Bisherige Pflanzen der Woche - Gnetum gnemon
Gnetum gnemon L.
Im Mittelbeet des Regenwaldhauses I, nahe den Aquarien, wartet ein kleiner Baum mit grauer Borke und hell- bis dunkelgrünen, glänzenden, netznervigen Blättern darauf, entdeckt zu werden. Gnetum gnemon lautet sein eigentümlicher Name. Olivengroße rote „Früchte“ in der Krone sind das Auffälligste an ihm.
Wirklich spektakulär ist hingegen die Verwandtschaft des kleinen Bäumchens. Obwohl die Gestalt der Blätter anderes vermuten lässt, gehört es wie Tanne und Fichte zu den Nacktsamern (Gymnospermen) – ist also näher mit den Nadelbäumen als mit den Laubbäumen verwandt. Die vermeintlichen „Früchte“ sind botanisch gesehen Samen, die bei den Nacktsamern stets frei liegen. Die äußere Samenschale von Gnetum besteht aus saftigem Gewebe, das an das Fruchtfleisch von Beeren erinnert. Ähnliches kennt man von den gelb gefärbten Samen des Gingko-Baumes. Nur die weiblichen Bäume der zweihäusigen Art bilden Samen.
Die Stellung von Gnetum innerhalb des Stammbaums des Lebens beschäftigt die Wissenschaft schon lange und wirft spannende Fragen zur Evolution der höher entwickelten bedecktsamigen Blütenpflanzen (Angiospermen) auf, mit denen Gnetum enger verwandt zu sein scheint als unsere Kieferngewächse. Die freistehenden Samenanlagen bilden blütenähnliche Strukturen (Strobili), die jedoch nicht dem Blütenbau der Bedecksamer entsprechen. Der Pollenschlauch entlässt – ähnlich wie bei der „doppelten Befruchtung“ der Bedecktsamer – zwei Spermakerne. Während bei diesen daraus ein Embryo und ein „genetisch angereichertes“ Nährgewebe hervorgehen, verschmelzen bei der doppelten Befruchtung von Gnetum beide Spermakerne mit weiblichem Erbgut, so dass zwei Embryonen entstehen.
Gnetum gnemon gedeiht von Südostasien über Melanesien bis nach Fiji in feucht-tropischen Regenwäldern, toleriert aber auch zeitweise Trockenheit. Angebaut fungiert der Baum in Haus- und Obstgärten, Agroforstsystemen und auf Wiederaufforstungsflächen als Rankhilfe für andere Nutzpflanzen, wie beispielsweise Yamswurzel. Gleichzeitig spendet er Schatten und schützt vor Wind. Die Bastfasern des Stamms lassen sich zu Netzen, Taschen und Seilen verarbeiten. In Papua-Neuguinea fertigt man daraus traditionelle Netztaschen, die „Bilums“. Die proteinreichen Samen lassen sich roh, gekocht, geröstet oder frittiert verzehren. In Indonesien kennt man sie als Melinjo-Samen. Für die Herstellung des traditionellen „Emping“ werden sie geröstet, flach geklopft, in Fett ausgebacken und dann als Beilage bzw. salzig oder süß als Snack serviert. Im Rezept verschiedener Gemüsegerichte finden sich die gekochten jungen Blätter und Samenstände. Nicht zuletzt wird auch das Holz der Pflanze genutzt, um beispielsweise Werkzeuggriffe daraus zu fertigen.
Da Gnetum keine nahen Verwandten mehr hat, stellt man die Gattung in eine eigene Pflanzenfamilie (Gnetaceae). Die rund 40 Arten besiedeln die Tropen Amerikas, Afrikas und Südostasiens. Gnetum gnemon stellt als Baum mit bis zu 15 Metern Höhe eine Besonderheit dar. Typischer sind Sträucher oder windende Kletterpflanzen. Im Wüstenpflanzenhaus kann man die nächste Verwandte von Gnetum besuchen: die Welwitschie (Welwitschia mirabilis). Mit ihrem einzigen Blattpaar, welches sich von seiner Basis aus fortlaufend erneuert, ist diese letzte Vertreterin einer ansonsten ausgestorbenen Pflanzenfamilie ein mindestens ebenso bestaunenswertes Gewächs. Im Dezember 2017 haben wir sie als Pflanze der Woche porträtiert: https://tud.link/ism6
(KW 46/22)