Olivenbaum: Fülle des Lebens
„Ich [Gott] werde für Israel da sein wie der Tau, damit es aufblüht wie eine Lilie und Wurzeln schlägt wie der Libanon. Seine Zweige sollen sich ausbreiten, seine Pracht soll der Pracht des Ölbaums gleichen und sein Duft dem Duft des Libanon.“ (Hos 14,6f).
Der Öl- oder Olivenbaum (Olea europaea L.) galt den Menschen im Mittelmeerraum seit jeher als vielseitig verwendbare Nutz-pflanze. Er kann über 1 000 Jahre alt werden. Olivenöl war in der Antike das einzige pflanzliche Speiseöl. Nachts brachte es die Lampen zum Leuchten. Aus dem harten, schön gemaserten Holz stellten Handwerker u. a. die Wächterfiguren (Cherubim) und Wandvertäfelungen im Tempel her (1Kön 6).
Nach der großen Flut, die nur Noah mit seiner Familie und den Tieren in der Arche überlebt hatte, kündete eine Taube
mit einem Ölbaumzweig im Schnabel vom Ende der Sintflut und des göttlichen Zorns (Gen 8,11). Dieses Bild hat sich bis heute als Friedenssymbol erhalten. Der Ölbaum-zweig wird zum Zeichen der Hoffnung auf eine glückliche Zukunft und Frieden. Als solches umrahmt er heute die Weltkugel im Emblem der Vereinten Nationen. Entsprechend steht der verdorrte oder gefällte Ölbaum für Not, Verzweiflung, Krieg und den Zorn Gottes (Am 4,9).
„Wohl dem Mann, der den Herrn fürchtet und ehrt und der auf seinen Wegen geht! Was deine Hände erwarben, kannst du genießen; wohl dir, es wird dir gut ergehen. Wie junge Ölbäume sind deine Kinder rings um deinen Tisch.“ (Ps 128,1f.3bf). Der Ölbaum zeigt das Wohlergehen derjenigen an, die sich rechtschaffen an Gottes Gebote halten. Er ist erneut Sinnbild für Frieden und Lebenskraft: Der Psalm malt das Glück einer altisraelitischen Familie, die gut von ihrer Hände Arbeit lebt und in eine sorgenfreie Zukunft blicken darf. Der Ölbaum kann so auch für das ganze Volk Israel stehen (Jer 11,16).
Bei der Amtseinsetzung von Königen und später auch Priestern brachten Salbungen mit aromatisiertem Olivenöl die von Gott verliehene Autorität und Heiligung zum Ausdruck: „Samuel nahm das Horn mit dem Öl und salbte David [zum König]. Und der Geist des Herrn war über David von diesem Tag an.“ (1Sam 16,13). Der Prophet Sacharja vergleicht den Hohepriester und den endzeitlichen König Israels mit Ölbäumen: „Ich hatte eine Vision: Da stand ein Leuchter, ganz aus Gold, darauf eine Schale [...]. Zwei Ölbäume standen daneben, der eine rechts, der andere links von der Schale. Das sind die beiden Gesalbten, die vor dem Herrn der ganzen Erde stehen.“ (Sach 4,2b.3.11). „Christos“ ist die griechische Übersetzung des hebräischen maschiach (Messias): „der Gesalbte (Gottes)“.
Die Liturgie der katholischen und orthodoxen Kirchen kennt die Salbung als Zeichen göttlicher Zuwendung auch heute noch.
Text der Informationstafel im Botanischen Garten, © Professur für Biblische Theologie (katholisch) und Dr. Barbara Ditsch