Prof. Otger Campàs
Das Leben bis ins kleinste Detail verstehen - das ist die Vision des Exzellenzclusters Physics of Life (PoL). Das Exzellenzcluster beschäftigt sich mit den physikalischen Gesetzen, die der Organisation des Lebens in Molekülen, Zellen und Geweben zugrunde liegen. Dafür arbeiten Wissenschaftler:innen der TU Dresden und die Kooperationspartner des Forschungsverbundes DRESDEN-concept zusammen. An diesem Exzellenzcluster sind 39 Forschungsgruppen des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG), des Max-Planck-Instituts für Physik komplexer Systeme (MPI-PKS), des Leibniz-Instituts für Polymerforschung (IPF) und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) beteiligt. Die komplexe Aufgabe, die Prinzipien der dynamischen Organisation des lebenden Zustands der Materie zu verstehen, ist in sechs Forschungsschwerpunkte gegliedert.
Prof. Otger Campàs, der 2021 an die TU Dresden berufen wurde, ist Inhaber der Professur für Dynamik von Geweben sowie Sprecher des PoL. Er leitet die Forschungsgruppe „Physik der embryonalen Selbstorganisation und Morphogenese“, ein interdisziplinäres Team, das Physik, Biologie und Ingenieurwissenschaften verbindet und versucht herauszufinden, wie sich Zellen selbst organisieren, um embryonale Strukturen aufzubauen. Das Campàs-Labor ist am MPI-CBG angesiedelt. Durch seine Forschung will Otger Campàs die kollektive Interaktionen zwischen Zellen verstehen und herausfinden, wie diese während der Embryonalentwicklung zum Aufbau von Geweben und Organen beitragen. Gemeinsam mit seinem Team hat er neuartige Techniken entwickelt, die direkte quantitative Messungen der Zell- und Gewebemechanik in multizellulären Systemen ermöglichen, unter anderem in lebenden Embryonen. Die Ergebnisse seiner Forschungsgruppen verändern den konzeptionellen Rahmen für das Verständnis grundlegender physikalischer Aspekte der lebenden Materie. Zukünftig kann dies zum Verständnis von Krankheitsprozessen beitragen und potenziell neue therapeutische Möglichkeiten schaffen.
Vier Fragen an Prof. Otger Campàs
Was bedeutet für Sie Exzellenz?
Exzellent wird ganz unterschiedlich definiert. Meiner Ansicht nach ist es das Wichtigste, sich an der vordersten Spitze des Fachgebiets zu befinden. Man kann ganz unterschiedliche Arten von Forschung betreiben, aber es gibt in diesem Bereich ein paar große, offene Fragen, die ganz offensichtlich schwieriger zu beantworten sind. Exzellenz bedeutet, dass man genau diesen Fragen nachgeht und in seinem Fachgebiet eine Vorreiterrolle einnimmt. In Dresden machen wir das perfekt. Ich persönlich halte es für äußerst wichtig, in der Forschung sehr kreativ zu sein, denn letztendlich sind es die neuen Ideen, die einen Durchbruch auf einem Gebiet bewirken. Der Schlüssel dafür liegt darin, ein sehr gutes Umfeld zu schaffen, in dem sich diese Kreativität entfalten kann. Das hängt nicht nur von den Menschen an sich ab, sondern man muss auch aktiv ein Umfeld schaffen, in dem Ideen gedeihen können. Und genau das versuchen wir im Exzellenzcluster.
Was macht Dresden für Sie zu einem besonderen Ort?
Dresden ist ein einzigartiges Umfeld für biologische Physik und die Physik lebender Systeme. Vor vielen Jahren habe ich die Entwicklung dieser neuen Welle im Bereich der quantitativen Biologie und der Physik lebender Systeme angestoßen. Dann hat sich diese Bewegung auf die TUD ausgeweitet und in Dresden ein Umfeld geschaffen, die Forschungsallianz DRESDEN-concept. Sie ist in der biologischen Physik sehr stark aufgestellt, und zwar derart, dass sie in diesem Bereich zu den weltweit leistungsstärksten Orten gehört. Das Exzellenzcluster bringt das Ganze noch einen Schritt weiter. Wenn wir das Exzellenzcluster fertiggestellt haben, wird es eines der besten Zentren für biologische Physik sein.
Was sind die Vorzüge, Teil von DRESDEN-concept zu sein?
Der Vorteil in Dresden ist, dass es viele Wissenschaftler:innen gibt, die ähnliche Interessen haben. Alle wollen zusammenarbeiten, was außerordentlich kollaborativ ist. DRESDEN-concept macht es möglich, die Ressourcen verschiedener Institutionen in Dresden und an der TUD gemeinsam zu nutzen. Für die Forschung ist das ein sehr fruchtbares Umfeld. Was die Ressourcen angeht, muss ich sagen, dass ich für meine Forschung Mikroskopie einsetze und die genomischen Einrichtungen, und all diese Dinge sind absolut spektakulär, geradezu Weltklasse.
Wie profitieren die Forschenden in Dresden voneinander?
Physik des Lebens ist ein Begriff, der alle einbezieht. Man braucht Physiker:innen, Theoretiker:innen, Experimentalwissenschaftler:innen, Biolog:innen mit unterschiedlichem Hintergrund, Informatiker:innen, Chemiker:innen und Ingenieur:innen, die die Geräte entwickeln, die wir benutzen. Diese neue Phase in der Wissenschaft, in die wir eintreten, ist außerordentlich interdisziplinär - man kann das alles nicht allein bewältigen. Deshalb ist es so wichtig, Strukturen zu schaffen, die diese Zusammenarbeit ermöglichen. Das Exzellenzcluster ist dafür perfekt geeignet, denn wir haben eine Kerngruppe von Wissenschaftler:innen, die dieses aufbauen, und dazu ein Netzwerk von Leuten aus verschiedenen Fachrichtungen, die sich alle da hinein fügen. Das ist der Schlüssel für den Erfolg: Ein Umfeld, das diese interdisziplinäre Zusammenarbeit aktiv fördert.