Verfahren und Arbeitsprozess der AG Services Behinderung und Studium
Menschen mit Sehbehinderungen und anderen Leseeinschränkungen besitzen das Recht auf freien Zugang zu Informationen. Aus diesem Grunde wurde 2013 der völkerrechtliche Vertrag von Marrakesch beschlossen, welcher Neuregelungen in den nationalen Urhebergesetzen vorsah. In Deutschland traten diese Änderungen am 1. Januar 2019 in Kraft, was sich für Studierende und Mitarbeiter:innen der TU Dresden bei Zusammenarbeit mit der AG Services Behinderung und Studium positiv auswirkt.
Der Arbeitsprozess bei der AG Services Behinderung und Studium
Die AG SBS unterstützt sein 1990 Menschen an der TU während ihres Studiums bei der Übertragung von Lehr- und Fachmaterialien. Der Arbeitsprozess, der sich über die Jahrzehnte zusehends verfeinert hat, erschafft einen Ausgleich für die Bedürfnisse und Rechte betroffener Personen einerseits sowie den Lizenz- und Urheberrechten von Dozent:innen, Autor:innen und Verlagen andererseits.
Der Prozess gestaltet sich im Detail wie folgt:
- Klärung eines angezeigten Bedarfs
Studierende und Mitarbeiter:innen der TU Dresden, aber zeitweise auch externe Personen, nehmen in der Regel Kontakt mit der AG SBS auf. Diese unterstützt weitestgehend durch eine Übertragung von Lehrmaterialien in ein digitales, barrierefreies Format oder durch Bereitstellung von Technik und Software zur Leihe.
Bevor die AG SBS aktiv werden kann, gilt es sicherzustellen, inwiefern die Anfrage berechtigt ist und ob ein konkreter Bedarf aus Sicht inklusiver Bestrebungen vorliegt (weitere Informationen zur Sicherstellung hier). Erst dann wird mit der betroffenen Person der genaue Umfang der Unterstützung geklärt. - Beschaffung von Materialien
Als befugte Stelle (weitere Informationen zu den Rechten und Pflichten einer befugten Stelle hier) ist es die Aufgabe der AG SBS für Personen mit dem entsprechenden Bedarf barrierefreie Lösungsstrategien zu entwickeln. Dazu wird mit Dozent:innen, Bibliotheken oder Verlagen Kontakt aufgenommen, um entweder für die Person ein barrierefreies Medium zu organisieren, oder in den Besitz eines Mediums für die Aufbereitung in ein barrierefreies Format zu kommen. - Aufbereitung von Materialien
Die Aufbereitung der Materialien ist davon abhängig, in welchem Umfang Bedarf vorhanden ist. Es kann ausreichen, dass ein Fachbuch lediglich in digitaler Form vorliegen muss. Es kann aber auch notwendig sein, dass ein Medium komplett barrierefrei aufbereitet wird. Für weitere Informationen zu unserer barrierefreien Aufbereitung, besuchen Sie die Seite unseres Übertragungsservices. - Verteilung von Materialien
Die Verteilung der aufbereiteten Materialien erfolgt entweder über die von der AG SBS entwickelten Softwarelösungen oder über Dienste, die auf den Servern der TU Dresden laufen. Mithilfe einer Erklärung zu unseren Nutzungsbedingungen stellen wir sicher, dass alle Personen, die von der AG SBS Materialien oder andere Dienstleistungen erhalten, zur Einhaltung gewisser Pflichten angehalten sind. Dies ermöglicht Ihnen einerseits den rechtlichen Anspruch auf Information, und andererseits die Wahrung der Interessen der Urheber und Rechteinhaber (weitere Informationen zur Wahrung beider Interessenparteien finden Sie hier).
Sicherstellung eines Bedarfs an inklusiver Unterstützung
Die AG Services Behinderung und Studium versteht sich als Dienstleister für alle Menschen mit Behinderung und Erkrankung. Unter dieser Prämisse sind wir Ansprechpartner für alle, sowohl die betroffenen Personen, als auch Personen mit Interesse daran inklusive Maßnahmen zu fördern. Aufgrund der historischen Entwicklung sind es vor allem Studierende der TU Dresden, welche die Dienste der AG SBS in Anspruch nehmen.
