Minze: Das enge Gewissen
Von den drei in Israel wachsenden Minzearten ist die Ross-Minze (Mentha longifolia L.) die häufigste. Da die Bibel das Feuchtigkeit liebende Kraut zusammen mit anderen Gewürzen nennt, baute man es möglicherweise auch in Gärten an.
Die einzige Erwähnung der Minze in der Bibel steht im Zusammenhang mit einer Kritik, die Jesus an einer trotz ihrer Strenge doch nur oberflächlichen Gesetzesinterpretation übt: „Weh euch, ihr Schriftgelehrten, ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz außer acht: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue. Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen.“ (Mt 23,23).
Der Zehnt dient als Steuer dem König (1Sam 8,15.17), dem Tempelunterhalt (Num 18,21) oder der Armenfürsorge (Dtn 14,28f). Darüber hinaus war der vom mosaischen Gesetz geforderte Tempelzehnt auch eine Gabe an Gott: „Du sollst jedes Jahr den Zehnten von der gesamten Ernte geben, die dein Acker erbringt aus dem, was du angebaut hast. Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du an der Stätte, die er auswählt, indem er dort seinen Namen wohnen lässt, deinen Zehnten an Korn, Wein und Öl und die Erstlinge deiner Rinder, Schafe und Ziegen verzehren, damit du lernst, den Herrn, deinen Gott, zu fürchten, solange du lebst.“ (Dtn 14,22f). Indem sich der Mensch zum Zehnten verpflichtet, erhofft er sich als „Gegengabe“ Gottes Segen (vgl. Gen 28,20-22).
Anfangs unterlagen nur Erträge von Getreide und Öl der Zehntpflicht. Eine Präzisierung und Erweiterung des von der Zehntvorschrifterfassten Ernteguts in der rabbinischen Literatur des 2. Jh. v. Chr. bis 1. Jh. n. Chr. dehnt die Abgabe auf Hülsenfrüchte und grüne Kräuter aus.
Im jüdischen Verständnis ist die Gabe des Gesetzes durch Gott verbunden mit der Befreiung aus der Gefangenschaft. Deshalb bindet das Gesetz nicht, sondern befreit, indem es den Menschen auffordert, seinem innersten Wesen (dem Herzen) gemäß zu handeln: „Dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir. Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten.“ (Dtn 30,11.14).
Jesus übt Kritik an der zeitgenössischen Religionspraxis. Er warnt davor, Vorschriften nur äußerlich zu befolgen und den Geist des Gesetzes im Herzen zu vernachlässigen. Er fordert, wie zuvor die Propheten, eine Neubesinnung auf Barmherzigkeit und Recht als die ursprünglich tragenden Werte. Jesus hebt die geltenden Vorschriften nicht auf, sondern radikalisiert sie.
Text der Informationstafel im Botanischen Garten, © Professur für Biblische Theologie (katholisch) und Dr. Barbara Ditsch