Mandelbaum: Wache
Josefs Brüder nahmen Früchte der Süß-Mandel [Prunus dulcis (MILL.) D. A. WEBB.] als Geschenk und besondere Delikatesse nach Ägypten mit (Gen 43,11): Mandeln zählten zu den besten Erzeugnissen Palästinas.
Der Mandelbaum blüht in Israel im Februar, noch vor dem Austrieb der Blätter. Er kündigt damit wie ein Wächter den Frühling an. Die hebräischen Begriffe für „wachen“ (schaqad) und „Mandel“ (schaqed) haben den gleichen Wortstamm. Der Prophet Jeremia macht daraus ein Wortspiel: „Das Wort des Herrn erging an mich: Was siehst du, Jeremia? Ich antwortete: Einen Mandelzweig sehe ich. Da sprach der Herr zu mir: Du hast richtig gesehen; denn ich wache über mein Wort und führe es aus.“ (Jer 1,11f). Die Visionsschilderung verknüpft die Eigenart des Mandelbaums als „wache“ Pflanze mit der Lauterkeit Gottes, bei dem Wort und Tat übereinstimmen.
Im „Zelt der Begegnung“, dem Heiligtum des Volkes Israel während der Wüstenwanderung, trägt ein blühender Mandel-zweig über Nacht Früchte. Durch dieses Zeichen bestätigt Gott Aarons Autorität als Priester (Num 17,16-28).
Zu den alttestamentlichen Tempelgeräten gehörte ein goldener Leuchter, die Menora. Seit der Antike ist sie eines der religiösen Symbole des Judentums. Jeder der sechs Leuchterarme „soll drei mandelblütenförmige Kelche mit je einer Knospe und einer Blüte aufweisen [...]. Auf dem Schaft des Leuchters sollen vier mandelblütenförmige Kelche, Knospen und Blüten sein, je eine Knospe unten zwischen zwei Armen, entsprechend den sechs Armen, die vom Leuchter ausgehen.“ (Ex 25, 33-35). Der Leuchter stellt einen stilisierten Mandelbaum dar. In ihm verbindet sich das Lichtmotiv, Sinnbild der Gegenwart Gottes, mit dem uralten Motiv des heiligen Lebensbaumes.
Auch in der späten Weisheitsliteratur ist der Mandelbaum Allegorie der Lebenskraft – wird hier jedoch der Sterblichkeit des Menschen gegenüber gestellt: „der Mandelbaum blüht [...], die Frucht der Kaper platzt, doch ein Mensch geht zu seinem ewigen Haus“ (Koh 12,5).
Die christliche Ikonografie sieht in der Mandel ein Gleichnis für die jungfräuliche Empfängnis: Gottes Sohn wurde vom Heiligen Geist gezeugt und wuchs als Mensch in Maria heran wie ein Mandelkern in der unverletzten, harten Schale. Mittelalterliche Darstellungen zeigen Christus als Weltenherrscher in einem mandelförmigen Strahlenkranz, der Mandorla.
Text der Informationstafel im Botanischen Garten, © Professur für Biblische Theologie (katholisch) und Dr. Barbara Ditsch