TUD-Sylber-Einzelvorhaben: Gemeinsames Lernen im jahrgangsgemischten Grundschulmathematikunterricht
Hintergrund
Mit einer besonderen Form heterogener Lerngruppen – dem jahrgangsgemischten Unterricht – beschäftigte sich das TUD-Sylber Einzelvorhaben „Gemeinsames Lernen im jahrgangsgemischten Grundschulmathematikunterricht“. In Sachsen rückte jahrgangsübergreifendes Lernen in den letzten Jahren stärker in den Fokus. Auf Grund demographischer Veränderungen gehen in ländlichen Gebieten die Schülerzahlen zurück und kleine ländliche Grundschulen werden vor die Wahl zwischen Jahrggangsgemischtem Untericht und Schulschließung gestellt. Darüber hinaus gibt es schon seit langem Schulen, hauptsächlich Schulen in freier Trägerschaft, die jahrgangsgemischten Unterricht aus pädagogischen Gründen umsetzen.
In jahrgangsübergreifenden Lerngruppen ist die Notwendigkeit der Differenzierung in Form verschiedener Angebote auf unterschiedlichen Anforderungsniveaus besonders groß. Dadurch ergibt sich in einem stark lehrgangsorientierten Fach wie Mathematik allerdings oft ein extrem individualisiertes und separiertes Lernen. Um gemeinsames Erkunden und Entdecken mathematischer Zusammenhänge dennoch zu ermöglichen, bieten „mathematische Lernumgebungen“ die Möglichkeit der „natürlichen Differenzierung“ (Hirt & Wälti, 2008) und damit das Potenzial für individualisiertes Lernen in der Kooperation mit anderen. Die Möglichkeit voneinander und miteinander zu lernen, indem die Schülerinnen und Schüler sich austauschen und einander helfen, ist auch eine der pädagogischen Begründungen für bewusst herbeigeführte Altersheterogenität (Wagener 2014).
Ziele
Ziel von TUD-Sylber war es, Einstellungen von Lehrkräften zu Formen jahrgangsgemischten Unterrichts zu identifizieren sowie kooperative mathematische Lernsituationen in jahrgangsheterogenen Lerngruppen zu untersuchen. Aufbauend darauf wurden mathematische Aufgaben, die ein gemeinsames Lernen ermöglichen, entwickelt sowie Aus- und Fortbildungsveranstaltungen für (zukünftige) Lehrkräfte konzipiert.
Ausgewählte Ergebnisse
Im Rahmen einer Befragung von Grundschullehramtsstudierenden an der TU Dresden konnte festgestellt werden, dass die Studierenden durchaus Stärken von jahrgangsgemischtem Unterricht sehen, sich jedoch bislang nicht ausreichend auf ein Unterrichten in jahrgangsgemischten Klassen vorbereitet fühlen. Persönliche Erfahrungen mit jahrgangsgemischtem Unterricht wirken sich leicht positiv auf die Bereitschaft von Studierenden aus, im Referendariat jahrgangsgemischt zu unterrichten. In einer Interviewstudie mit Lehrkräften, die jahrgangsgemischt Mathematik in einer sächsischen Grundschule unterrichten, zeigte sich eine tendenziell positive Einstellung zu jahrgangsgemischten Unterricht. Die Befragten erkennen viele Vorteile, v. a. für die Schülerinnen und Schüler. Sie benennen jedoch auch den hohen Aufwand für die Lehrperson als Nachteil jahrgangsgemischten Unterrichts.
Alles in allem deuten die Aussagen der Lehrpersonen darauf hin, dass viele der genannten Herausforderungen nicht speziell mit dem jahrgangsgemischten Unterrichten verbunden sind, sondern generell mit der Umstellung auf neue, offenere Unterrichtsformen.
Um Lehramtsstudierende auf das Unterrichten in jahrgangsgemischten Lerngruppen vorzubereiten, wurden Lehrveranstaltungen konzipiert und durchgeführt, in denen eine Verzahnung von Theorie und Praxiserfahrungen stattfand. Die Studierenden sollten auf diese Weise für die Heterogenität von Schülerinnen und Schülern sensibilisiert und an unterschiedliche didaktische Konzepte herangeführt werden. Zentrales Element der Seminare war die Entwicklung, Erprobung und Reflexion von reichhaltigen Aufgaben (substantiellen Lernumgebungen), die gemeinsame Lernsituationen von Kindern unterschiedlicher Jahrgänge ermöglichen sollen. Diese Art der Lehrveranstaltung bietet auch über das Thema Jahrgangsmischung hinaus die Möglichkeit, Studierende auf den Umgang mit heterogenen Lerngruppen vorzubereiten.
Gemeinsam mit Studierenden wurden Lernumgebungen entwickelt, erprobt und reflektiert, die speziell auf jahrgangsgemischtes Lernen im Fach Mathematik ausgerichtet sind. Gemeinsam mit Prof. Dr. Beat Wälti (PH Bern) entsteht ein zweibändiges Lehrbuch, in dem verschiedene kooperative Aufgaben für jahrgangsgemischte Lerngruppen präsentiert werden (Veröffentlichung vorauss. 2020/2021).
Verwendete Literatur:
Hirt, U. & Wälti, B. (2008). Lernumgebungen im Mathematikunterricht. Natürlich differenzieren für Rechenschwache bis Hochbegabte. Seelze: Klett-Kallmeyer.
Wagener, M. (2014). Gegenseitiges Helfen: soziales Lernen im jahrgangsgemischten Unterricht. Wiesbaden: Springer
Publikationen (Auswahl)
- Wälti, B., Schütte, M., & Friesen, R.-A. (i. V.). Mathematik kooperativ spielen, üben und begreifen. Lernumgebungen für heterogene Gruppen (Schwerpunkt 3. bis 5. Schuljahr bzw. 5. bis 7. Schuljahr). Seelze: Friedrich Verlag.
- Friesen, R.-A. (2019, i.V.). Partizipation an kollektiven Lernsituationen in jahrgangsgemischtem Unterricht - eine mathematikdidaktische Perspektive. In N. Skorsetz, Irina Bonanati & D. Kucharz, Diversität und soziale Ungleichheit – Herausforderungen an die Integrationsleistung der Grundschule. Wiesbaden: Springer VS.
- Friesen, R.-A., Ludes-Adamy, P. & Schütte, M. (2018). Jahrgangsgemischter Mathematikunterricht - Einstellungen und Konzepte von Lehrkräften und Studierenden in Sachsen. In Fachgruppe Didaktik der Mathematik der Universität Paderborn (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2018 (S. 2073 - 2074). Münster: WTM-Verlag. Online: https://eldorado.tu-dortmund.de/bitstream/2003/37335/1/BzMU18_FRIESEN_JaMu.pdf
- Friesen, R.-A. (2017). Kollektives Mathematiklernen im jahrgangsgemischten Grundschulunterricht. In Beiträge zum Mathematikunterricht 2017. Münster: WTM-Verlag. (http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-18447)
Leitung
Prof. Dr. Marcus Schütte
Professur für Grundschulpädagogik/Mathematik
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Rachel-Ann Friesen
Peter Ludes-Adamy