Bisherige Pflanzen der Woche - Die Helwingie
Helwingia japonica (Thunb.) F.Dietr.
Können Blüten auf Blättern wachsen? Das Standard-Lehrbuch der Botaniker, der „Strasburger“, ist in dieser Frage eindeutig: Blüten entspringen niemals auf Blättern, sondern immer aus dem Spross. Wer jedoch offenen Auges durch das Japan-Quartier des Botanischen Gartens streift, könnte zu einer anderen Ansicht gelangen. Helwingia japonica zeigt hier gerade ihre kleinen grünlichen Blüten – und diese scheinen der Mitte der Blätter zu entspringen.
Um diesen Widerspruch zu klären, haben Wissenschaftler die Entwicklung der Blüten genauer untersucht. Klassischerweise liegen die Wachstumszonen (Meristeme), aus denen Blütenstände und Einzelblüten hervorgehen, oberhalb der Blattachseln am Spross. Bei Helwingia japonica ist die Anlage des Blütenstands ein winziges Stück verschoben: Sie befindet sich oberseits an der Basis des Blattmeristems. Bei der weiteren Entwicklung des Blattes wächst dieses oberhalb und unterhalb der Blütenanlagen in die Länge. Die Leitgefäße wachsen dabei mit und verbinden den Blütenstand weiterhin mit dem Spross. Am Ende des Prozesses liegen die Blüten letztlich in die Mitte des Blattes.
Es gibt verschiedene Pflanzen, bei denen es so scheint, als würden die Blüten aus den Blättern herauswachsen. Ein bekanntes Beispiel ist der Stechende Mäusedorn (Ruscus aculeatus), der im Freiland des Botanischen Gartens an verschiedenen Stellen zu finden ist. Seine „Blätter“ sind allerdings flache, blattförmige Sprosse (Phyllokladien), an denen die Blüten „regelkonform“ aus den Achseln von winzigen Schuppenblättern entspringen. Beim Garten-Geißblatt (Lonicera caprifolium) verwachsen zwei gegenständige Hochblätter unterhalb des Blütenstands – auch hier sieht es so aus, als würden die Blüten aus den Blättern entspringen. (KW20/2017)