Das IZS stellt sich vor
Das IZS verfolgt einen transdisziplinären Ansatz, bei dem die Ermittlung von Forschungsbedarfen, die Produktion von Wissen und die Anwendung neuer Lösungen, etwa zur Revitalisierung von Klein- und Mittelstädten, gemeinsam mit Akteuren der Stadt- und Regionalentwicklung geschehen. Hierfür wurden mit der Stadt Görlitz sowie mit der kommunalen Wohnungsgesellschaft dauerhafte Kooperationsvereinbarungen geschlossen. Weitere lokale Partner aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft werden regelmäßig auf Projektbasis in die Arbeit des IZS miteinbezogen.
Wie viele andere mittelstädtische Hochschul- und Forschungsstandorte haben sich auch Görlitz und Zittau in den vergangenen Jahrzehnten dynamisch entwickelt. Im Jahr 1992 wurde die Hochschule Zittau/Görlitz, damals als Hochschule für Technik und Wirtschaft Zittau/Görlitz (FH), gegründet. Im Umfeld der Hochschule, teilweise in Kooperation mit regionalen Unternehmen, ist seit den 1990er Jahren eine vielfältige Forschungslandschaft entstanden. An beiden Standorten sind heute unter anderen Einrichtungen der Leibniz-, der Helmholtz- sowie der Fraunhofer-Gesellschaft ansässig.
Die im Folgenden dargestellten fünf Thesen für eine erfolgreiche Stadtentwicklung auf Basis der Zusammenarbeit zwischen kommunaler Praxis und Wissenschaft speisen sich aus Erfahrungen, die am IZS in Görlitz in den vergangenen Jahren gesammelt wurden.
These 1: Bildungs- und Forschungseinrichtungen spielen eine wichtige Rolle für die Entwicklung peripherer und strukturschwacher Städte, weil sie Bleibe- und Zuwanderungsperspektiven schaffen.
Eine ausgewogene Raumentwicklung und gleichwertige Lebensverhältnisse sind wichtige Paradigmen der Raumordnung in Deutschland (§1 Abs. 2 ROG). Zu deren Umsetzung sind in den Ländern diverse Dezentralisierungsstrategien verfolgt worden, u. a. die Lokalisierung von Bundes- und Landeseinrichtungen sowie von Hochschulen und Forschungseinrichtungen in die Städte des peripheren Raumes. Ausgehend von der Annahme, dass Bevölkerungsverluste in peripheren bzw. peripherisierten Städten und Regionen u.a. auf fehlende attraktive Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten zurückgehen, kann eine solche Dezentralisierungsstrategie stabilisierend wirken.
These 2: Um Wirksamkeit vor Ort zu entfalten, ist eine Einbettung der Forschungseinrichtungen in den regionalen Kontext sowie die Nutzung spezifischer Standortvorteile entscheidend.
Voraussetzung für positive Effekte vor Ort scheint eine Einbettung der Forschungseinrichtungen in den regionalen Kontext zu sein. Hierzu zählt die Vernetzung und Clusterbildung mit vorhandenen, komplementären Einrichtungen aus Forschung, Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, aber auch ein Bewusstsein für den regionalen Arbeitsmarkt. Eine transparente, öffentlichkeitswirksame Kommunikation der eigenen Arbeit, in den lokalen Medien oder im Rahmen von Veranstaltungen, kann des Weiteren die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen und weitere Kooperationspotenziale eröffnen. Schließlich gilt es, die spezifischen Vorteile eines Lebens abseits der Metropolen zur Gewinnung qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hervorzuheben und zu nutzen – wie eine hohe Lebensqualität durch kurze Wege und Nähe zur Natur oder das Vorhandensein attraktiven und bezahlbaren Wohnraumes. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, bedrohen Pendelbewegungen in nahegelegene Großstädte die gewünschten Revitalisierungseffekte vor Ort - mit negativen Folgen für die Akzeptanz der Forschungseinrichtungen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Reputation der Standorte insgesamt. Vor diesem Hintergrund sind etwa die momentan geplanten großen Forschungseinrichtungen in Görlitz und Umland, die infolge des Kohleausstiegs in der Lausitz entstehen sollen, durchaus ambivalent zu sehen. Auch hierzu forscht das IZS im Rahmen eines vom BMBF-geförderten Projektes, in enger Zusammenarbeit mit den Landesregierungen Sachsens und Brandenburgs, mit Lausitzer Kommunen sowie mit der Zivilgesellschaft (https://transformation-lausitz.ioer.eu/).
