Dr. rer. techn. Ingeborg Ginzel
Geboren: 28.10.1904, in: Dresden
Gestorben: 14.11.1966, in: Lonon
Fakultät: Mathematik und Physik
Akad. Titel: Dr. rer. techn.
Ingeborg Ginzel wurde am 28. Oktober 1904 in Dresden, als Tochter des Landesdirektors Dr. Alexander Ginzel und Margarete Gertrud Ginzel geboren. Von 1911 bis 1914 besuchte sie die 10. Bürgerschule in Dresden. Darauf folgte der Besuch der höheren Mädchenschule am Lehrerinnenseminar von 1914 bis 1918. Es handelte sich dabei um eine regelgymnasiale Studienanstalt mit Betonung von Mathematik und Naturwissenschaften. Von 1918 bis 1924 besuchte sie die 6-stufige Studienanstalt in Dresden. Nach dem Abitur begann Ginzel ab dem Sommersemester 1924 ein Studium der Versicherungswissenschaft an der Technischen Hochschule in Dresden. Während ihres Studiums verbrachte sie das Sommersemester 1926 an der Universität Tübingen.
Ihren ersten Studienabschluss erhielt Ginzel mit der Prüfung für Versicherungstechniker am 19. Dezember 1927. Am 13. Juni 1929 erhielt sie ihr Lehramtsstaatsexamen in den Fächern reine Mathematik, angewandte Mathematik und Physik. Im Juni 1930 reichte sie ihre Dissertation Die konforme Abbildung durch die Gammafunktion ein, welche 1931 in der bedeutenden Zeitschrift Acta Mathematica erschien. Es folgten weitere Publikationen zu diesem Thema in der Zeitschrift Deutsche Mathematik. Ginzels Arbeiten über konforme Abbildungen wurden auch nach 1945 anerkennend hervorgehoben. Ihr konkretes Verfahren zur Berechnung des Strömungsverlaufs in Randgebieten war zudem höchst aktuell und von großer praktischer Relevanz.
Als Ginzel ihre Dissertation einreichte war sie zunächst Studienreferendarin im höheren Schuldienst Sachsens und legte im Sommersemester 1930 die pädagogische Prüfung für den höheren Schuldienst ab. Ferner war sie auch weiterhin wissenschaftlich tätig.
Zur Zeit des Nationalsozialismus waren die Chancen auf eine Festanstellung im höheren Schuldienst generell schlecht. Für Ginzel bedeutete dies einen dauerhaften Wechsel in die Luftfahrtforschung. Sie erhielt zunächst eine Anstellung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Strömungsforschung, das 1925 in Göttingen eröffnet wurde. Zwischen 1937 und 1949 publizierte Ginzel zehn wissenschaftliche Arbeiten in Göttingen sowie Gemeinschaftarebiten mit Irmgard Flügge-Lotz und Hubert Ludwieg. Diese befassten sich mit den Krümmungseigenschaften von Profilen, Berechnung von Auftriebsverteilungen, Grenzschichten und der Tragflügeltheorie. Die gemeinsam mit Irmard Flügge-Lotz publizierte Arbeit (1939 und 1940) erfuhr besonders große Aufmerksamkeit. Darin beschäftigten sich die Wissenschaftlerinnen mit einer durch Geradenstücke angenäherten Flügel-Ruder-Kombination mit Spalt, welche in den Folgejahren mehrfach hervorgehoben wurde. Zu Ihrer Zeit in Göttingen berichtet Ingeborg Ginzel später: "„It was a world of men, but two or three women were accepted. Never in my career have I encountered any difficulty because I was a woman.“ (Dobbin 1958, S.5).
Zusammen mit anderen Mitarbeitenden der Aerodynamischen Versuchsanstalt und des Instituts für Strömungsforschung in Göttingen arbeitete sie an der Zusammenstellung der Ergebnisse der deutschen Luftfahrtforschung von 1939 und 1945. Es entstanden weitere Publikationen in der Zeitschrift für angewandte Mathematik und Mechanik (1949). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland alle Einrichtungen geschlossen, die maßgeblich der Rüstungsforschung gedient hatten, was für Ginzel einen erneuten Berufswechsel bedeutete. Denjenigen, die ihre Tätigkeit in der Luftfahrtforschung fortsetzen wollten blieb unter anderem die Möglichkeit ihre Forschung im Ausland zu betreiben. Ginzel erhielt 1949 eine Stelle des Admiral Research Laboratory in Teddington, nahe London. Vier Jahre später wechselte sie zur nach Baltimore in die USA und arbeitete dort als senior engineer im „Flight vehicles research department“ und galt als Spezialistin für „wing design“ (Tragflügelforschung).
Ein, in der Zeitschrift The Sun in Baltimore am 13. Juli 1958 erschienenes Portrait, zeigt nicht nur die Anerkennung, die Ingeborg Ginzel für ihre Forschung erhielt, sondern erlaubt auch einen Einblick in die Interessen der Wissenschaftlerin: Sie interessierte sich für historische und philosophische Schriften und besuchte gerne Kunstsammlungen. Zudem liebte sie das Reisen und besuchte regelmäßig ihre Mutter in Deutschland. Nachdem sie fünf Jahre in den USA gelebt und gearbeitet hatte, beantragte Ingeborg Ginzel die US-amerikanische-Staatsbürgerschaft. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in London und starb dort als unverheiratet am 14. November 1966.