Apfel: Begehren
Der kleine Holz-Apfelbaum [Malus sylvestris (L.)MILL.] ist ein wilder Verwandter unseres Kultur-Apfels (M. domestica BORKH.).
Welche aromatische Frucht das hebräische Wort tappuach in der Bibel botanisch meint, ist nicht ganz klar. Die meisten Übersetzer sehen darin den Apfel oder Apfelbaum, andere deuten es als Aprikose oder Pomeranze.
Das Hohelied besingt Sehnsucht und Begehren eines Liebespaares mittels Vergleichen aus der Pflanzenwelt: „Ein Apfelbaum unter Waldbäumen ist mein Geliebter unter den Burschen. In seinem Schatten begehre ich zu sitzen. Wie süß schmeckt seine Frucht meinem Gaumen! [...] Stärkt mich mit Traubenkuchen, erquickt mich mit Äpfeln; denn ich bin krank vor Liebe. Apfelduft sei der Duft deines Atems“ (Hld 2,3.5; 7,9). Keine nüchterne Beschreibung kann die Vorstellungen ausdrücken, die diese Bildrede weckt. Die Einzigartigkeit des Baumes, die Süße der Früchte und deren Duft werden zum Lob des Geliebten. Sie bringen die Freude darüber zum Ausdruck, unter vielen Menschen den einen, ganz besonderen gefunden zu haben.
In der Weisheitsliteratur ist der Apfel Sinnbild für das Besondere eines heilsamen Wortes im richtigen Moment. Ein solches Wort mag selten und oft unerwartet sein, erfreut deshalb aber umso mehr durch seinen Wert und seine Schönheit: „Wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen ist ein Wort, gesprochen zur rechten Zeit.“ (Spr 25,11).
Obstbäume stehen auch für Wohlstand und Frieden. Ihr Verlust bedeutet Armut und Hunger: „[...]ein Volk zog heran gegen mein Land, gewaltig groß und nicht zu zählen [...]. Es hat meinen Weinstock verwüstet, meinen Feigenbaum völlig verstümmelt. [...] Granatbaum, Dattelpalme und Apfelbaum, alle Bäume auf dem Feld sind verdorrt; ja, verdorrt ist die Freude der Menschen. [...] Vor unseren Augen wurde uns die Nahrung entrissen, aus dem Haus unseres Gottes sind Freude und Jubel verschwunden.“ (Joel 1, 6.7.12.16).
Eine christliche Deutung sieht im Apfel die verbotene Frucht im Garten Eden - obwohl ihn die Erzählung nicht namentlich erwähnt. Der Aspekt des Begehrens wandelt sich zur schädlichen Begierde. Der Apfel kennzeichnet den Verführer und den durch die Sünde verursachten Tod. Die Lautgleichheit im Lateinischen von mālus, Apfel, und mălus, böse, mag zu der Deutung beigetragen haben.
Ein Apfel in der Hand Jesu oder Mariens ist dagegen Sinnbild der Erlösung.
Text der Informationstafel im Botanischen Garten, © Professur für Biblische Theologie (katholisch) und Dr. Barbara Ditsch