Zwiebel: Die schlechte Sicherheit
Vermutlich von Mittelasien aus hat die Küchen-Zwiebel (Allium cepa L.) im Laufe von über 5 000 Jahren als Gemüse, Gewürz- und Heilkraut ein weltweites Anbaugebiet erobert.
Im Alten Ägypten verzehrten die Bauarbeiter der großen Grabanlagen das bis zu 50% Zucker enthaltende Gemüse in großer Menge. Zugleich halfen die antiseptischen Wirkstoffe der Zwiebel, Infektionen unter den Arbeitern einzudämmen. Beigabenreste im Grab Tutanchamuns zeugen davon, dass man den Toten für die Reise ins Jenseits Zwiebeln als „Wegzehrung“ mitgab.
Obwohl die Zwiebel auch in Palästina/Israel ein beliebtes Gemüse war, was der Talmud vielfach belegt, erwähnt die Bibel sie nur an einer Stelle. Auf der Wanderung in der Wüste begehren die Israeliten gegen die eintönige Mannaspeise auf und sehnen sich nach den würzigen Gerichten Ägyptens zurück: „Wir denken an die Fische, die wir in Ägypten umsonst zu essen bekamen, an die Gurken und Melonen, an den Lauch, an die Zwiebeln und an den Knoblauch. Doch jetzt vertrocknet uns die Kehle, nichts bekommen wir zu sehen als immer nur Manna.“ (Num 11,5f). Das einstige Sklavenleben erscheint dem Volk nun in einem positiven Licht, die neue Freiheit wird als ungewiss und bedrohlich empfunden.
Die Bibel beschreibt Manna als körnige und süße Substanz. „Wenn bei Nacht der Tau auf das Lager fiel, fiel auch das Manna.“ (Num 11,7-9). Rückblickend deutet das Fünfte Buch Mose diese Nahrung als verlässliche Gabe Gottes, mit der er zugleich die Bereitschaft des Volkes prüfte, auf seine Fürsorge und Hilfe zu vertrauen (Dtn 8,16).
Die Herausführung des Volkes aus Ägypten unter der Führung von Mose und dessen Bruder Aaron ist von zentraler Bedeutung für Israels religiöse Identität. Die v. a. im Zweiten und Vierten Buch Mose erzählten Ereignisse bewegen sich zwischen der Bewahrung des Volkes und immer wieder aufkeimendem Widerstand gegen Gott. Weil die Israeliten daran zweifeln, dass er sein Versprechen hält, sie ins gelobte Land zu führen, muss das Volk vierzig Jahre durch die Wüste ziehen: Erst die nächste Generation soll das verheißene Land erreichen.
Das Alte Testament sieht Freiheit eng verknüpft mit Gottes Handeln. Er führt die Menschen in die Freiheit der Selbstentfaltung, bei der die Wahl zwischen Zwiebeln oder Manna nur noch zweitrangig ist. Das Gesetz, die Tora, gibt dieser Freiheit Ausdruck. Sie ist nichts „von oben“ Aufgezwungenes, sondern vielmehr „im Herzen“, d. h. im innersten Selbst (Jer 31,33).
Text der Informationstafel im Botanischen Garten, © Professur für Biblische Theologie (katholisch) und Dr. Barbara Ditsch