Weihrauch: Anziehungskraft des Fernen
Der Weihrauchbaum (Boswellia sacra FLUECK.) wächst in Somalia, dem Jemen und Oman. Sein Harz entwickelt beim Verbrennen einen würzig-kräftigen Duft. Zur Gewinnung von Weihrauch ritzt man den Stamm an. Je nach Größe des Baumes treten im Lauf von einigen Wochen zwischen 3 und 10 kg des wohlriechenden Harzes aus, die eingesammelt werden können.
Ein vermutlich 3 000 Jahre alter Handelsweg verbindet die Herkunftsgebiete mit dem Orient und Palästina. Der Transport dauerte zu biblischer Zeit ca. 56 Tage. Die Händler mussten diverse Zollstationen passieren, was den Weihrauch erheblich verteuerte. Ein Pfund Harz der billigsten Sorte kostete einen durchschnittlichen Wochenlohn. Die Geschenke der Sterndeuter zu Jesu Geburt – Gold, Weihrauch und Myrrhe – waren daher wirklich königliche Gaben.
Weihrauch diente überall im Alten Orient, um Götter anzubeten, Herrscher zu ehren und Unheil abzuwenden (vgl. Num 17,11).
Das Alte Testament erwähnt das Harz im Zusammenhang mit dem offiziellen Opferkult am Heiligtum: „Der Herr sprach zu Mose: Nimm dir Duftstoffe, Staktetropfen, Räucherklaue, Galbanum, Gewürzkräuter und reinen Weihrauch, von jedem gleich viel, und mach Räucherwerk daraus [...] rein und heilig. Zerstoß einen Teil davon ganz fein, und bring davon wieder einen Teil vor die Bundesurkunde im Offenbarungszelt, wo ich dir begegnen werde; hochheilig soll es euch sein.“ (Ex 30, 34-36).
Als Zutat zum unblutigen Speiseopfer (Lev 2,1) verbrannten Priester Weihrauch morgens und abends auf einem Rauchopferaltar: „ein Feueropfer zum beruhigenden Duft für den Herrn.“ (Lev 2,2). Der Glaube an einen lebendigen, den Menschen zugewandten Gott schließt ein, dass dieser den Opferduft wahrnimmt. Private Rauchopfer waren umstritten: den einen galten sie als Mittel intensivster Kommunikation mit Gott, den anderen als Gefährdung der Alleinverehrung Gottes und Götzendienst (vgl. Ez 8,11-13).
Im Hohelied bezeichnen Düfte die exotischen Genüsse eines fernen Paradieses. „Wer ist sie [die Angebetete], die da aus der Steppe heraufsteigt in Säulen von Rauch, umwölkt von Myrrhe und Weihrauch, von allen Wohlgerüchen der Händler?“ (Hld 3,6). Eine andere Stelle beschreibt die Geliebte metaphorisch als ein Wunderland, das erkundet werden will: „Wenn der Tag verweht und die Schatten wachsen, will ich zum Myrrhenberg gehen, zum Weihrauchhügel. Alles an dir ist schön, meine Freundin; kein Makel haftet dir an.“ (Hld 4,6.7).
Text der Informationstafel im Botanischen Garten, © Professur für Biblische Theologie (katholisch) und Dr. Barbara Ditsch