These 3: Forschungseinrichtungen vor Ort können einen Beitrag leisten, um die Kapazitäten für eine zukunftsgerichtete kommunale Entwicklung zu erhöhen.
In Folge der Schrumpfungsprozesse sind u. a. in den öffentlichen Verwaltungen in erheblichem Maße Kapazitäten abgebaut worden. Gleichzeitig stehen die Gebietskörperschaften vor komplexen und sich überlagernden Herausforderungen: Demografischer Wandel, Klimaschutz und Klimaanpassung, Veränderung der Arbeitswelt und Digitalisierung, Energiewende und Strukturwandel sowie gesellschaftliche Veränderungen sind Kernanliegen einer zukunftsgerichteten Stadtentwicklungspolitik. Erforderlich zu deren Bewältigung sind ein vernetztes Denken und Handeln, der interkommunale Erfahrungsaustausch, eine intersektorale Koordinierung und Beteiligung unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure sowie die Bereitschaft, neue Wege zu gehen und experimentelle Ansätze zuzulassen. Bei all diesen Herausforderungen können Forschungseinrichtungen mit einem transdisziplinären und transformativen Anspruch wichtige Beiträge vor Ort leisten. In kleineren Städten sind kürzere (Verwaltungs-)Wege und eine überschaubare, i. d. R. mit einander bekannte, Akteurslandschaft eine günstige Voraussetzung hierfür.
These 4: Eine kontinuierliche, institutionalisierte und vertrauensvolle Zusammenarbeit ist die Voraussetzung für eine fruchtbare Partnerschaft zwischen Forschung und kommunaler Selbstverwaltung.
Kooperationen zwischen Forschungseinrichtungen und nichtwissenschaftlichen Institutionen sind häufig projektgebunden und somit nicht kontinuierlich. Eine vertrauensvolle und kontinuierliche Zusammenarbeit ist jedoch Voraussetzung für einen langfristigen und gegenseitigen Mehrwert solcher Kooperationen. Denn die Handlungslogiken und -ziele von öffentlicher Verwaltung und Wissenschaft sind durchaus unterschiedlich. Die Bewältigung der Pflichtaufgaben und die Umsetzung politischer Vorgaben stehen auf der einen Seite, das Erkenntnisinteresse und das Streben nach wissenschaftlicher Reputation durch – möglichst englischsprachige – Publikationen und internationale Konferenzbeiträge auf der anderen. Wichtig sind somit das gegenseitige Verständnis und das Anerkennen dieser Logiken. Hierfür erforderlich sind ein offener und regelmäßiger Austausch sowie die Formulierung gemeinsamer Interessen und Ziele im Rahmen einer institutionalisierten Zusammenarbeit. Auf einer solchen kooperativen Basis können Themen identifiziert werden, die gleichzeitig von praktischer und wissenschaftlicher Relevanz sind, und die somit für beide Seiten fruchtbar gemacht werden können. Darauf aufbauend lassen sich Aktivitäten planen und umsetzen, bei denen Wissen ko-produktiv generiert wird und neue Lösungen zur Anwendung gebracht werden.
These 5: Gemeinsame Experimente von Wissenschaft und Praxis können helfen, komplexe kommunale Herausforderungen zu adressieren.
Experimente sind qua Definition mit dem Risiko des Scheiterns verbunden und stehen damit zunächst im Widerspruch zu dem auf Rechtssicherheit und Effizienz ausgerichteten Verwaltungshandeln. Gleichzeitig erfordern die oben genannten komplexen Herausforderungen unkonventionelle Ansätze. Die ausbleibenden Erfolge beim kommunalen Klimaschutz etwa zeigen, dass das bisherige Instrumentarium nicht ausreicht, um den dringend erforderlichen tiefgreifenden Wandel einzuleiten. Durch die Kooperation zwischen kommunaler Praxis und Wissenschaft können Experimente besser legitimiert, gezielt an den lokalen Kontexten angepasst und in der Umsetzung kritisch beobachtet werden. Die gesammelten Erfahrungen und erzielten Verbesserungen sollten mit anderen Kommunen und mit einem wissenschaftlichen Fachpublikum geteilt werden.
Drei Projektbeispiele für experimentelle, kollaborative Ansätze im Bereich der Stadtentwicklung zwischen dem IZS und den Städten Görlitz und Zittau werden im Folgenden kurz vorgestellt. Außerdem wird auf die enge Verzahnung von Forschung und Lehre am IZS eingegangen.