Echte Walnuss: Das Erwachen der Liebe
Archäologische Funde deuten darauf hin, dass der Mensch die schmackhaften Samen der Walnuss (Juglans regia L.) seit über 9 000 Jahren verzehrt. Er führte den Walnussbaum bereits in vorgeschichtlicher Zeit aus Persien und Nordindien in den Mittelmeerraum ein. Nach Mitteleuropa kam das Gehölz vermutlich erst mit den Römern.
Da die Walnuss in Palästina nicht wild wächst, verwundertes nicht, dass sie im Alten Testament nur als Gartenpflanze erwähnt wird: „Zum Nussbaumgarten bin ich hinabgestiegen, um die Triebe am Bach zu sehen, um zu sehen, ob der Weinstocksprosst, ob die Granatapfelbäume blühen.“ (Hld 6,11).
Der Garten ist nicht nur ein Ort, wo Sträucher und Bäume Liebespaare vor neugierigen Blicken verbergen, sondern Nussbaum- und Granatapfel-garten stehen im übertragenen Sinne für die geliebte Frau. Der Granatapfel bezeichnet die Spenderin des Lebens, der Weinstock die Fruchtbarkeit. Der Nussbaum gibt dem „Garten“ – ähnlich wie fremdländische Gewürze – eine exotische Note. Der Bräutigam wartet gleichzeitig geduldig und ungeduldig darauf, dass die Liebe seiner Angebeteten sich regt und erwacht, wie die Knospen und Blüten der Pflanzen im Frühling.
Sorgfältig angelegte, reich bewässerte und dicht mit duftenden Kräutern, blühenden Sträuchern und Obstbäumen ausgestattete Gärten zählten zu den schönsten Dingen, die der Alte Orient kannte. Ein solcher Garten weckt die Erinnerung an das urzeitliche Paradies und die Sehnsucht auf ein künftiges glückliches Leben. Gartenmetaphern finden sich in fast allen Liebeslieder-Sammlungen aus altorientalischer Zeit: in sumerischen Liedern zur „Heiligen Hochzeit“ ebenso wie in altägyptischer Lyrik und auch im biblischen Hohelied des Alten Testaments.
Dem Kirchenvater Augustinus (354-430 n. Chr.) zufolge sieht das Christentum in der Walnuss auch ein Sinnbild für Jesus Christus: die grünlich-braune, derbfleischige Außenwand der Frucht steht für den Leib, das Holz der inneren Schale für das Kreuz und der Samen für die göttliche Natur des Erlösers (vgl. Sermo Dolbeau 22,25).
Text der Informationstafel im Botanischen Garten, © Professur für Biblische Theologie (katholisch) und Dr. Barbara Ditsch