Ägyptischer Lotus: Neues Leben
Der Ägyptische Lotus (Nymphaea lotus L.) ist eine Seerose. Er wächst in warmen Gewässern Afrikas und Asiens und hat mit der bekannteren „echten“ Indischen Lotosblume (Nelumbo nucifera GAERTN.) nichts zu tun.
Der Lotus war die Wappenpflanze von Oberägypten. Seine Blüten zierten die Tische der Menschen und der Götter. Steinerne Säulen in ägyptischen Tempeln enden oft in Form einer Lotusblüte.
Als besonders heilig galt der Blaue Lotus (Nymphaea caerulea SAVIGNY). Seine Blüte, die sich mit dem Sonnenaufgang öffnet und mit dem Sonnenuntergang wieder schließt, war Sinnbild des sich täglich erneuernden Sonnengottes Re, der Wiedergeburt und des Lebens. Der intensive Duft der Blüten galt als er-frischend. Die Blüte des Lotus fällt in den Spätsommer. Weil genau zu dieser Zeit Überschwemmungen fruchtbare Erde ins Niltal brachten, war sie auch Sinnbild für die Entstehung der Welt aus dem Wasser.
Im syrisch-palästinischen Raum war der Lotus (hebr. schoschan) im 1. Jahrtausend v. Chr. ein beliebtes Motiv. Im Jerusalemer Tempel erinnerte ein wie eine Lotusblüte gestaltetes Wasserbecken, das „Eherne Meer“, an die Schöpferkraft Gottes (2Chr 4,2-5).
In den Prophetenbüchern verdeutlicht der Lotus das Wiedererstehen des Landes nach der babylonischen Eroberung und Zerstörung Judas und Jerusalems 587 v. Chr. Das alttestamentliche Verständnis verbindet Volk und Land eng mit Gott. Der Verlust des Landes stellt zugleich die Gottesgemeinschaft in Frage (vgl. Ez 11,15f). Aber Gott wird „für Israel da sein wie der Tau, damit es aufblüht wie eine Lotusblume und Wurzeln schlägt wie der Libanon.“ (Hos 14,6). In der farbenfrohen Neuschöpfung des Landes zeigt Gott seine Herrlichkeit und Macht.
Im Hohelied sagt die Frau von sich: „Ich bin die Strandlilie des Scharon, die Lotusblume der Talgründe.“ Sie drückt damit ihr Können aus, Liebe und frisches Leben zu schenken. Ihr Mann bestätigt dies: „Wie die Lotusblume unter den Wüstendornen, so ist meine Freundin unter den Frauen“ (Hld 2,1f). Im Gegensatz zu seiner Geliebten erscheinen ihm die anderen Frauen öde und kümmerlich wie Gestrüpp. Wenn er den Bauch seiner Geliebten mit einem „Weizenhügel, umgeben von Lotusblumen“ vergleicht (Hld. 7,3), denkt er dabei an Fruchtbarkeit und Verführung. Der Vergleich seiner Lippen mit Lotusblüten bezieht sich auf die belebende Wirkung der Küsse (Hld 5,13). Abbildung
Text der Informationstafel im Botanischen Garten, © Professur für Biblische Theologie (katholisch) und Dr. Barbara Ditsch