Bisherige Pflanzen der Woche - Der Jadewein
Der Jadewein - Strongylodon macrobotrys A.Gray
Noch immer sind die Tore des Botanischen Gartens für Besucher geschlossen, doch Besonderheiten der vielfältigen Pflanzensammlung sollen trotzdem nicht verborgen bleiben. Zur Zeit blüht im Tropenhaus erstmals ein Schmetterlingsblütengewächs, dessen Name allein schon träumerische Neugier weckt: der Jadewein. Ihn möchten wir Ihnen an dieser Stelle, wenn zunächst auch nur auf elektronischem Wege, vorstellen.
Die über 40 cm langen, hängenden Blütenstände der hochwüchsigen Kletterpflanze beeindrucken durch eine höchst ungewöhnlichen Farbe: die Blüten erstrahlen in Türkis. Ursprünglich wächst der Jadewein in den Regenwäldern der Philippinen. Hier blüht er zwischen November und Juni monatelang. Die bemerkenswerte Farbe zieht die Aufmerksamkeit von Fledermäusen auf sich, die ihren Speiseplan mit dem süßen Nektar der Pflanze ergänzen. Allerdings landen sie nicht direkt auf den Blüten, wie wir es etwa von Bienen kennen. Stattdessen krallen sie sich in deren Umfeld fest und trinken dann kopfüber den Nektar aus den Blüten. Dabei lösen sie einen interessanten Mechanismus aus, der in der Familie der Schmetterlingsblütengewächse nicht selten ist. Staubbeutel und Griffel der Blüte sind unsichtbar in der kielartig langgezogenen Spitze des Schiffchens verborgen. Drückt die Fledermaus mit ihrer Schnauze in die Blüte, biegt sich dieser Kiel nach oben und der verdickte Griffel presst eine kleine Menge Blütenstaub aus der Schiffchenspitze heraus. Dieser landet auf der Stirn der Fledermaus und kann von ihr auf andere Blüten übertragen werden. Dieser Vorgang wiederholt sich mehrfach: Die Blüte verteilt so lange an jeden tierischen Besucher eine kleine Portion ihres Blütenstaubs, bis schließlich der ganze Vorrat erschöpft ist und sie nun selbst fremden Pollen von der Stirn der Fledermäuse abstreift, um bestäubt zu werden. Biologen bezeichnen diese Technik sehr bildhaft als „Nudelspritzenmechanismus“.
Als Zimmerpflanze ist der Jadewein mit seinen bis zu 20 m langen Trieben ungeeignet, aber Dank seiner Blütenpracht fand er europaweit Aufnahme in den Gewächshäusern verschiedener Botanischer Gärten. Doch obwohl die Pflanze auch hier oft blühte, entwickelten sich lange keine Früchte - schließlich lebten die philippinischen Fledermäuse in unerreichbarer Ferne! Erst 1995 gelang Wissenschaftlern der Royal Botanic Gardens Kew in England die erfolgreiche Bestäubung von Hand – etwa 30 Jahre nachdem der Jadewein dort erstmals geblüht hatte. Die Früchte, die wenig später von der Pflanze herabhingen, beeindruckten beinah so sehr wie die Blüten: Vom Aufbau her handelt es sich um Hülsenfrüchte, wie wir sie von Erbsen oder Bohnen kennen. Beim Jadewein sind sie dick, rundlich und etwa 15 cm groß – sie ähneln damit eher einer Mango oder kleinen, ovalen Melone.
Ob Bestäubungserfolge auch in Dresden gelingen? Vielleicht suchen Sie im Tropenhaus einmal nach den Früchten der Pflanze, sobald ein Besuch im Botanischen Garten wieder möglich ist ... (KW 20/2020)