendern parallel weiter telemetriert werden, um die Lebensraumnutzung von Luchs und Wildkatze zeitgleich zu erfassen.
Direktbeobachtungen besenderter Tiere mittels Nachtsichttechnik sowie der Einsatz von Fotofallen und Videoanlagen sollen die Telemetrie ergänzen. So ist auch die Videoüberwachung von Rissen geplant. Sie ermöglicht Aussagen, wie lange und von wie vielen Tieren eine Beute genutzt wird.
Insgesamt werden mit diesem methodischen Design auch wichtige Grundlagendaten für das FFH-Arten-Monitoring erarbeitet. So wird beispielsweise erfasst, in welchen Gebieten der Luchs mit welcher Dichte in Sachsen-Anhalt mittlerweile vorkommt, und welche Fläche etablierte Tiere besiedeln. Außerdem ergeben sich Informationen zum Reproduktionserfolg und zur Mortalität, die wiederum Aussagen zur Entwicklung der Population und zur weiteren Ausbreitung der Art ermöglichen. Dies ist für die Einschätzung des Gefährdungsgrades und für Maßnahmen zum Schutz des Luchses essentiell.
Ergebnisse/Diskussion (Stand August 2012)
Im Projekt-Zeitraum 2008 bis März 2011 wurden für den Ostharz insgesamt 200 Luchs-Verbreitungsdaten registriert. Entsprechend den Standards des Arten-Monitorings der EU nach Artikel 11 und 17 der FFH-Richtlinie hat sich die jährliche Anzahl der vom Luchs besiedelten 10x10 km Rasterzellen (1xC1-Nachweis oder 2xC2-Hinweis) während der Studie vervierfacht. Während aufgrund des Monitorings im Jahr 2008 nur zwei Rasterzellen als besiedelt galten, waren es im Jahr 2010 (einschließlich Januar – März 2011) 8 Rasterzellen.
Einerseits handelte es sich bei den Verbreitungsdaten um Meldungen von Jägern, Förstern und Waldbesuchern, andererseits um im Rahmen des Forschungsprojektes erbrachte Datensätze. 81 Hinweise konnten nicht überprüft werden und entsprachen somit der SCALP-Kategorie C3. Hierbei handelte es sich überwiegend um Sichtbeobachtungen. 33 Spuren und Risse von Luchsen konnten durch eine Verifizierung der Kategorie C2 zugeordnet werden. Insgesamt 86 C1-Nachweise entstanden überwiegend durch den extensiven Einsatz von Fotofallen im Rahmen des Projektes, andere wurden mit entsprechenden Foto- oder Film-Aufnahmen von Meldepersonen erbracht (n=10).
Die Individualisierung einzelner Luchse anhand der auf Fotofallen-Bildern zu erkennenden Fellmusterung, verbunden mit einer Wiedererkennung, gelang in vier intensiver überwachten Bereichen der Reviere Friedrichsbrunn/Dambachhaus, Harzgerode und Bodenschwende. Neben einer Reihe von Luchsaufnahmen ohne Möglichkeit der Zuordnung konnten insgesamt 7 Individuen erfasst werden. Eine Luchsfähe führte im Jahr 2009 ein Jungtier, wie Fotofallenaufnahmen zwischen August und Dezember zeigten.
Bei den eindeutigen Luchsrissen handelte es sich überwiegend um Mufflons (n=15) und Rehe (n=11), aber auch Rotwild wurde in einem Fall erbeutet. Bei den Schalenwild-Beutetieren handelte es sich überwiegend um subadulte Individuen. Das erfasste Beutespektrum der Luchse umfasste eigenen Beobachtungen nach darüber hinaus Hasen und Schermäuse.
Bisher ist es nicht gelungen, einen Luchs zu besendern. Aufnahmen der an Kastenfallen installierten Fotofallen zeigten ein sehr vorsichtiges Verhalten der Luchse gegenüber den Fangkonstruktionen. Allerdings dokumentierten die Fotofallen und Schneespuren mehrmals, dass Luchse Interesse an den Lockstoffen hatten und sogar in die Falle gingen. Allerdings verließen die Luchse die Falle jedes Mal wieder, bevor sie bis zum Auslösemechanismus vorgedrungen waren.
Möglichkeiten, mit einer mobilen Kastenfalle oder mit Fußfallen an einem Riss zu fangen, ergaben sich bisher in 11 Fällen, bei denen das Beutetier zum Fundzeitpunkt nicht weiter als ¼ oder ½ genutzt worden war und mit einer Rückkehr des Luchses gerechnet werden konnte. Nur zu zwei der Risse kehrte ein Luchs zurück, wie Kameraaufnahmen und Schneespuren zeigten. In einem Fall war noch keine Falle installiert und beim zweiten wird von einer Sabotage des installierten Fangsystems ausgegangen.
Eine hohe Beutetierdichte im Ostharz scheint die Anfälligkeit gegenüber Störungen am Riss (Fallenaufbau), verbunden mit einer Aufgabe der Nahrungsressource, zu fördern. Darüber hinaus wird von einer generell sehr geringen Ausnutzung der Beutestücke ausgegangen, was auch die Tötung mehrerer Beutetiere je Rissereignis, insbesondere beim Muffelwild, erklärt.