Bisherige Pflanzen der Woche - Das Schneeglöckchen
Das Schneeglöckchen - Galanthus nivalis L.
Nicht nur auf den Wiesen des Botanischen Gartens läuten sie derzeit den Frühling ein: die Schneeglöckchen (Galanthus spp.). Vielleicht liegt es an unserer Vorfreude auf die wärmere Jahreszeit, dass um diese Pflanzen mancherorts ein Kult entstanden ist, der sogar einen eigenen Namen trägt. Die „Galanthophilie“ ist besonders im gartenbegeisterten England verbreitet. Dort gibt es Schneeglöckchen-Themenreisen, Schneeglöckchen-Wochen und Schneeglöckchen-Messen. Besondere Pflanzen erzielen bei Liebhabern stolze Preise: So ging 2012 ein Exemplar von Galanthus woronowii ‚Elisabeth Harrison‘ für umgerechnet 860 Euro über den Auktionstisch – diese Sorte zeichnet sich durch eine ungewöhnliche gelbe Zeichnung auf der Blüte aus.
Das einheimische Schneeglöckchen (Galanthus nivalis L.) wächst nur an wenigen Stellen Süddeutschlands wild, sein Gesamtverbreitungsgebiet reicht aber von Spanien bis nach Weißrussland und in die Ukraine. Für Sachsen sind verwilderte Vorkommen seit 1799 belegt.
Einige der 20 Schneeglöckchen-Wildarten sind in der Natur selten: Früher war es gängige Praxis, massenhaft Zwiebeln aus Naturbeständen für den Export zu sammeln und billig zu vermarkten. Seit 1987 kontrolliert das internationale Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen CITES den Handel mit Schneeglöckchenzwiebeln, die nicht aus gärtnerischer Vermehrung stammen: Entnahme aus der Natur ist strafbar, sofern die zuständige nationale Behörde nicht vorab eine Ausnahmegenehmigung erteilt hat. Teilweise regeln zusätzlich Exportquoten den Handel mit wildgesammelten oder (in der Türkei) auch mit künstlich vermehrten Zwiebeln.
Schneeglöckchen sind Giftpflanzen. Die Zwiebeln enthalten ein Eiweiß, das als Insektizid wirkt – das Galanthus nivalis Agglutinin (GNA). Wissenschaftlern gelang es 1996, das GNA-Gen in Kulturpflanzen einzubringen, unter anderem in die Kartoffel. Zwei Jahre später beobachtete der Biochemiker Árpád Pusztai bei Ratten, die diese gentechnisch veränderten Kartoffeln gefressen hatten, Veränderungen an Darm und Immunsystem. Noch bevor er die wissenschaftlichen Daten dazu veröffentlicht hatte, riet er öffentlich vom Verzehr der „Schneeglöckchen-Kartoffel“ ab. Was folgte, ist als „Pusztai-Affäre“ bekannt geworden: Die Methode, der wissenschaftliche Standard und die Schlussfolgerungen seiner Arbeit gerieten bei Forscherkollegen ins Kreuzfeuer der Kritik. Bis heute ist umstritten, ob GNA für den Menschen unbedenklich ist. Die „Schneeglöckchen-Kartoffel“ ist nicht für den Anbau zugelassen. Pusztai verlor seine Anstellung, setzte sich jedoch weiterhin gegen Gentechnik bei Nahrungspflanzen ein. Acht Jahre vor Edward Snowden wurde ihm 2005 der Whistleblower-Preis der Vereinigung deutscher Wissenschaftler verliehen. (KW 9/17)