Beim ersten Kontakt mit Studierenden klärt die AG SBS in der Regel zuerst die Situation, welche Bedarfe bestehen könnten und welche Ansätze zu einer Lösung von Barrieren existieren. Personen können einen Bedarf anmelden, wenn Sie durch ihre Seh- oder Leseeinschränkungen an ihrem Recht auf Bildung und Information gehindert werden. Ob eine Person berechtigterweise über einen Bedarf an inkludierenden Literaturaufbereitungen verfügt, wird in ausführlichen Beratungsgesprächen mit diversen, langjährig erfahrenen Partnern der TU Dresden geklärt. Diese prüfen anhand von ärztlichen Attesten, Bescheiden zur Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft und des Grades der Behinderung oder durch Vorlage des Schwerbehindertenausweises mit entsprechenden Merkzeichen (Bl, Tbl) sowie im persönlichen Gespräch die Notwendigkeit des Service. Unsere Partner:innen sind:
- Zentrale Studienberatung der TU Dresden
- Beauftragte für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung: Prof. Dr. Gesine Marquardt und Prof. Dr. Gerhard Weber
- Peer-Counselorin: Anja Winkler
Sobald die Grundlagen der weiteren Zusammenarbeit abgesprochen wurden, werden Strategien entwickelt, um den individuellen Bedarf der Person zu erfüllen. Dies betrifft einerseits die technologische Basis, wie andererseits auch die digitalen Möglichkeiten für barrierefreien Zugang zu Literatur, Lehrmaterialien und Prüfungen.
Rechte und Pflichten als befugte Stelle der Bundesrepublik Deutschland
Seit den frühen 90er Jahren unterstützt die AG SBS Studierende an der TU Dresden durch Übertragung von Lehrmaterialien in barrierefreie Formen. Sie ist damit eine der ältesten Dienstleistungsstellen in diesem Bereich. Mit der Urheberrechtsreform, die Anfang 2019 in Kraft trat, übernahm die AG SBS die Rechte und Pflichten einer sogenannten "Befugten Stelle". Seit dem 01.01.2021 ist die AG SBS auch als „befugte Stelle“ beim Patent- und Markenamt registriert.
Befugte Stellen sind jene Einrichtungen, die ohne gewerbliches Ziel und auf gemeinnütziger Basis für Menschen mit Seh- und Lesebehinderung einen barrierefreien Zugang zu Bildungs- und Informationsmöglichkeiten schaffen. Die Grundlage für diesen rechtlichen Rahmen liefert das Urheberrechtsgesetz der Bundesrepublik Deutschland in den Paragrafen 45a bis 45d (einsehbar unter Gesetze-im-Internet.de).
Unter dieser Regelung sind befugte Stellen dazu berechtigt, veröffentlichte Sprachwerke (Text oder Audio), grafische Aufzeichnung von Werken der Musik sowie Illustrationen jeglicher Art für Menschen mit genannten Seh- oder Lesebehinderungen in geeignete, barrierefreie Formate umzuwandeln. Diese Werke dürfen vervielfältigt werden und Menschen mit Seh- und Lesebehinderung oder anderen befugten Stellen verliehen und öffentlich zugänglich gemacht werden.
Im Gegenzug sind befugte Stellen dazu verpflichtet, ein Verfahren zu entwickeln, um diesen Prozess zeitnah und öffentlich zu dokumentieren sowie die aufbereiteten Materialien für Menschen mit Bedarf oder andere befugte Stellen zugänglich zu machen. Außerdem ist eine befugte Stelle dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um einer unrechtmäßigen Vervielfältigung oder Verbreitung der urheberrechtlich geschützten Werke entgegenzuwirken. Zudem ergeben sich durch die Verordnung über befugte Stellen nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhGBefStV) etwaige weitere Pflichten. Dazu zählt gegenwärtig (Stand November 2020) auch die Anzeige der AG SBS als befugte Stelle beim Deutschen Patent- und Markenamt. Erst nach Eingang dieser Anzeige ist die AG Services Behinderung und Studium offiziell als befugte Stelle anerkannt.
Eine Übersicht über alle befugten Stellen nach UrhG der Bundesrepublik Deutschland finden Sie auf der Seite des Deutschen Patent- und Markenamtes.
Gleichgewicht schaffen für Menschen mit Bedarf sowie Verlage und Autor:innen
Die AG Services Behinderung und Studium ist sehr um die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, Erkrankungen oder anderen Einschränkungen bemüht. Nichtsdestotrotz ist es notwendig die Interessen und Rechte aller Parteien miteinander in Einklang zu bringen.
Um Rechteinhaber:innen einerseits sowie die Menschen mit Einschränkungen andererseits gleichermaßen zu fördern und zu fordern, tritt die AG SBS als Bindeglied zwischen beiden Seiten auf. Die Arbeitsgruppe steht für die Rechte aller Parteien ein und hat zu diesem Zweck diverse Maßnahmen innerhalb des gesamten Arbeitsprozesses getroffen. Diese Maßnahmen sehen unter anderem vor, dass Materialien im Bestand der AG SBS archiviert werden, um etwaige Neubeschaffungen und -bearbeitungen zu optimieren. Dafür stellt die AG SBS sicher, dass im Falle einer Zuwiderhandlung und Missbrauch der geltenden Rechte der Verteilungsprozess nachvollziehbar und überprüfbar bleibt. Materialien werden lediglich auf den Servern der TU Dresden bzw. AG SBS abgespeichert und mit TU-Diensten oder durch Softwarelösungen der AG SBS weitergegeben. Mit den Empfängern wird eine bindende Vereinbarung getroffen, die einer Vervielfältigung entgegenwirkt.