Dr.-Ing. Sibylle Schieszl
Geboren: 7. April 1918, in: Dresden
Gestorben: 14. Februar 2010, in: Torekov/Schweden
Fakultät: Physik
Akad. Titel: Dr. Ing.
Sibylle von Schieszl wurde 1918 als Tochter von Martha und Walther Schieck, dem späteren letzten sächsischen Ministerpräsidenten der Weimarer Republik, in Dresden geboren. Sie leistete 1937 den für jungen Frauen obligatorischen „Reichsarbeitsdienst für die weibliche Jugend“ ab. Es folgt eine kurze Zeit der Berufstätigkeit bei der Firma Zeiss Ikon AG, ehe sie 1940 ihr Studium der Physik an der damals noch Technischen Hochschule Dresden begann.1
Während des Studiums arbeitete sie als Hilfsassistentin und führte Physik-Praktika durch. Nach ihrem Abschluss im November 1943 arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin am Physikalischen Institut. Ihre bei Prof. Dr.-Ing. Enno Heidebroek, dem späteren Rektor der Universität, begonnene Doktorarbeit rettete sie nach den Bombenangriffen auf Dresden aus dem zerstörten Universitätsgebäude am Bismarckplatz (heute Friedrich-List-Platz).
1944 heiratete sie Karl Theodor Schieszl von Buda, der im April 1945 eingezogen wurde und in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet. Am 3. Juli 1945 kam die gemeinsame Tochter zur Welt.
Sibylle von Schieszl bekam das Angebot einer erneuten Anstellung an der THD und promovierte 1948 zum Thema „Versuche zur Klärung der Gültigkeitsgrenzen der Hydrodynamik in dünnen Schmierölschichten“. Bis 1950 war Sibylle von Schieszl planmäßige Assistentin am Physikalischen Institut. Anschließend arbeitete sie an der THD als Oberassistentin am Institut für Elektrochemie unter Professor Schwabe.
Diesem wurde 1952 eine Liste zugespielt, auf welcher die Namen von 20 Studierenden standen, denen auf Grund einer Denunziation eine Verhaftung drohte. Professor Schwabe gab diese Liste an Sibylle von Schieszl weiter, da er meinte, selbst nichts tun zu können. Diese entschied, die Betroffenen zu warnen. Sie setzte zunächst ihren Mann, der zwischenzetlich aus der Kriegsgefangenschaft zurück gekehrt war, in Kenntnis und fuhr dann einzeln zu allen Studierenden, deren Namen auf der Liste standen, wissend, dass sie in der DDR nicht länger würde bleiben könnten.
Um selbst einer Verhaftung zu entgehen, floh Sibylle von Schieszl mit ihrer Familie am 18. November 1952 nach West-Berlin. Es folgte die Anerkennung als politische Geflüchtete. Von West-Berlin aus zog sie mit ihrer Familie nach Mannheim, wo Sybille von Schieszl mehrere Jahre im Zentrallabor der US Army Procurement Group arbeitete.
1956 erfolgte ihre Anstellung im Volkswagen-Konzern in Wolfsburg. Sie leitete dort das Labor für Anorganische Chemie. Eine ihrer Aufgaben war der Aufbau der Abteilung für zentrale Schadensermittlung. 1972 wurde sie zur Hauptabteilungsleiterin der Qualitätsförderung befördert. Damit war sie die erste Frau, die im VW Konzern eine leitende Position innehatte. Sibylle von Schieszl trat 1979 in den Ruhestand. Bis dahin engagierte sie sich maßgeblich für aktive Qualitätspolitik.
Neben ihrem Einsatz für eine aktive Qualitätpolitik im VW Konzern, setzte sie sich zudem für die internationale Vernetzung von Akademikerinnen ein und war seit 1963 Gründungsmitglied von „Soroptimist International“, einer Frauenorganisation, die Austausch unter berufstätigen Frauen fördert.
1990 zog Sibylle von Schieszl zu ihrer in Schweden wohnhaften Tochter um, wo sie 2010 verstarb. 2015 wurde ihr ein Frauenort im Wolfsburger Wissenschaftszentrum phæno gewidmet.
Fußnoten
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Während ihres Studiums war sie Mitglied im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund. Unterlagen des Universitätsarchivs der TUD belegen, dass ab 1940 ein förmlicher Zwang bestand bei Antritt eines Studiums dem NSDStB, bzw. dessen Ableger für Studentinnen, der Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen, beizutreten.