TUD-Sylber-Einzelvorhaben: Professionelle Aufgabenkultur in der Lehrerbildung
Hintergrund
Den Ergebnissen der COACTIV-Studie (Kunter, Baumert et al., 2011) zufolge, findet in deutschen Schulen zu selten kognitiv aktivierender und selbständigkeitsfördernder Unterricht statt. Dies zeigt sich insbesondere anhand des im Unterricht verwendeten Aufgabenmaterials. So werden Aufgaben von zu vielen Schülerinnen und Schülern als bloße Aufträge verstanden, die ausschließlich abzuarbeitende „Pensen“ darstellen und nur einen vorgegebenen Lösungsweg haben, der durch Finden und nicht durch Nachdenken bestritten werden kann (Leuders, 2015). Aktuell werden vermehrt Anstrengungen unternommen, Aufgaben zu konstruieren, die die Problemlösefähigkeit der Schülerinnen und Schüler stärken sollen. Diese Aufgaben werden jedoch durch Lehrende im Unterricht kaum ausgewählt, da diese lieber Aufgaben nutzen, die klare Lösungskriterien haben und sich mit dem Einschleifen von Handlungsabläufen beschäftigen (Kaur, 2010), anstatt Lernende vor Herausforderungen zu stellen. Eine andere Betrachtung von Aufgaben wäre jedoch nötig, damit Aufgaben ihren vielversprechenden Anspruch erfüllen können und wirklich Katalysatoren von Lernprozessen darstellen (Thonhauser, 2008).
Ziele
Zukünftigen Lehrpersonen soll vermittelt werden, wie Aufgaben unterschiedlicher Anforderungsprofile für Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Voraussetzungen systematisch ausgewählt, konstruiert, eingesetzt und deren Bearbeitungsergebnisse interpretiert werden können. Damit soll angehenden Lehrinnen und Lehrern die Betrachtung von Aufgaben als zentralen Teil des Unterrichtsgeschehens nahe gelegt und damit perspektivisch die vorherrschende „Aufgabenkultur“ in den Schulen verändert werden. Dazu soll während der Projektlaufzeit eine entsprechende Veranstaltung für Lehramtskandidaten konzipiert, umgesetzt und evaluiert werden.
Aktueller Projektstand
Die Veranstaltung zu den oben benannten Zielen wurde in den ersten Projektmonaten vollständig durch ein Trainingskonzept untermauert, welches mehrfach mit Experten im Bereich der Pädagogischen Psychologie, der allgemeinen Didaktik und verschiedener Fachdidaktiken diskutiert und anschließend modifiziert wurde. Die Tatsache, dass es sich nicht um ein herkömmliches Seminar handelte sondern um ein Training, spiegelt sich vor allem in den Angaben der Teilnehmenden zur Eigenaktivität wider. Die weiteren Ergebnisse der Evaluation bezüglich der Zufriedenheit der Teilnehmenden mit dem Angebot sowie bezüglich deren Vor- und Nachwissen legen überdies nahe, dass die Veranstaltung eine deutliche Bereicherung für die Studierenden in einem bisher zu wenig adressierten unterrichtlichen Handlungsfeld darstellt.
Aus psychologischer Perspektive wurden bisher außerdem ein heuristisches Kompetenzmodell zur Aufgabenkultur sowie ein Prozessmodell der Aufgabenbearbeitung auf der Grundlage selbstregulierten Lernens innerhalb der Projektlaufzeit erarbeitet. Insbesondere wurden zentrale Wirkfaktoren von Aufgabenkultur so operationalisiert, dass sie beim Aufgabeneinsatz in der Praxis konkret gestaltet werden können. Dazu zählen u.a. die strikte Trennung von Aufgabenanforderungen und den Voraussetzungen der Lernenden, Trainingsangebote für (künftige) Lehrende zur Konstruktion kohärenter Aufgabensets sowie Interventionsbeispiele für die direkte und indirekte Förderung selbstregulierten Lernens. Auf Basis dieser Modelle kann sowohl die Wirkung von Aufgaben besser geplant als auch die Hürden bei der Verwirklichung einer lern- und motivationsförderlichen Aufgabenkultur prospektiv vorweg genommen werden. Diese Modellentwicklungen wurden im Rahmen mehrerer Konferenzen vorgestellt und aufgrund des Feedbacks von Experten modifiziert.
Darüber hinaus wurde das im Projekt erworbene Erfahrungswissen aktiv mit anderen KollegInnen aus Universitäten, aber auch aus Schulen geteilt. Beispielsweise hatte die Professur für die Psychologie des Lehrens und Lernens innerhalb zweier Workshops sowohl TU-interne als auch externe VertreterInnen aus der Bildungswissenschaft, den Fachdidaktiken, verschiedenen Fachwissenschaften und Schulen zu Gast, mit denen Projektergebnisse und allgemeine Entwicklungen im Bereich der Aufgabenkultur intensiv diskutiert wurden. Dabei unterstreicht die große Anzahl an Akteuren, die an diesen Veranstaltungen aktiv mitgewirkt haben, die Wichtigkeit des Themas für die Lehrerbildung.
In der Restlaufzeit werden die oben benannten Ergebnisse systematisch mit den Ergebnissen aus dem Einzelvorhaben 3.1: Training unterrichtlichen Handelns zusammengeführt.
Leitung
Prof. Dr. Hermann Körndle
Professur für Psychologie des Lehrens und Lernens
Mitarbeiter
Dr. Gregor Damnik