Bisherige Pflanzen der Woche - Die Wein-Raute
Die Wein-Raute – Ruta graveolens L.
Zwischen allerlei Gewürzkräutern blüht im Nutzpflanzengarten derzeit die Wein-Raute. Ihre Blätter enthalten reichlich ätherisches Öl, das schon im antiken Rom manche Speisen würzte. Zudem gilt die Pflanze als entzündungshemmend und wassertreibend. Die Volksmedizin verwendete sie einst auch als Gegenmittel bei Vergiftungen.
Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Wie ein Blick auf das Etikett zeigt, ist die Wein-Raute auch eine Giftpflanze. Die im Kraut enthaltenen Alkaloide können u. a. Fehlgeburten auslösen. Selbst leichte Berührung ist gefährlich: Hautpartien, die in Kontakt mit der Pflanze kommen und anschließend der Sonne ausgesetzt werden, schwellen zu schmerzhaften Blasen an.
Der schmale Grat zwischen Genuss und Vergiftung brachte der Wein-Raute eine Rolle in Shakespeares „Hamlet“ ein. Dort überreicht Ophelia der Königin einen Strauß Blumen mit den Worten: „There’s rue for you and here’s some for me” (Da ist Wein-Raute für dich und hier ist welche für mich) und fügt hinzu: „O you must wear your rue with a difference.” (Oh, du musst deine Raute unter einem anderen Vorzeichen tragen).
Auf welchen Unterschied spielt Ophelia hier an? Für sie selbst symbolisiert die Wein-Raute wohl Trauer und Reue, wie ein Wortspiel nahelegt – denn das englische Verb „rue“ steht für „bereuen“. Nur wenige Szenen später verfällt die junge Frau dem Wahnsinn und ertrinkt in einem Fluss.
Die Königin ist dagegen kein Kind von Traurigkeit. Bereits kurz nach dem Tod ihres Gatten ist sie wieder frisch vermählt - schon das allein reichte in Shakespeares Zeiten zum Skandal. Womöglich spielt Ophelia also auf die abtreibende Wirkung der Wein-Raute an? Wir können nur erahnen, was das elisabethanische Publikum des Dramas in das harmlos erscheinende Blumengeschenk hineindeutete. Fest steht allerdings, dass Shakespeare in vielen seiner Stücke unter dem Deckmantel der Botanik Anspielungen versteckte. Welche das noch sein könnten, verrät die Woche der Botanischen Gärten noch bis kommenden Sonntag unter dem Motto „Garten=Theater – Pflanzen in Shakespeares Welt“. (KW 24/2016)